Die Wangener Moschee der Islamischen Gemeinschaft ist wegen einer Veranstaltung an diesem Wochenende ins Visier der Verfassungsschützer geraten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

An diesem Wochenende machen bundesweit bekannte Muslimbrüder halt bei der Islamischen Gemeinschaft in der Kesselstraße. Kein Zufall, sagen Experten. Die Gemeinde betont, sie wisse von dem Zusammenhang nichts.

StuttgartSeit Wochen wirbt die Islamische Gemeinschaft in Wangen auf ihrer Facebook-Seite für das Seminar in ihrer Moschee in der Kesselstraße 27 an diesem Samstag und Sonntag: „Sira-Schulung: Eine intensive Schulung zur Biografie des Propheten Mohammed.“ Und die drei Referenten haben es in sich. Sie werden nämlich dem Netzwerk der extremistischen Muslimbruderschaft (MB) zugerechnet. Taha Amer ist Vorsitzender des Rats der Imame und Gelehrten (RIGD). Der Rat wird seit Jahren vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet. Außerdem sprechen Taha Ali Zeidan und Ali Khaled, ebenfalls aus dem MB-Geflecht.

„Diese Schulungen sind in den vergangenen Jahren ein beliebtes Mittel, mit dem die Muslimbrüder an Moscheegemeinden herantreten“, sagt die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall. Auch der Staatsschutz der Polizei und Baden-Württembergs Verfassungsschutz (LfV) haben die Aktivitäten auf dem Radarschirm: „Dass diese Veranstaltung durch die Islamische Gemeinschaft Stuttgart e. V. als Gastgeber getragen wird, zeigt aus Sicht des LfV, dass innerhalb des organisierten Islam die Verbindungen mit und zu der Muslimbruderschaft weitergehend sind, als eine oberflächliche Betrachtung vermuten lassen würde“, sagt ein LfV-Sprecher.

Für die Experten kommt der Besuch der Muslimbrüder in der Stuttgarter Moschee also nicht überraschend. Noch vor viereinhalb Jahren aber, als der Moscheeverein, dem mehrheitlich Bosnier, aber auch Albaner, Türken und Araber angehören, das erste Minarett in der Landeshauptstadt baute, galt er als liberales Aushängeschild. „Für uns Muslime bedeutet das Minarett das geistige Zurechtfinden im Raum“, sagte der Imam Hamsa Subasic damals. „Es verpflichtet uns Muslime aber auch, die Werte des Westens zu schätzen.“ Subasic allerdings nahm 2018 an einer Vollversammlung der Internationalen Union der muslimischen Gelehrten (International Union of Muslim Scholars, IUMS) teil. Auf der bosnischsprachigen Facebook-Seite des Vereins postete Subasic stolz Fotos mit dem Gelehrten Ali al-Qaradghi, der dem Europäischen Fatwa-Rat (European Council for Fatwa and Research, ECFR) angehört. Laut Verfassungsschutz eine Organisation der Muslimbrüder. Oder auch vom greisen MB-Vordenker Yusuf al-Qaradawi.

„Liberal ist das alles nicht, eher schon wird eine Doppelstrategie verfolgt“, meint Herrmann-Marschall. Sie sieht die bald 30 Jahre alte Islamische Gemeinschaft durch geschickte Dialogarbeit bestens vernetzt. So ist der frühere Vorsitzende Ferid Kugic auch zweiter Vorsitzender der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), zu der auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Gemeinschaft Milli Görüs gehört. „Spätestens jetzt, wo Akteure aus dem Geflecht der Muslimbruderschaft offen eingeladen werden, muss die Stadtgesellschaft besser hinsehen“, mahnt die Expertin.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, zeigt sich der Gemeindevorsitzende Semsudin Ljubijankic überrascht. „Das ist keine Veranstaltung unserer Gemeinde. Wir stellen nur die Räume zur Verfügung“, sagt er. Die Aussage, die Schulung komme aus dem Umkreis der Muslimbrüder, höre man zum ersten Mal. „Wir wollen nichts falsch machen. Wir schauen schon, wer zu uns kommt“, so Ljubijankic. Er habe sich extra noch beim Staatsschutz rückversichert. Bei der IGBW heißt es, man wisse nichts von der Schulung. Auch bei der Stadt Stuttgart wundert man sich. „Die Islamische Gemeinschaft der Bosnier in Wangen galt bisher als unproblematisch“, sagt der Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic. Man habe einen regelmäßigen Austausch mit aktiven Mitgliedern und mit weiteren bosnischen Muslimen aus dem Umfeld der Moschee, die sich integrationspolitisch engagieren. Von der Veranstaltung selbst wisse man nichts.