Die britische Innenministerin Priti Patel bleibt hart: EU-Einwanderer sollen ab 2021 die gleichen Rechte wie die aus der restlichen Welt haben. Foto: AFP/Tolga Akmen

Nicht nur in der Krise durch den Coronavirus werden Pfleger und andere Fachkräfte vom Kontinent dringend in Großbritannien gebraucht. Doch die Regierung will Ende des Jahres die Grenzen schließen.

London - Unbeirrt von der grassierenden Pandemie sucht die britische Regierung ihren Brexit-Zeitplan einzuhalten und alle Personen-Freizügigkeit zwischen dem Kontinent und dem Vereinigten Königreich zum 31. Dezember dieses Jahres zu beenden. Nach seiner zweiten Lesung im Unterhaus liegt das neue Einwanderungsgesetz nun dem Oberhaus vor. Der Plan zur Beendigung der Freizügigkeit hatte schon bei seiner ersten Vorlage im Februar bitteren Streit ausgelöst in vielen Teilen des Landes.

Die britische Tourismus-Industrie, das Nahrungsmittel-Gewerbe, viele Bauern- und Fischereiverbände und der Pflegesektor hatten Alarm geschlagen, weil sie ein Übersiedlungsverbot für europäische Arbeitskräfte als „das reinste Desaster“ empfanden. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte sogar das Recht gefordert, eigene schottische Arbeitsvisen ausstellen zu dürfen, um EU-Bürger weiter nach Schottland kommen zu lassen.

Selbst konservative Politiker warnen vor radikaler Lösung

Nun, mitten in der Coronavirus-Krise, raten auch prominente konservative Politiker zu einem eher graduellen Übergang statt dem „Hochziehen der Zugbrücken“. Die oppositionelle Labour Party hält es für „schockierend“, dass Boris Johnsons Regierung einem Großteil des Schlüsselpersonals beim Kampf gegen das Virus künftig den Zuzug vom Kontinent nach Großbritannien verwehren will und Europäer, die dringend gebraucht würden, „für unwillkommen erklärt“.

Zum einen applaudierten auch Tory-Minister jeden Donnerstagabend den „key workers“ im Königreich – Ärzten, Pflegern, Betreuern, Reinigungspersonal, Verkäufern in Lebensmittelgeschäften, Auslieferungsfahrern – zum Dank für ihre „heroischen“ Bemühungen, monierte bei der zweiten Lesung des Gesetzes diese Woche Labours Schatten-Innenminister Nick Thomas-Symonds. Das neue Gesetz aber stufe diese „Helden“ nun wegen ihrer meist schlechten Bezahlung schlicht als „unqualifizierte“ Arbeiter ein.

Nur wer 25 600 Pfund verdient, erhält ein Visum

Die konservative Innenministerin Priti Patel hält jedoch daran fest, dass man der Bevölkerung versprochen habe, sich erneut die „volle Kontrolle über die eigenen Grenzen“ zu verschaffen. EU-Bürger sollen darum vom 1. Januar 2021 an dem Rest der Welt gleichgestellt sein. Für die Bewilligung von Arbeitsvisen soll ebenfalls noch in diesem Jahr ein Punktesystem eingeführt werden, dass generell ein Mindest-Jahreseinkommen von 25 600 Pfund zur Bedingung machen soll. Oder von wenigstens 20 500 Pfund, wenn dringender Bedarf an bestimmten Berufen besteht. Nicht einmal das entspräche freilich der geringen Entlohnung in vielen Pflegeheimen, die sich bisher oft mit „billigen“ EU-Migranten behalfen.

Allein das Nationale Gesundheitswesen (NHS) soll Antragsteller aus aller Welt per Ausnahmeregelung einstellen dürfen. Auch diese sollen aber nur noch zeitlich begrenzte Visen erhalten. Durch die Corona-Katastrophe, glauben Brexiteers wie Patel, dürfte der Pool britischer Arbeitsloser, die sich für solche Jobs bewerben würden, bald schon wesentlich größer sein. Für absurd halten es Regierungskritiker, dass EU-Migranten künftig, wie Zuwanderer aus aller Welt, eine Extra-Jahresgebühr von über 600 Pfund bezahlen sollen, wenn sie den NHS in Anspruch nehmen – auch wenn sie selbst Mitarbeiter des Gesundheitswesens sind.