Mit aufmerksamem Blick, sprachlicher Finesse und feinem Humor fasziniert Felicitias Hoppe seit jeher ihre Leser. Foto: SWR - SWR

Als einstige Bahnwärter-Stipendiatin ist Felicitas Hoppe in Esslingen stets ein besonders gern gesehener Gast. Zur LesART bringt sie diesmal ihr neues Reisebuch „Prawda“ mit.

EsslingenEs gehört zu den Vorzügen der LesART, dass sie bemerkenswerte Autoren konsequent begleitet und immer wieder in Esslingen präsentiert. So ergibt sich über die Jahre ein sehr viel engerer Kontakt zwischen dem Publikum und den literarischen Gästen – und ein sehr schöner Überblick über deren Schaffen. Zu denen, die in Esslingen immer wieder gern gesehen sind, zählt Felicitas Hoppe. Die spätere Büchner-Preisträgerin war 1996 als Bahnwärter-Stipendiatin für längere Zeit in der Stadt, und der Kontakt ist seither nicht abgerissen. Davon haben auch die Literaturtage profitiert, denen Felicitas Hoppe mit ihrer Traumbiografie „Hoppe“ vor Jahren eine Sternstunde beschert hatte.

Diesmal stellt die Autorin ihr jüngstes Buch „Prawda – Eine amerikanische Reise“ (S. Fischer Verlag, 20 Euro) vor. An dessen Entstehung waren irgendwie auch zwei russische Satiriker beteiligt – zumindest indirekt: Von Oktober 1935 bis Januar 1936 hatten Ilja Ilf und Jewgeni Petrow die USA in einem mausgrauen Automobil durchquert. Und am Ende ihrer 16 000-Kilometer-Reise fanden sie: „Wäre Amerika sowjetisch, dann wäre es das Paradies.“ Auf den Spuren von Ilf und Petrow hat Felicitas Hoppe, die sich nicht zum ersten Mal literarisch auf Reisen begibt, versucht, dem „wahren Amerika“ unserer Tage nachzuspüren, das man wie damals weniger in Metropolen und Sehenswürdigkeiten entdecken kann als in ganz alltäglichen, scheinbar unspektakulären Begegnungen und Beobachtungen irgendwo mitten im Land. „Ich schaue eigentlich zwei Schriftstellern beim Reisen und auch beim Schreiben zu“, hat Felicitas Hoppe in einem Interview ihr Arbeitsprinzip beschrieben. „Das heißt, indem ich die Reise nachreise, komme ich den beiden natürlich auch auf die Schliche. Man sitzt im Auto, liest ihr Buch, während das Buch draußen vorbeifährt, und da habe ich gemerkt: Alles stimmt in ihrem Bericht auch nicht.“

Vielleicht ist allerletzte Faktentreue ja auch gar nicht der richtige Maßstab, wenn man ergründen will, was die USA wirklich ausmacht. Wenn Hoppe ihre Erzählerin von ganz persönlichen Impressionen berichten lässt, fördert sie Wahrheiten zutage, die man mit klassischer Dokumentation nie gewinnen würde. „Ehrliche Erfindung“ nennt das Hoppe, die den Leser mit ihrer faszinierenden sprachlichen Finesse in ein Spiel verwickelt, in dem er nie so richtig weiß, wo die Wirklichkeit endet und die Fantasie einer Autorin beginnt, deren Texte zum Besten gehören, was die deutsche Literatur heute zu bieten hat.