Nach einer Geschwindigkeitskontrolle bei Esslingen sollen zwei Polizisten von einem Autofahrer so schwer verletzt worden sein, dass sie ihren Dienst nicht fortsetzen konnten. Das ist nach Angaben der Polizei kein Einzelfall.
Mit Tritten und Schlägen habe sich ein 43-Jähriger im Krankenhaus gegen die angeordnete Blutentnahme gewehrt. Zwei Polizeibeamte seien dadurch so schwer verletzt worden, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen konnten. Von diesem Vorfall in Esslingen in der Nacht auf den 8. August berichtete vor kurzem das Polizeipräsidium Reutlingen. Anlass der Auseinandersetzung war demnach eine Geschwindigkeitskontrolle an der B 10. Dass der Mann die Beamten dem Bericht zufolge schlug und trat, ist wohl kein Einzelfall. Davon zeugt die polizeieigene Statistik, die eine stete Zunahme der Gewalt gegenüber Einsatzkräften in den vergangenen zehn Jahren im ganzen Gebiet des Präsidiums wie auch im Landkreis Esslingen verzeichnet.
„Seit vielen Jahren haben wir einen Anstieg bei den Fallzahlen der Gewalt gegen Polizeibeamte und auch der Beleidigungen zu verzeichnen“, sagt Andrea Kopp von der Pressestelle des Polizeipräsidiums. Laut Angaben der Behörde, die für die Sicherheit in den Kreisen Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zuständig ist, wurden im vergangenen Jahr im Raum Esslingen 258 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte verzeichnet, 2014 waren es noch 137 gewesen. Präsidiumsweit stieg die Zahl von 280 auf 579. „Auch wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung der Polizei ganz normal und mit Respekt begegnet – das darf man nie vergessen, wenn man über das Thema spricht – kann doch jede Kollegin und jeder Kollege Situationen beschreiben, die auf der Kippe zur Eskalation standen oder im Einzelfall sogar bis hin zu einer konkreten Gefahr oder einem tätlichen Angriff auf ihre Person oder ihre Kollegen eskaliert sind“, sagt Kopp.
Kopp: Unbeteiligte mischen sich in Einsätze ein
Die Pressesprecherin schildert auch ein vergleichsweise neues Phänomen: „Immer häufiger erleben wir auch, dass sich völlig unbeteiligte Personen in Einsätze oder polizeiliche Maßnahmen einmischen und sich mit einem Verdächtigen oder Betroffenen solidarisieren, ohne die Vorgeschichte des polizeilichen Einschreitens zu kennen und bewerten zu können.“ Solche Situationen wirken sich laut Kopp unter anderem auf die erforderliche Anzahl der Einsatzkräfte aus. „Reichten früher wenige Beamte oder eine Streifenwagenbesatzung zur Bereinigung einer Lage aus, so sind es heute bei bestimmten Lagen mehrere Besatzungen.“ Aber auch unterhalb der Schwelle zur Gewalt sei die Polizei Ziel von verbalen Attacken, Provokationen und Beleidigungen. Im Prinzip könne jeder scheinbar noch so harmlose Einsatz eskalieren – wie das Beispiel der Geschwindigkeitskontrolle Anfang August zeige.
Was genau mit Gewalt gegen Polizisten gemeint ist, schlüsselt die Pressestelle für den gesamten Präsidiumsbereich auf. Es habe 2023 einen versuchten Totschlag im Kreis Tübingen gegeben, 40 Vorfälle wurden als Körperverletzung gewertet. Es seien außerdem 62 Bedrohungen, 173 Mal Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und 296 tätliche Angriffe registriert worden.
296 Polizeibeamte seien verletzt worden, davon vier schwer. Die häufigsten Verletzungen seien durch Tritte und Schläge entstanden, ein Beamter sei mit einem Messer angegriffen worden. Begangen wurden die Taten von 498 Verdächtigen, davon 83 Prozent männlich. Etwa ein Drittel der Personen habe einen ausländischen Pass gehabt. Und fast 60 Prozent standen unter dem Einfluss von Alkohol.
Thema Gewalt gegen Polizisten als fester Bestandteil der Ausbildung
Wie reagiert die Polizei darauf? „Natürlich ist das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung“, so Kopp. „Wir dulden keine Form der Aggression oder Gewalt gegenüber unseren Beamtinnen und Beamten. Im Rahmen unserer Möglichkeiten ergreifen wir sämtliche Maßnahmen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.“ Einsätze würden nachbereitet, Erfahrungen flössen wiederum in die Aus- und Fortbildung ein. „Aber eins ist klar: Man kann noch so gut vorbereitet sein und das Risiko minimieren, ein Restrisiko fährt im Streifenwagen immer mit.“ Für Betroffene gebe es ein Netzwerk mit polizeiinternen Hilfsangeboten.