Von „Notes of Blindness“ bis zur Telemedizin: Eine Fachtagung im Waiblinger Kreismedienzentrum beschäftigt sich mit den Barrieren zu digitalen Anwendungen – und wie man sie beseitigt.
Man sieht Bewegungen nur als vage Lichtreflexe, es dominiert die Wahrnehmung von Geräuschen unterschiedlicher Art. Andreas Feuerecker hat bereits zwei Jahre lang bei der Nikolauspflege, einer Einrichtung, die sich vornehmlich um Menschen mit Sehbehinderung kümmert, gearbeitet. Dennoch ist er durchaus beeindruckt von der virtuellen Lebenswelt, die ihm auf eine besondere Brille gespiegelt wird.
Digital und barrierefrei durch den Rems-Murr-Kreis
Diese „Notes on Blindness“, die als digitale Anwendung auf Grundlage eines Audiotagebuches des Anfang der 1980er Jahre erblindeten Autoren John Hull entstanden sind, waren nur eine von mehreren Stationen, die am Mittwoch bei einem Aktionstag zum Thema „digital und barrierefrei durch den Rems-Murr-Kreis“ im Kreismedienzentrum einem Fachpublikum vorgestellt und durch Vorträge ergänzt wurden. Die Teilnehmer: Vertreter von Behinderteneinrichtungen wie etwa Andreas Feuerecker von der Diakonie Stetten, Senioren- und Kreisräte, Behörden- und Interessensvertreter sowie anderweitig Interessierte. Das Ziel, wie es Thomas Heine vom Landeskompetenzzentrum Pflege und Digitalisierung formuliert: „Barrieren abbauen, die Akteure zusammenführen und Dinge erlebbar machen.“
Denn außer dem baulichen Bereich wollen die Verantwortlichen nach eigenem Bekunden mehr und mehr auch die digitale Welt in den Fokus nehmen und auf eine barrierefreie Gestaltung drängen. Das beginne bereits mit dem Bewusstsein, dass es diese Barrieren überhaupt gibt, sagt etwa Amanda Breckner vom Landesministerium für Soziales, Gesundheit und Integration. Jedem Menschen solle unabhängig von körperlichen oder geistigen Voraussetzungen ein Zugang in die immer mehr Raum einnehmende digitale Welt ermöglicht werden.
Projekt mit der Hochschule der Medien Stuttgart
Julian Schulte ist das für die Mitarbeiter und Klienten der Diakonie Kork, einer Einrichtung für Menschen mit Handicap bei Kehl am Rhein, in einem gemeinsamen Projekt mit der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) schon vor einiger Zeit angegangen. In dessen Rahmen werden Schulungen für Beschäftigte und Mitarbeitende im Umgang mit iPads angeboten, dazu wurden unter anderem auch Erklärvideos in einfacher Sprache erstellt.
In Sachen rechtlich verbindlicher Voraussetzungen für eine auch digitale Inklusion habe sich durchaus viel getan, sagt Tobias Ableitner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Digitale Barrierefreiheit der Hochschule der Medien. Im nächsten Jahr etwa werde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft treten, mit dem Unternehmen verpflichtet würden, allen Menschen einen niederschwelligen Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Auch technisch sei vieles möglich. Nun gelte es insbesondere, die Beteiligten für die Thematik zu sensibilisieren und bestehende Lösungen vorzustellen.
Telemedizin im Digital-Health-Truck
Das hat die Fachtagung im Kreismedienzentrum getan. Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmer Gelegenheit, verschiedene assistive Systeme, etwa bewegungs- oder sprachgesteuerte Bedienungselemente, kennenzulernen und verschiedene Handicaps simuliert selbst wahrzunehmen. In einem mobilen Schauraum, dem vom Gesundheitsministerium finanzierten Digital-Health-Truck, wurden digitale Möglichkeiten im Gesundheitswesen aufgezeigt – vom Selbstuntersuchungsset über das Mini-EKG bis hin zu mobilen Telemedizinanwendungen. Auch Erklärfilme zu aktuellen Themen wie elektronische Patientenakte oder E-Rezept ließen sich abrufen.
Die Digitalisierung werde sicherlich nicht die Welt retten, lautet Thomas Heines Fazit zu aktuellen und künftigen Entwicklungen. Aber einige Werkzeuge, an der richtigen Stelle eingesetzt, könnten hilfreich sein. Wichtig sei deshalb, dass diese möglichst vielen zugänglich gemacht würden.