Brigitte Fallscheer läuft und läuft und läuft. Auch in einem durchaus reifen Alter, und am liebsten beim Eßlinger Zeitung Lauf.
Die Sache mit dem Kuchen ist ihr wichtig, doch dieses Mal wird es knifflig. Mit der Schließung der Schelztorhalle gibt es beim Eßlinger Zeitung Lauf am 7. Juli keine Kühlmöglichkeit, also kommt eine Käse-Sahne-Torte nicht in Frage. Mit einer solchen hat Brigitte Fallscheer schon mal das Helferteam der TSG Esslingen belohnt, seit Jahren bringt sie vor dem Start einen Kuchen vorbei. Aber das Dankeschön wird es auch dieses Mal geben, Brigitte Fallscheer denkt an einen Zitronen- und einen Hefe-Apfel-Kuchen. Backen tut sie für ihr Leben gern, am liebsten, um anderen eine Freude zu bereiten. Und eine weitere Leidenschaft prägt ihr Leben: das Laufen.
Seit etlichen Jahren wird Brigitte Fallscheer beim EZ-Lauf als älteste Teilnehmerin geehrt. Das wird wohl auch jetzt wieder so sein. Dann im Alter von 83 Jahren. „Der EZ-Lauf ist mein Ein und Alles“, sagt sie. Allerdings ist sie in Laufschuhen längst nicht nur zum Schwörfest in Esslingens Altstadtgassen unterwegs. Auch beim Schurwaldlauf auf dem Jägerhaus, beim Liwa-Laufevent in Lichtenwald oder dem Kirbelauf in Nellingen mischt sie mit. „Da habe ich mich im vergangenen Jahr verlaufen, bin aber wieder zurück und ins Ziel gelaufen – mit toller Unterstützung der Zuschauer“, nimmt sie ihren Fauxpas gelassen. Doch zeugt dieser auch von ihrem Ehrgeiz. Denn mit einer Distanz unter zehn Kilometern will sich die Seniorin nicht zufrieden geben. Darauf richtet Brigitte Fallscheer auch ihr Training aus, das sie mehrmals die Woche über den Schurwald und auch runter in die Täler führt.
Brigitte Fallscheer wird in Kriegszeiten in Guben in der Niederlausitz geboren. Es ist eine bewegte Kindheit, sprichwörtlich, denn es folgen mehrere Umzüge. Schließlich geht es ins Schwäbische, zunächst nach Backnang, dann nach Köngen. Die drei Töchter halten Brigitte Fallscheer auf Trab. Beruflich findet sie eine Heimat bei der Stadt Esslingen, zunächst als Erzieherin, dann in der Verwaltung. Vor mehr als 30 Jahren zieht sie auf den Schurwald.
Das Haus und der Garten mit Fischteich in Baltmannsweiler sind ihr Refugium. Das macht aber auch Arbeit, es gibt immer etwas zu tun. Und so bleibe nicht viel Zeit für anderes, sagt Brigitte Fallscheer. Doch für den Sport schafft sie sich Freiräume, schon immer. In der Jugend war die viele Bewegung ganz natürlich in den Alltag integriert. Beim TSV Köngen fängt Brigitte Fallscheer mit 30 noch das Handballspielen an, steigt in die Leichtathletik ein. Anfangs macht sie Weitsprung und Kugelstoßen, läuft die Mittelstrecke. Dann werden die Distanzen länger, sie läuft auch Halbmarathon. Mit der Langstrecken-Mannschaft der Turnerschaft Esslingen ist sie viel und durchaus erfolgreich unterwegs. „Jeden zweiten Tag bin ich zehn Kilometer gelaufen“, sagt Brigitte Fallscheer. Bis heute ist das ihre Trainingsdistanz, derzeit ist sie in der Regel von Baltmannsweiler zum Jägerhaus und wieder zurück unterwegs. „Laufen ist mein Leben, ohne Sport komme ich nicht aus“, macht sie klar.
Das Sportabzeichen legt sie in den 90er-Jahren in Gold ab – mehrfach. Und sie läuft schon beim ersten Esslinger Citylauf mit, bis heute hat Brigitte Fallscheer keinen verpasst. Sie stellt sich auch der Herausforderung des digitalen Anmeldeprozesses, hin und wieder mit Problemen, doch mit etwas Hilfe gelingt auch das. Und auf der Strecke fühlt sie sich auch als Seniorin zuhause, ihre jeweilige Altersklasse gewinnt sie seit langem – allerdings laufen in der jetzigen nicht mehr allzu viele Konkurrentinnen mit. 2022 ließ sich die damals 81-Jährige auch nicht von einem Sturz und blutender Wunde am Knie aufhalten: „Ich pass auf, dass ich nicht falle. Und wenn, muss ich eben aufstehen und weiterlaufen.“
Das anstrengende Kopfsteinpflaster? „Interessiert mich nicht“, sagt Brigitte Fallscheer. Sie läuft einfach, in ihrem eigenen Tempo und immer weiter. Einmal sogar fünf statt der vier Runden. In dem Jahr hatte sie auf Zählhilfen verzichtet – sonst hatte sie stets vier Stöckchen in der Hand und warf Runde für Runde eines weg. Doch auch die fünfte Runde lief sie zu Ende, ihr Enkel sprang der kämpferischen Oma zur Seite, stieg mit ein und zog sie ins Ziel.
Das hat Brigitte Fallscheer auch dieses Mal wieder vor Augen, jüngst hat sie sich erst neue Laufschuhe gekauft. Den EZ-Lauf lässt sie sich nicht nehmen, auch im Alter von 83 Jahren nicht. Und einen Kuchen wird sie auch wieder vorbeibringen.