Viel zu schimpfen, viel zu loben – bei der EZ-Sommerredaktion vor der Halle in Nellingen prallten die Meinungen aufeinander. Foto: Tom Weller - Tom Weller

Kein Thema bewegt die Nellinger mehr als der Umbau der Hindenburgstraße. Bewohner der Seitenstraßen ärgern sich über die deutliche Zunahme des Verkehrs.

OstfildernIn Nellingen gibt es seit Wochen nur ein Thema: die Großbaustelle in der Hindenburgstraße und ihre Folgen für Anwohner, Einzelhändler und Kunden. Nichts bewegt die Gemüter mehr als der Umbau der Einkaufsmeile. Viele winken nur frustriert ab: „Ein einziges Chaos.“ Andere verbinden große Hoffnungen mit dem auf 15 Monate angesetzten Umbau. Zwischen diesen beiden Polen bewegten sich die Aussagen der Leserinnen und Leser, die die EZ-Sommerredaktion vor dem Zentrum An der Halle besuchten.

Walther Scheel, 68, aus der Riegelstraße macht sich Sorgen um die örtliche Geschäftswelt: „Viele beklagen jetzt schon exorbitante Umsatzeinbußen.“ Der Stadtverwaltung wirft der Nellinger vor, sich viel zu viel Zeit zu lassen. Acht Jahre habe man vor die Vorbereitung des Projekts gebraucht. Und jetzt ziehe sich die Baustelle „zäh wie ein Kaugummi“ hin. Täglich beobachtet er chaotische Verkehrssituationen: Nebenstraßen, die durch eingekeilte Fahrzeuge plötzlich dicht sind (Foto).

Kurt Aichele, 84, aus Nellingen: Die Planer haben da ein Traumszenario gezeichnet: eine beruhigte Fußgängerzone. Das kann und wird auch nicht funktionieren. Denn der Verkehr wird ja durch den Umbau nicht weniger. Irgendwo müssen die Fahrzeuge hin. Eine wirkliche Lösung sehe ich nur in einer Nordumfahrung über die Nellinger Linde. Nur damit bekämen wir eine wirklich tolle Hindenburgstraße mit viel Aufenthaltsqualität.

Irene Baum, 62, Leiterin der VHS Ostfildern: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Kreisverkehr helfen kann, den Verkehr flüssiger zu machen. Außerdem erhoffe ich mir durch die neue Einkaufsstraße, dass die ansässigen Geschäfte wieder attraktiver werden – und dass Gewerbetreibende sich trauen, sich hier anzusiedeln. Leerstände sind auch in Nellingen ein Problem. Beeindruckt bin ich außerdem ich vom Tempo der Bauarbeiten.

Erich Class, 74, aus der Ernst-Kirchner-Straße: Mit etwas mehr gegenseitiger Rücksicht und Geduld käme man an vielen Stellen weiter. Jeder Autofahrer pocht auf sein Recht. Bevor man als Anlieger schimpft, sollte man sich selbst an der eigene Nase fassen und auch mal das Auto stehen lassen. Denn vieles lässt sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen.

Walter Bauer, 67, aus der Achalmstraße: Ich bin mit dem wachsenden Verkehr hier aufgewachsen. Immer mehr. Keiner sollte glauben, dass man durch den Umbau den Verkehr verringern könnte. Was ich von der Umgestaltung halte? Es wird teurer, es wird anders, aber es wird nicht besser. Wer soll sich bei diesem Verkehr gemütlich in der Hindenburgstraße hinsetzen?

Werner Blessing, 75, aus Nellingen: Schimpfen bringt in meinen Augen gar nichts. Damit etwas Neues, Tolles entstehen kann – so wie jetzt die Umgestaltung der Hindenburgstraße – sollte jedem bewusst sein, dass das zunächst Einschränkungen mit sich bringt. Ich freue mich darauf, denn wenn die Straße fertig ist, werden dort auch schöne Wohnlandschaften entstehen. Nicht zu vernachlässigen ist übrigens auch, was die Stadt dafür organisiert hat, zum Beispiel Bürgerforen.

Dorothea Hönisch, 70, aus Scharnhausen: Ich finde es gut, dass die Hindenburgstraße endlich umgestaltet wird. Diese Ampelanlagen sind in meinen Augen doch sehr altmodisch, auch die Fußgänger müssen lange warten und sind dem Gestank und den Abgasen ausgesetzt. Mit dem Kreisverkehr und dem Zebrastreifen wird der Verkehr bestimmt besser laufen.

Karin Eberhard aus Nellingen: Ich bin stark sehbehindert und freue mich deshalb auf die breiteren Fußwege in der Hindenburgstraße. Ein Lob geht an die vielen hilfsbereiten Menschen in Nellingen. Man könnte die Tiefgarage günstiger machen, so würden sie mehr Autofahrer nutzen, um in der neu gestalteten Straße einkaufen zu gehen. Alle Veränderungen haben anfangs mit Widerständen zu kämpfen, danach will sie aber keiner mehr missen. Das war bei dem Bau der Stadtbahn so und wird bestimmt auch bei der Umgestaltung der Hindenburgstraße passieren.

Michael Schatz, 61, Angestellter aus Nellingen: Die neue Hindenburgstraße finde ich gut: Aktuell ist es so, dass sich der Mensch der Straße anpassen muss, dabei sollte es doch umgekehrt sein. Denn: Was ist wichtiger, der Mensch oder das Auto? Uns Menschen sollte man mehr öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Das Auto sollte in meinen Augen künftig aus dem Zentrum verschwinden.

Jessica Weibel, 39, Stadtplanerin aus Nellingen: Ich bin hauptsächlich zu Fuß unterwegs und kann mich deshalb gar nicht über die Baustelle aufregen. Den Kreisverkehr sehe ich als große Chance. Die Bauarbeiten wurden lange vorher angekündigt, deshalb passiert eigentlich nichts Überraschendes. Trotzdem ist für viele Autofahrer die Situation doch anders, wenn man tatsächlich betroffen ist.

Jürgen Eckstein, 78, aus Nellingen: Durch den Umbau wurde nahezu der gesamte Autoverkehr in die Ludwig-Jahn-Straße verlegt – eine große Zumutung für alle Menschen, die dort wohnen. Zwischen 6.30 und 10 Uhr ist es manchmal grausam, da rasen zum Teil 40-Tonner mit lautem Krach durch die jetzt schon maroden Straßen – von der CO2- und Feinstaub-Belastung mal ganz abgesehen. Ein Ende der Belastung dieser Straße sind nach den Baumaßnahmen nicht zu erwarten, da Autos durch die Hindenburgstraße mit Tempo 20 fahren müssen, es sich am Kreisverkehr stauen wird und die Autofahrer wohl weiterhin den gewohnten Umweg fahren werden.

Martin Kotzian aus Nellingen: Die Baustelle stört mich nicht, es gibt Einschränkungen, aber das ist für mich zweitrangig. Mich stören die Nebeneffekte, denn viele nutzen nun die Nebenstraßen und halten sich nicht an die Tempolimits. Mich ärgern die vielen Gastparker. Sie nehmen den Anwohnern die Parkplätze weg, manche belegen Behindertenparkplätze oder erschweren den Verkehrsfluss, weil sie beim Einparken teils auf der Straße stehen.

Johannes, 38, und Julika Kern, 35, aus Nellingen: Wir wohnen in der Ludwig-Jahn-Straße und haben uns dort ein Haus gekauft – extra in der 30er-Zone, die eigentlich verkehrsberuhigt sein soll. Jetzt haben wir die Befürchtung, dass auch nach der Baustelle weiterhin Autos und Lkw über diese Umleitung fahren. Das wäre vor allem für Kinder gefährlich. Mittlerweile überholen Autos an jeder Stelle – es gibt keine Verkehrspause. Es ist ein großes Problem, dass aktuell keine alternative Umgehungsstraße geplant ist.

Otto Mezger, 90, aus der Hindenburgstraße: Die Planung mit einer aufhellenden Atmosphäre hat bei der Bevölkerung sofort Begeisterung ausgelöst. Aber der jetzt geplante Verkehrsteiler in der oberen Hindenburgstraße hat die ganze befreiende Straßenführung wie ein Dolchstoß zerstört. Eine völlig unnötige Investition. Viel wichtiger ist, das scharfe Rechtsabbieger-Eck zur Esslinger Straße mit einem viel größeren Innenradius zu entschärfen.

Rainer Arnold, 56, Betriebsschlosser aus der Schwabstraße: Man hätte in der Ludwig-Jahn-Straße Parkverbote verhängen müssen, dann hätten wir viel weniger Stau. Richtig gefährlich ist der Zebrastreifen vor der End-Haltestelle. Da ist man als Fußgänger Freiwild. Wirkliche Entlastung würden wir in Nellingen nur mit einer Nordumfahrung über die Nellinger Linde bekommen.

Brigitte Broschke, 82, aus der Ludwig-Jahn-Straße: Vom Umbau der Hindenburgstraße halte ich nicht viel. Ich trauere den gefällten Platanen nach. Das Einkaufsangebot hat sich leider in den vergangenen Jahren verschlechtert. Ich bin skeptisch, ob sich das wieder bessert. Durch die Umleitungen haben wir jetzt viel mehr Verkehr vor der Haustür. Schlimm sind vor allem die Lastwagen. Sie glauben gar nicht, wie das scheppert.