Die Wiese hinter dem Garten von Horst Ziegler ist und bleibt eine Wiese. Einen Bodenwertunterschied im Vergleich zum restlichen Grundstück gibt es aber nicht mehr. Foto: Roberto Bulgrin

Selbst bei offensichtlichen Fehlern und krassen Ausreißern müssen die Betroffenen bei der Grundsteuerreform den „Weg durch die Instanzen“ antreten. Die dafür notwendigen Gutachten kosten sie zusätzliches Geld.

Als in den Gemeinderäten die Hebesätze für die neue Grundsteuer festgezurrt worden sind, fiel auch im Kreis Esslingen immer wieder das Wort „aufkommensneutral“. Die Kommunen, so hieß es, würden sich, trotz der Reform, vom Gesamtvolumen her nicht bereichern, was den Kalkulationen nach auch stimmen mag. Dennoch gibt es viele „Ausreißer nach oben“, die aus Sicht der Eigentümer völlig inakzeptabel sind.

5183 Euro Steuer für die Streuobstwiese

Kimmichsweiler Bei Horst Ziegler, der in Esslingen-Kimmichsweiler lebt, wurde die Steuer für sein Grundstück von knapp 800 auf mehr als 6900 Euro angehoben. Besser gesagt für seine Grundstücke, die direkt aneinander grenzen, was wohl auch das Problem ist. Denn eine Streuobstwiese, die ihm gehört und zwischen seinem Wohnhaus und einem Landschaftsschutzgebiet liegt, ist auf einmal mit dem Bauland-Bodenrichtwert veranschlagt, obwohl Ziegler dort nicht mal ein Mini-Gewächshaus aufstellen darf. Für die selbst bewirtschaftete Grünfläche musste der Rentner bislang 78 Euro berappen. Jetzt sind es sage und schreibe 5183 Euro.

Das Finanzamt wertet die besagte Wiese als Freizeitgrundstück, was Ziegler schon deshalb nicht versteht, „weil ich damit nur Arbeit habe“. Und der Esslinger Gutachterausschuss sah offenbar keinen Anlass, das bisherige Grünland weiterhin als Grünland zu betrachten, sondern hat dieses mit dem selben Bodenrichtwert wie das daneben liegende Wohngrundstück taxiert.

Als der 83-Jährige – von einem Fehler ausgehend – im vergangenen Jahr beim Gutachterausschuss angerufen hat, erhielt er die Auskunft, dass er um die Angelegenheit zu klären, ein vereinfachtes Bodenrichtwert-Gutachten beantragen müsse. „Das habe ich auch getan und dann erfahren, dass mich das 400 Euro kosten wird und mindestens ein halbes Jahr dauert.“

Was Ziegler überhaupt nicht versteht: „Da kommt niemand vorbei und schaut sich das mal an. Vielmehr sei ihm gesagt worden, „dass man alles auf den Plänen sehe.“ Dem sei aber ja offenkundig nicht so, fügt er hinzu und wundert sich, dass es in der Nachbarschaft sogar möglich war, die Grundstücke in ähnlichen Fällen aufzuteilen.

Einfaches Bodenwertgutachten reicht nicht aus

Hellerweg Mit einer solchen Aufteilung hätte auch die Familie Götz im Esslinger Hellerweg gut leben können. Ihr Grund und Boden liegt – wie so oft in Esslingen – am Hang und hat eine Fläche von elf Ar, wovon sich gut die Hälfte im sogenannten Außenbereich befindet. „Dort dürfen wir nicht mal einen Gartenpool aufstellen“, hat Werner Götz vor einiger Zeit erfahren müssen. Eine Steigerung der Grundsteuer von gut 700 auf 2100 Euro setzte es trotzdem.

Zusammen mit seiner Frau Gretel gab er ein einfaches Bodenwertgutachten in Auftrag. Dieses, so berichtet Götz, werde vom Finanzamt aber nur dann akzeptiert, wenn es vom Esslinger Gutachterausschuss stamme, der aber zu wenig Personal habe. „Kommt die Bewertung hingegen von einem externen Büro, muss es ein qualifiziertes Gutachten sein“, erklärt Götz nach einer entsprechenden Mitteilung der Behörde. Zu den bereits bezahlten 600 Euro für die einfache Variante kämen nun nochmals knapp 2000 Euro oben drauf. „Doch was bleibt uns anderes übrig“, fragt sich das Ehepaar wohl eher rhetorisch.

Eine „zusätzliche Pacht“

Hegensberg Massiv verärgert ist auch David Wötzer, der in Hegensberg ein Grundstück mit einem alten Einfamilienhaus von 1892 erworben und dieses nicht abgerissen, sondern ebenso liebevoll wie nachhaltig kernsaniert hat. Die Grundsteuer lag bei etwas mehr als 70 Euro und schnellte jetzt um 921 Prozent auf 675 Euro nach oben. „Klar habe ich bisher sehr wenig bezahlt“, räumt er ein. Aber ein solches Haus habe ja auch kaum Unterhaltskosten und sein Erhalt sei quasi ein Selbstläufer, ergänzt er sarkastisch. „Eine solche Erhöhung ist abstrus und liegt vor allem an den ermittelten Bodenrichtwerten, sofern man hier das Wort ,ermittelt’ überhaupt verwenden sollte.“ Bei einer Fläche von 378 Quadratmetern, auf dem das Baufenster zudem ausgereizt sei, könne sicher nicht von einem Anwesen gesprochen werden, stellt Wötzer klar.

Kimmichsweiler Von einer „zusätzlichen Pacht“ für ihr gemeinsames Eigentum spricht Sigrun Böhmler, die mit ihrem Mann in Kimmichsweiler wohnt. Ihr knapp 19 Ar großes Grundstück haben sie vor einiger Zeit geteilt und die Hälfe der Tochter überschrieben. „Für die gesamte Fläche, auf der nichts mehr gebaut werden dürfe, haben wir vor einigen Jahren etwas mehr als 300 Euro Grundsteuer bezahlt. Jetzt sind es alleine für unseren Teil 1500 Euro“, sagt Böhmler. Insgesamt hätte sich der Betrag fast verzehnfacht, fährt sie fort. In der Nachbarschaft sei das häufig anders. Da wurde auf manchen Grundstücken ziemlich direkt hinter der Bebauung eine Grenze gezogen“, wundert sich Böhmler.

Die gesamte Außenanlage in Rechnung gestellt

Hellerweg „Geschockt, verzweifelt und frustriert“, so beschreibt Alfred Gräßle seinen Gemütszustand beim ersten Lesen des Grundsteuerbescheids. Der 85-Jährige bewohnt mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung im Hellerweg. Den Anteil an der Wohnanlage gibt Gräßle mit 123 Quadratmetern an. Berechnet wurde ihm aber das Zehnfache, kurzum, die gesamte Außenanlage. „Uns wurden 2400 Euro draufgehauen, während die Wohnung darunter die eigentlichen 245 Euro an Steuer kostet“, klagt der sichtlich mitgenommene Rentner.

Bereits im vergangenen September, noch lange vor dem Versenden der Bescheide, hat Gräßle Widerspruch eingelegt. Der sei aber im Amt verschwunden, habe er bei einer Nachfrage erfahren. Und jetzt? – „Meine Anrufe beim Finanzamt und bei der Stadt sind, trotz des offensichtlichen Fehlers, bis jetzt ergebnislos geblieben“, betont er.

Beim Finanzamt habe man ihm gesagt, er müsse in dieser Sache einen Termin schriftlich beantragen, ergänzt der ehemalige Informatiker und ist entsetzt: „Mit einer Plausibilitätskontrolle im EDV-Programm kann so etwas nicht passieren. Aber die gibt es scheinbar nicht.“