Dass die US-Notenbank Fed die Zinswende einleitet, galt als ausgemacht. Nun ist klar, dass sie sich für einen großen Schritt entschieden hat.
Washington - Die US-Notenbank Federal Reserve leitet einen Kurswechsel ein und senkt zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren ihren Leitzins. Angesichts der abflauenden Inflation entschied sich die Fed für einen ungewöhnlichen großen Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte. Der Leitzins liegt nun auf einer Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Zu diesem Satz können sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen.
Die Notenbank signalisiert weitere Zinssenkungen in diesem Jahr. Die Entscheider der Fed rechnen 2024 im Mittel mit einem Leitzins von 4,4 Prozent (Juni: 5,1 Prozent). Das deutet auf einen weiteren großen Schritt um 0,5 Prozentpunkte oder zwei kleine Schritte um je 0,25 Prozentpunkte nach unten hin.
Fed-Chef Powell: Unser Vorgehen hat sich ausgezahlt
"Unser geduldiges Vorgehen im vergangenen Jahr hat sich ausgezahlt", sagte Fed-Chef Jerome Powell. Dennoch könne man mit Blick auf die hohen Verbraucherpreise nicht sagen "Mission erfüllt", so Powell. Aber das Inflationsrisiko sei zurückgegangen, dafür hätten die Risiken auf dem Arbeitsmarkt zugenommen. Deshalb sei es sinnvoll, die Zinssätze zu senken.
"In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Arbeitsmarkt von seinem einst überhitzten Zustand abgekühlt", so der Chef der Notenbank der größten Volkswirtschaft der Welt. Für dieses Jahr rechnet die Fed mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 4,4 Prozent - 0,4 Prozentpunkte mehr als noch im Juni prognostiziert.
Kampf gegen hohe Verbraucherpreise
Die Fed hatte den Leitzins zuletzt im März 2020 gesenkt - um die Wirtschaft in der beginnenden Corona-Pandemie anzukurbeln. Danach blieben die Zinsen zunächst an der Null-Marke - bis die Fed im März 2022 mit Erhöhungen in rekordverdächtigem Tempo begann und den Zinssatz vor einem Jahr auf das aktuelle Niveau hochschraubte. In den USA hat sich der Preisauftrieb zuletzt abgeschwächt. Das gibt der Federal Reserve mehr Handlungsspielraum für Zinssenkungen. Die Europäische Zentralbank hatte bereits im Juni die Zinswende eingeleitet.
Die Notenbank hat auch neue - sehr optimistische - Prognosen für die Teuerungsrate veröffentlicht. In diesem Jahr geht die Fed von einer niedrigeren Teuerungsrate als im Juni prognostiziert aus - sie soll durchschnittlich bei 2,3 Prozent (Juni: 2,6 Prozent) liegen. Für das kommende Jahr rechnen die Notenbanker mit durchschnittlich 2,1 Prozent (Juni: 2,3 Prozent). Die US-Notenbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an.
Die Kerninflation, also ohne Berücksichtigung von Lebensmittel- und Energiepreisen, soll dieses Jahr aber bei 2,6 Prozent (Juni: 2,8 Prozent) liegen, kommendes Jahr bei 2,2 (Juni: 2,3 Prozent). Die Notenbanker schauen in ihrer Analyse besonders auf diesen Wert. Er gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate, da schwankungsanfällige Komponenten herausgerechnet werden.
Balanceakt für Fed
Die Geldpolitik der Fed wirkt erst mit Verzögerung - die Notenbanker dürften die Inflationsrate weiter genau im Blick behalten. Für die Fed ist der Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise ein Balanceakt. Bei zu hohen Zinsen besteht die Gefahr einer Rezession. Werden die Zinsen zu früh gesenkt, könnte die Inflationsrate wieder ansteigen. Im Sommer 2022 lag sie bei mehr als 9 Prozent.
Eine Senkung des Zinssatzes verbilligt Kredite, weswegen Firmen eher investieren und viele Bürgerinnen und Bürger weniger für Kredite ausgeben müssen - sie haben so mehr Einkommen zur Verfügung. Das könnte die Wirtschaft ankurbeln. Hohe Renditen für Sparer könnten hingegen geschmälert werden. Für US-Anleger sind Zinssenkungen eine gute Nachricht. Den Dollar dürfte die Zinssenkung weiter schwächen - USA-Reisende aus Deutschland dürfte das freuen.
Geldpolitik spielt auch Rolle im Wahlkampf
Die Fed-Entscheidung kommt wenige Wochen vor der Präsidentenwahl am 5. November. Die rasante Teuerung, die durch den Anstieg der Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und die Folgen der Corona-Pandemie ausgelöst wurde, hat die Präsidentschaft von US-Präsident Joe Biden belastet. Viele Alltagsprodukte sind teurer als während der Amtszeit von Donald Trump.
Der Republikaner, ein scharfer Kritiker von Fed-Chef Powell, hatte bereits versucht, die Zinsentscheidungen zu politisieren. So behauptete er, die Fed dürfe die Zinsen nicht vor der Wahl im November senken, weil dies die Stimmung zugunsten der aktuellen Regierung des demokratischen Präsidenten Biden verbessern würde. Trump tritt bei der Wahl gegen Bidens Vize Kamala Harris an.
Angesprochen auf Trumps Äußerungen sagte Powell: "Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft im Namen des amerikanischen Volkes zu unterstützen. Und wenn wir es richtig anpacken, wird dies dem amerikanischen Volk zugutekommen, und zwar erheblich." Es gebe keine weiteren Filter in den Notenbank-Sitzungen. "Wenn man damit anfängt, weiß ich nicht, wo man aufhören soll, und deshalb tun wir das einfach nicht."