Kämpferischer Spitzenkandidat der FDP: Hans-Ulrich Rülke Foto: dpa/Uli Deck

Als Partei der Freiheit will sich die FDP im Landtagswahlkampf profilieren. Ihr Spitzenmann Rülke bekam beim Parteitag in Rheinstetten ein klares Vertrauensvotum – dennoch gab es Zoff um seine Mobilitätspolitik.

Rheinstetten - Auf ihrem außerordentlichen Landesparteitag hat die baden-württembergische FDP am Samstag in der DM-Arena in Rheinstetten (Kreis Karlsruhe) mit überwältigender Mehrheit den FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke (58) zum Spitzenkandidaten gekürt. Die Wahl erfolgte per Akklamation, bei den 400 Delegierten gab es nur vier Enthaltungen und keine Gegenstimmen.

Die gesamte FDP-Spitze rechnete in ihren Reden mit der Landes- und Bundesregierung scharf ab. So warf der Landesvorsitzende Michael Theurer dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „Geschichtsvergessenheit“ vor, da er am Beginn der Corona-Krise am Parlament vorbei mit einer Art „Notstandsgesetzgebung“ regieren wollte. Auch Kanzlerin Angela Merkel habe mit ihrer Kritik an „Öffnungsdiskussionsorgien“ – dabei ging es um Lockerungen der Corona-Restriktionen –, eine „demokratieverachtende“ Sprache an den Tag gelegt. Dabei sei eine offene Demokratie am besten in der Lage, solch eine Krise zu meistern.

Theurer sieht die FDP als Partei der Freiheit, die in der Krise an die Verhältnismäßigkeit der Mittel erinnerte und auf die rasche Rücknahme von Einschränkungen gepocht habe, sobald das zurück gehende Infektionszahlen rechtfertigten. „Das wäre ja ein Treppenwitz der Geschichte, wenn wir aus China das Virus und dann noch die autoritären Strukturen übernommen hätten“, sagte Theurer.

Appell an die 7900 FDP-Mitglieder im Südwesten

Über die grün-schwarze Regierung in Stuttgart sagte Theurer, dass sich deren Politik „wie Mehltau“ über das Land gelegt habe. Bei der Bildungspolitik und Digitalisierung sei Baden-Württemberg „hinter Bayern zurückgefallen“. Besonders bei der Digitalisierung der Schulen „haben Kultusministerin Eisenmann und die Landesregierung auf der ganzen Linie versagt“. Man habe die Eltern alleine gelassen, hätte es nicht engagierte Lehrer gegeben, wäre die Krise für die Schulen noch schlimmer ausgefallen. Theurer appellierte an die 7900 FDP-Mitglieder im Land: „Wir machen einen Wahlkampf, dass die Bude wackelt!“

Neben den klassischen Forderungen der Liberalen – Entbürokratisierung, Senkung der Grunderwerbsteuer und Entrümpelung der Landesbauordnung – nannte FDP-Spitzenmann Rülke zwei „Visionen“ seiner Partei für das Land. Mit einer Regierungsbeteiligung wollen die Liberalen erreichen, dass der „erhebliche Rückstand bei der Digitalisierung“ wett gemacht werde und es „Glasfaserkabel in jedem Dorf“ gebe. „In der Krise ist die wahre bildungspolitische Ungerechtigkeit deutlich geworden – der mangelnde Zugang von Schülern zu digitalen Endgeräten“, sagte Rülke. Ein anderer Schwerpunkt ist die Mobilitäts- und Energiepolitik, bei der Rülke eine einseitige Fixierung von Grün-Schwarz auf die Elektromobilität kritisierte. „Sie versucht, den Verbrennungsmotor tot zu machen“, so Rülke. Der Rohstoffbedarf und die Entsorgungslast der Batterien durch den E-Antrieb „werden unter den Teppich gekehrt“.

Die „Verteufelung“ des E-Antriebes gefällt nicht jedem

Die FDP setze auf die Weiterentwicklung der Verbrenner, den Wasserstoffantrieb und synthetische Kraftstoffe sowohl für Autos als auch für Flugzeuge. Ohne eine „Wasserstoffstrategie“ im Koalitionsvertrag werde die Südwest-FDP kein Regierungsbündnis eingehen. Die starke Befürwortung einer Antriebsart löste später im Plenum allerdings Widerspruch aus: Man sei doch keine „Wasserstoffpartei“, sagte ein Delegierter. Ein anderer aus dem Landkreis Böblingen warnte vor einer Verteufelung des E-Antriebs, viele Unternehmen in seinem Kreis konzentrierten sich jetzt schon auf deren Entwicklung. Widerspruch lösten die Formulierungen der Arbeitsvorlage für das 94-seitige Wahlprogramm aus, wonach „die einseitige Fokussierung auf den E-Antrieb“ ein „Irrweg“ und die Wasserstoffstrategie eine Koalitionsbedingung sei. Auch wollten Delegierten den Satz streichen, dass „die batterieelektrische Mobilität“ sich bisher nicht durchgesetzt habe. Alle entsprechenden Änderungsvorschläge wurden aber mit knapper Mehrheit abgelehnt, die Parteispitze setzte sich also durch.

Ein gutes Haar wollte der FDP-Spitzenkandidat Rülke an der Landesregierung kaum lassen, auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) wurde von ihm kritisiert, da er auf jeden Vorfall „mit einer Verschärfung des Polizeigesetzes“ reagiere: „Damit lenkt er er von dem ab, was er falsch gemacht hat. Er sollte die bestehenden gesetzlichen Mittel anwenden und ausschöpfen.“ Trotz der Kritik an dem Christdemokraten sieht Rülke inhaltlich die größten Schnittstellen mit der CDU, das bevorzugte Regierungsbündnis wäre für ihn eine Deutschlandkoalition, also aus CDU, SPD und FDP.

Mit den Linken und namentlich der AfD – „die Rassismus und Antisemitismus in unser Land zurück gebracht haben“ – werde die FDP nicht koalieren. Rülke: „Wir schließen eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht aus, wenn wir in eine Regierung eintreten. Aber es muss eine liberale Politik betrieben werden – sonst lassen wir es.“