Ein Foto aus dem Sommer vor der Entführung zeigt Lea mit ihrer Mutter Elsa. Foto: Gerd Pfeiffe/r

Mehr als acht Monate sind vergangen, seit Lea von ihrem Vater nach Slowenien entführt wurde. Eine Richterin hat in Slowenien verfügt, dass der Rückführungsbeschluss vollstreckt werden muss. Doch Mutter Elsa musste ohne ihre Tochter wieder abreisen.

Wie kann dieser Fall nur zu einem guten Ende kommen? Seit mehr als acht Monaten kämpft Elsa aus dem Landkreis Ludwigsburg um die Rückkehr ihrer Tochter Lea zu ihr nach Deutschland. Aus Schutzgründen erscheinen beide hier nur mit Vornamen. Am 7. Oktober vorigen Jahres hatte Elsas früherer Partner die damals noch Zehnjährige widerrechtlich mit zu sich nach Slowenien genommen. Die Mutter hat das alleinige Sorgerecht und auch vor Gericht mehrfach recht bekommen – in Ludwigsburg und in Maribor. Sie hatte dort unter anderem ein Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) angestrengt.

Als vor wenigen Wochen eine Richterin den Vollstreckungsbeschluss verfügte, schien es nur noch eine Frage von Tagen, bis Lea wieder nach Deutschland zurückkehrt, wo sie die fünfte Klasse eines Gymnasiums besuchte. Bis zum Sommer 2023 hatte sie mit ihrer Mutter und deren Partner in Bayern gelebt. Am 13. Juni war die Rückführung aus Maribor angesetzt. Elsa war gemeinsam mit ihrer Mutter nach Slowenien gereist, die sich um Leas im Dezember geborenen Halbbruder kümmerte. Doch die Rückführung scheiterte. Die 35-Jährige kritisiert, dass diese „unglaublich schlecht organisiert“ worden sei und alles „nur schlimmer“ gemacht habe. Sie sorgt sich nun, was das Erlebte mit ihrer Tochter macht – und wie ihr Ex-Partner auf das Ganze reagiert.

Der Vater konnte die Tochter einfach von der Schule abholen

Ort der Vollstreckung war Leas Schule in Maribor. Laut Elsa waren zwei Damen vom dortigen Jugendamt, ein Vollstreckungsbeamter, ihre Anwältin, eine Vertrauenslehrerin, sie und ihre Mutter mit dem Baby vor Ort. Sie selbst habe vorher mehrfach gewarnt, dass sie davon ausgehe, dass ihre Tochter sich verweigern könnte. Man müsse behutsam vorgehen, da sie Kenntnis davon habe, dass ihr Ex-Partner sie und ihren neuen Partner vor der Tochter schlecht gemacht habe.

Niemand habe sie ernst genommen. Die Elfjährige sei aus dem Unterricht geholt worden und sollte ihr ausgerechnet auf dem Flur übergeben werden. Es misslang. Lea wollte tatsächlich nicht mitkommen. Die Klassenlehrerin sei hinzugekommen und habe darauf bestanden, dass sich Lea von der Klasse verabschiedet. Dazu hätte der Beamte es niemals kommen lassen dürfen, so die Mutter. In der Klasse hätten Schüler geweint und sich schützend um ihre Tochter gestellt. Da habe der Beamte die Vollstreckung abgebrochen. Leas Vater habe sie nach der Schule ganz normal abholen können.

Die Tochter soll nun „total verängstigt“ sein

Elsa kritisiert, dass für die Übergabe kein neutraler Ort gewählt wurde und ihre Tochter nicht schonend informiert worden sei. Sie fürchtet, dass diese nun zusätzlich psychischen Schaden genommen hat. Auch für sie selbst ist das Erlebte schwer erträglich. Sie schläft noch schlechter als zuvor schon. Lea sei wie ein anderer Mensch gewesen. Sie hätten eine sehr enge Bindung gehabt, nun sei diese ablehnend. Es sei einfach viel zu viel Zeit vergangen, wegen der quälend langen Verfahren. Von einer Angehörigen ihres Ex-Partners weiß sie, dass Lea „total verängstigt ist“, was sie belastet. Elsa sorgt sich nun vor allem, dass die Lage eskalieren könnte. Sie war bereits bei der Polizei im slowenischen Maribor, um auf die „aussichtslose Lage“ des Vaters hinzuweisen. Der habe durchweg verloren vor Gericht und wisse nun über den Vollstreckungsbeschluss Bescheid. Ihm droht ein Strafverfahren. In Deutschland könnte man für eine Kindesentziehung ins Ausland zu bis zu fünf Jahren Haft verurteilt werden.

Wie reagiert der Vater auf die Situation?

„Man muss mit allem rechnen, er hat nichts mehr zu verlieren“, meint sie. In Slowenien sind nun Schulferien. „Wenn er jetzt mit ihr untertaucht, würde niemand etwas merken“, sagt sie verzweifelt. Wie geht es Lea? Was hat David K. nun vor? Er äußert sich unserer Zeitung gegenüber dazu nicht, geht nicht an sein Telefon, reagiert nicht auf SMS. Auch seine Anwältin antwortet nicht auf eine schriftliche Anfrage, wie sie die Situation sieht und ob sie in Kontakt zu ihrem Mandanten steht.

Unklar ist derzeit auch, wie die mit dem Fall befasste Richterin auf das Scheitern der Rückführung reagiert. Das Bundesamt für Justiz weist darauf hin, dass ein Gericht die Kindesrückführung ausnahmsweise auch ablehnen könne, wenn das „einsichtsfähige Kind“ sich der Rückkehr ernsthaft widersetze. Das Vollstreckungsverfahren richte sich „nach nationalen Regeln“, so eine Sprecherin des Bundesamts.

Knapp 440 Kindesentführungsverfahren in 2023

Zahlen
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) besteht seit 1980. Mehr als 100 Länder haben es unterzeichnet, darunter auch Slowenien. Allein 2023 wurden darüber laut aktuellen Zahlen des in Bonn ansässigen Bundesamts für Justiz (BfJ) 437 neue Verfahren zur Rückführung eines Kindes angestrengt: bei 236 mit dem Ziel, dass das Kind zurück nach Deutschland kommt. Das BfJ unterstützt nach eigenen Angaben Betroffene, indem es bei der Antragstellung und im weiteren Verlauf beratend und kommunikativ unterstützt. „Auf das gerichtliche Verfahren kann das BfJ jedoch keinen Einfluss nehmen“, so eine Sprecherin auf Anfrage.

Kampagne
Der Rechtsweg bei solchen Verfahren wegen Kindesentziehung ist „langwierig und teuer“, wie das Ausländische Amt schreibt. Leas Mutter hat sich verschuldet wegen der Rechtsanwaltskosten. Im Internet läuft deshalb eine Spendenkampagne: https://www.gofundme.com/f/lea-zurueckholen.