Alle Preisträger auf der Bühne – mit Sebastian Rudolph, dem Vorstandsvorsitzenden der Ferry-Porsche-Stiftung, in der Mitte und OB Frank Nopper Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Eine Million Euro für Projekte, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern – das ist ein Wort. Bei einer Feierstunde im Porsche-Museum wurden die Gewinner der fünften Challenge der Ferry-Porsche-Stiftung bekannt gegeben. Einige kommen aus Stuttgart.

Bei Kathrin Damm und Naeema Sommerfeldt wächst minütlich die Spannung. 17 Preisträger der diesjährigen Ferry-Porsche-Challenge wurden bereits benannt. Jetzt geht’s um die drei mit jeweils 75 000 Euro dotierten ersten Preise. Als dann der Name ihres Vereins fällt – AG Asylsuchende Sächsische Schweiz Osterzgebirge – liegen sich die beiden jungen Frauen in den Armen. Glückstrahlend betreten sie die Bühne im Stuttgarter Porsche-Museum, nehmen den Preis entgegen, um dann von ihrer ehrenamtlichen Arbeit zu berichten. Diese besteht darin, gemeinsam mit 60 anderen Freiwilligen Geflüchteten zu helfen, ein Teil der Gesellschaft zu werden – und das in einem Umfeld, in dem die AfD bei den Landtagswahlen gerade 35 Prozent erreicht hat und in Pirna, wo ihr Verein aktiv ist, sogar den Bürgermeister stellt.

Kathrin Damm wirkt davon keinesfalls entmutigt: „Wir halten mit unserem Projekt die Balance“, sagt sie entschlossen. Einpacken, aufgeben, zurückweichen, das kommt für sie nicht infrage. Die Wertschätzung durch die Ferry-Porsche-Stiftung ist für sie und ihren Verein eine Ermutigung, weiter am gesellschaftlichen Zusammenhalt zu arbeiten. Vor wenigen Tagen erst haben sie gemeinsam mit Geflüchteten eine Putzete in ihrem Viertel veranstaltet und Müll entsorgt, den andere hinterlassen haben. Ein gutes Mittel, mit Vorurteilen aufzuräumen, findet sie.

650 Bewerbungen aus Baden-Württemberg und Sachsen

Die Preisverleihung im Porsche-Museum, musikalisch eindrucksvoll umrahmt von Rappern des Ludwigsburger Vorjahressiegers LubuBeatz, besteht aus vielen solcher hoffnungsvoller Beispiele. Genauer gesagt aus 50. Eigentlich sind es noch viel mehr. Denn an der diesjährigen Ausschreibung haben sich 650 gemeinnützige Vereine, Organisationen und soziale Start-ups aus Baden-Württemberg und Sachsen beteiligt, den beiden Ländern mit Porsche-Standorten. „So viel waren es noch nie“, betonte der Vorstandsvorsitzende der Ferry-Porsche-Stiftung, Sebastian Rudolph.

Das Thema der Challenge lautete: „Zusammenleben gestalten“. Eine Jury, der auch die Chefredakteure von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, Joachim Dorfs und Christoph Reisinger angehören, wählte 50 besonders preiswürdige Bewerbungen aus. Am Donnerstagnachmittag wurden die Sieger gekürt. Aus dem Füllhorn der Stiftung floss dabei insgesamt eine Million Euro an Preisgeldern.

„In stürmischen Zeiten ist ehrenamtliches Engagement wichtiger denn je“ – Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Einen ersten Preis und damit 75 000 Euro gewann auch ein vor zwei Jahren gegründetes und zunächst bis 2026 befristetes Projekt des Stuttgarter Sozialunternehmens Neue Arbeit. Es nennt sich Straßen-Universität und bietet Menschen ein niederschwelliges, kostenloses Bildungsangebot im öffentlichen Raum an. Mit Erfolg. Gregor Senne, der mit Hannah Gröner die Idee entwickelte und das Projekt betreut, freut sich über den Zuspruch, den das Angebot aus Kochkursen, Museumsbesuchen und anderen Aktivitäten findet: „Die Straßen-Universität entwickelt sich sehr dynamisch“, berichtet er stolz. Bisher seien rund 3000 Menschen in Stuttgart erreicht worden. Allein in diesem Jahr komme man auf 100 Veranstaltungen. Die Straßen-Universität ist inzwischen auch Bestandteil der Vesperkirche in der Leonhardskirche im Stuttgarter Leonhardsviertel.

Ein erster Preis für die Stuttgarter Straßen-Universität ging an Hannah Gröner und Gregor Senne. Links der Stiftungsvorsitzende Sebastian Rudolph. Rechts: Porsche-Personalvorstand Andreas Haffner. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Soeben ist das Programm für das Wintersemester erschienen. Das Angebot reicht vom Erzählcafé bis zum Trommel-Workshop. Im Kern gehe es jedoch um Begegnung, um Beziehungsaufbau und Selbstwertgefühl, sagt Hannah Gröner. Und ganz wichtig: „Das ist keine Uni für Arme“, betont Senne: „Bei der Straßen-Universität kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus zusammen und lernen voneinander.“

Damit erfüllt das Projekt ebenso wie die dritten Gewinner, die Organisation Frauen helfen Frauen Ortenau, das Anliegen der fünften Ferry-Porsche-Challenge. Porsche-Chef Oliver Blume unterstreicht in einer eingespielten Videobotschaft die Bedeutung gesellschaftlichen Zusammenhalts: „Ein friedvolles, vielfältiges Miteinander bereichert unser aller Leben.“ Finanzvorstand Lutz Meschke ist live vor Ort und zeigt sich beeindruckt von dem, was die versammelten Initiativen dazu beitragen: „In stürmischen Zeiten, wie den heutigen, ist ehrenamtliches Engagement wichtiger denn je.“ Der digital zugeschaltete Porsche-Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Porsche drückt seine Anerkennung durch stille Präsenz aus.

Naeema Sommerfeldt (links) und Kathrin Damm betreuen im Erzgebirge Geflüchtete . Foto: Lichtgut/Leif Piechowski/Leif Piechowski

Sie gilt auch dem Stuttgarter Projekt Local Diversity, das sich zum Ziel gesetzt hat, junge Menschen mit Migrationshintergrund für kommunales Engagement zu motivieren. Ebenso dem Verein Tragwerk aus Ludwigsburg mit seinem barrierefreien Frühstücks- und Café-Angebot. Beide Initiativen erhielten einen von sechs zweiten Preisen und damit je 50 000 Euro. Verdienstvoll ist auch die Arbeit des Stuttgarter Vereins Props, der bereits mit dem Ehrenamtspreis unserer Zeitung ausgezeichnet worden ist. Props bringt Kinder aus Wohnungslosenunterkünften mit Kunst und Kultur in Kontakt. Dafür gab es einen von neun dritten Preisen (je 25 000 Euro). Über einen dritten Preis durfte sich auch das Projekt Saatkorn aus Korntal-Münchingen freuen, das junge Migranten bei der Integration unterstützt. Aus Tübingen wurden zwei Initiativen mit dritten Preisen bedacht: Rock your Life, ein Mentoring-Projekt, das die Chance benachteiligter Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt verbessern will, sowie der Förderverein Bündnis für Familien. Sein Anliegen ist es, die Schwimmfähigkeiten von Kindern zu verbessern.

Personalvorstand Haffner verspricht: „Wir sind an eurer Seite“

Einen starken Eindruck auf die Jury machte auch die Arbeit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, die in Leipziger Schulen über das Thema Depression informiert, sowie der Badische Behinderten- und Rehabilitationssportverband; er bildet Menschen mit geistiger Behinderung zu Co-Trainern aus. Beide Projekte wurden mit Sonderpreisen über jeweils 50 000 Euro ausgezeichnet. Alle übrigen Finalisten erhielten je 10 000 Euro. Weitere 20 nicht nominierte Projektideen wurden mit „Anschubpreisen“ über je 2500 Euro bedacht. In den bisherigen fünf Ausschreibungen hat die Stiftung nach eigenen Angaben 260 gemeinnützige Organisationen geehrt und mit Preisgeldern in Höhe von 5,7 Millionen Euro belohnt.

Kathrin Damm und Naeema Sommerfeldt, die Gewinnerinnen aus dem Erzgebirge, hat sich der Nachmittag im Porsche-Museum eingeprägt. Auch wegen der Botschaft, die Personalvorstand Andreas Haffner auf der Bühne formulierte: „Wir schauen hin. Wir sind an eurer Seite. Kommt gerne wieder auf uns zu.“