Die Einzelfigur der Murrhardter Narrenzunft fällt beim Umzug sofort ins Auge: der Nachtkrabb Foto: Gottfried Stoppel

Die Masken von Fasnetsvereinen beziehen sich oft auf eine Sage in der Stadt. Viele fantasiereiche Figuren ziehen bei den Umzügen durch die Straßen. Was steckt dahinter?

Er ist groß, schwarz, rot und hat einen langen Schnabel: Der Nachtkrabb kann gut herhalten als Schreckgestalt. Die Einzelfigur der Murrhardter Narrenzunft fällt beim Faschingsumzug sofort ins Auge – und sie nimmt Bezug darauf, dass der Vogel mit dem nackten roten Kopf und dem schwarzen Gefieder vielen Menschen früher unheimlich vorkam. In manchen Geschichten hat der Nachtkrabb auch die Rolle als Kinderschreck bekommen. „Wenn du nicht ins Bett gehst , holt dich der Nachtkrabb“, soll es früher immer mal wieder geheißen haben. Im echten Leben heißt der Nachtkrabb Schopfibis, ist ein Zugvogel, der vom Aussterben bedroht ist und mit Hilfe des Projekts Waldrapp hier wieder heimisch werden soll (Infos unter: www.waldrapp.de).

Es sind mehrere Einzelmasken, die man bei der Narrenzunft Murreder Henderwäldler bestaunen kann. Das Hexenturmweible ist auch eine Gestalt, die die Blicke auf sich zieht. „Sie ist nicht als Hexe zu verstehen“, sagt die Zunftmeisterin Diana Spreu, sie sei „vielmehr ein Kräuterweible“. Die Figur soll an arme, alte Bäuerinnen erinnern, denen man Heilkräfte nachsagte und die man zur Strafe in den „Hexenturm“, einst ein Wehrturm, einsperrte, beschreibt es die Narrenzunft. Die Einzelmasken wurden aus Holz in einer Werkstatt in Österreich gefertigt.

Zunftmeisterin Diana Spreu mit dem Häs des Wasserfratz, einer Darstellung eines Quellgeistes in Murrhardt. Foto: privat

Feuerbarthl-Masken werden von den Vereinsmitgliedern selber bemalt

Die Gruppenfiguren wie etwa die Feuerbarthl würden als Rohlinge geliefert und von den Mitgliedern der Narrenzunft geschliffen und selber bemalt, sagt Diana Spreu. Es gebe rund 50 Feuerbarthl-Masken. Sie sind ein Teil des Kostüms der Feuerteufel, ganz in in schwarz und rot gehalten, die an den großen Stadtbrand in Murrhardt von 1765 erinnern sollen. Die Zunftmeisterin selbst ist immer wieder als Wasserfratz unterwegs – eine Darstellung eines Quellgeistes in einem blauen Häs, der mächtig Lärm macht und Süßigkeiten dabei hat.

Ein Häs mit einem Pferdekopf, dem ein Salatblatt aus dem Mund hängt, das fällt auch auf jeden Fall auf: Das gibt es in Waiblingen. Die Waiblinger Salathengste beziehen sich auf eine kuriose Geschichte, die sich die Vereinsgründer ausgedacht haben: Danach wurde im Remstal so viel Salat angebaut, dass dieser schließlich an Pferde verfüttert wurde. Die Maskengruppe hat etwa 30 Mitglieder, sagt Jörg Knöllinger, der Präsident der Waiblinger Karneval-Gesellschaft. Die Holzmaske ist aus Lindenholz geschnitzt, die braune Jacke soll den fruchtbaren Ackerboden im Remstal symbolisieren, und die braunen Fellfüße des Kostüms sollen an Kaltblüter erinnern.

Kaltblüter sind robuste Pferderassen, die sich durch großes Körpergewicht und ein ruhiges Temperament auszeichnen und als schwere Zugpferde eine wichtige Rolle spielten. Sie wurden früher zum Arbeiten auf dem Feld eingesetzt und erfahren heute eine Renaissance beispielsweise bei der schonenden Waldarbeit.

Die Einzelfigur, der Neidkopf, nimmt Bezug auf die an den Fachwerkhäusern in Waiblingen angebrachten Symbole. Foto: Martin Stollberg

Neidköpfe sollten dem Volksglauben nach böse, neidische Blicke abwehren

Wer durch die Waiblinger Gassen schlendert, begegnet so manchem grimmigen Blick: Die an den Fassaden der Fachwerkhäuser angebrachten Neidköpfe hatten den Zweck, neidische oder böse Blicke von den Hausbewohnern abzuhalten, so der Volksglaube. Karl Hussinger, der Vorsitzende des Heimatvereins Waiblingen, erforscht seit vielen Jahren die Rolle der Neidköpfe. Die Einzelfigur der 1. Waiblinger Faschingsgesellschaft bezieht sich auf diesen Volksglauben. Dementsprechend fletscht ihre Neidkopf-Figur die Zähne und ist alles andere als lieblich anzuschauen. „Die Maske wiegt viereinhalb Kilo“, sagt der Zunftmeister Benni Stein. Der Neidkopf agiert als Anführer der „Remshexen“.

Die Knollenbäuch und Weingeister sind vom selben Bildhauer kreiert

Als Kartoffel sind die Knollenbäuch aus dem Stuttgarter Stadtteil Münster unterwegs – sie erinnern an die frühere Bedeutung des Kartoffelanbaus auf der Gemarkung. Die ausdrucksstarken Masken waren jüngst beim Fellbacher Jubiläumsumzug zu bestaunen – und haben den gleichen Schöpfer wie die der Fellbacher Weingeister, die an die lange Tradition des Weinbaus in der Stadt am Kappelberg erinnern. Der inzwischen verstorbene Bildhauer Peter Sonder aus Stuttgart-Münster hat sie aus Lindenholz geschaffen.

Auf den Fastnachtumzügen ist eine große Palette an Hexen, Kobolden und anderen Kreationen zu erleben. Viele beziehen sich auf eine regionale Sage, wie etwa die Faschingsgruppe aus Esslingen auf den Postmichel. Die Filderer aus Leinfelden haben ihre Symbolfigur „Kobold vom Silbernen Mehlstaub“ getauft. Entwickelt hat die Maskengruppe ihre Kobolde aus dem Wirken der Müller im Siebenmühlental, das heute ein beliebtes Ausflugsziel ist. Der Maskenschnitzer Frank Kühfuß aus Frickenhausen hat die Koboldlarve aus Lindenholz gefertigt, erzählen der Zunftmeister Mathias Gruner und die Vizezunftmeisterin Sandra Schnödt. In Fellbach waren sie beim Umzug mit von der Partie und kündigten einen runden Geburtstag an: Sie feiern 2026 mit ihrem Verein 60-Jahr-Jubiläum. Auf den Fildern steigt passend dazu das 43. Landesnarrentreffen vom 16. bis 18. Januar 2026.

Faschingstermine

Umzüge
Große Faschingsumzüge mit vielen Masken und Kostümen unterschiedlichster Narrenzünfte und -vereine steigen in Waiblingen am Samstag, 1. März, um 14. 30 Uhr, der Nachtumzug am gleichen Tag in Murrhardt um 19.11 Uhr.