Die Kegelchen-Schnecke war eine von rund 15 verschiedenen Arten, die die Jugendlichen im Maubachtal entdeckten. Foto: Eva Herschmann

Bei einer Exkursion ins Maubachtal gehen junge Artenschützer auf die Suche nach Schnecken. Die Biologin Anette Rosenbauer aus Backnang steckt mit ihrer Begeisterung nicht nur die Mädchen und Jungen an.

Die Kegelchen-Schnecke hat es sich auf dem Finger von Christine Lorenz-Gräser, der Geschäftsführerin des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg, bequem gemacht. Eine große Weinbergschnecke hat sich mit leisem Schmatzen über die mitgebrachte Milch-Mehl-Mischung hergemacht. „Das ist ein Schnecken-Lockstoff“, sagte die Biologin Anette Rosenbauer aus Backnang, die die Exkursion ins Schneckenparadies im Maubachtal geleitet hat.

Schnecken sind keineswegs langweilig

Schnecken sind vielleicht langsam, aber keineswegs langweilig. Und Anette Rosenbauer ist genau die Richtige, wenn es darum geht, aus Schnecken Stars zu machen. Denn für sie sind die Weichtiere weder schleimig noch gefräßig, sondern „hübsch und interessant“. Doch viele Menschen nehmen Schnecken oft nur als Störenfriede und Salaträuber im eigenen Garten wahr. Dabei haben sie eine wichtige Funktion im ökologischen Gefüge, so die Fachfrau.

Das vom Umweltministerium geförderte Projekt „Youth in Nature“ bietet Jugendlichen die Chance, die Natur zusammen mit Fachleuten zu erkunden. Ziel ist es, die Artenkenner und Artenkennerinnen von morgen zu finden und zu fördern. Denn die sind mittlerweile so rar geworden, wie viele Tiere und Pflanzen, die hierzulande vom Aussterben bedroht sind. Und weil „man nur schützt, was man kennt“, so Anette Rosenbauer, hat sie sich am Samstag – organisiert vom Landesnaturschutzverband – mit Jugendlichen auf die „Spuren von Schneck und Co.“ begeben.

Für die Schnecken sind die Jugendlichen am Samstagmorgen sogar freiwillig früh aufgestanden. Fünf Stunden lang tauchten mehr als ein Dutzend Mädchen und Jungen zwischen zwölf und 17 Jahren in die wunderbare Welt der Weichtiere ein, krochen über den Waldboden und suchten jeden Millimeter mit ihren Augen ab – und waren danach von den Kriechern mit und ohne Häuschen beeindruckt. Ralf Nentwich, der Landtagsabgeordnete der Grünen, der den Ausflug begleitete, ließ sich von der Begeisterung für Schnecken anstecken. Er sei früher auch lieber in die Naturschutzjugend als in den Sportverein gegangen, verriet der Politiker. „Ich war Hobby-Ornithologe.“

250 Landschnecken und 150 Süßwasserschnecken leben in Europa. Das sei eine überschaubare Zahl, sagte Anette Rosenbauer. „Im Gegensatz zu Käfern, von denen es rund 3000 Arten gibt.“ Noch gebe es in Baden-Württemberg um die 240 Schneckenarten an Land und im Wasser, doch fast die Hälfte von ihnen sei durch menschliche Einflüsse in irgendeiner Weise gefährdet.

Das Maubachtal ist ein kleines Schneckenparadies

Das Maubachtal ist indes noch ein kleines Schneckenparadies. 67 Arten von Kriechtieren hat Anette Rosenbauer bei ihren Ausflügen hier schon entdeckt. Das liege daran, dass hier Kalkstein vorkomme, den die Schnecken für den Bau ihrer Häuschen benötigten, erklärte die Fachfrau. „Wenn sie jung sind, sind die Häuschen noch ganz klein und wachsen mit. Und sie sind ihr ganzes Leben lang mit ihnen verwachsen. Wenn ihr ein leeres Gehäuse findet, ist die Schnecke nicht ausgezogen, sondern tot.“

Die Jugendlichen erfuhren, dass sich die meisten Schnecken nach ihren Häuschen bestimmen lassen, nach der Größe, dem Verhältnis von Höhe und Breite und danach, ob sie links- oder rechtsgewunden sind. Ausgestattet mit kleinen Plastikeimern für die größeren Exemplare und Filmdöschen für die Kleinsten ihrer Art, begab sich der Nachwuchs dann eigenständig auf die Suche nach allerlei Schneckengetier – und fand noch manches andere, darunter Müll, aber auch einen springlebendigen Waldfrosch.

Chris hatte eine Balea biplicata eingesammelt, eine Gewöhnliche Schließmundschnecke mit länglichem Häuschen, Melanie eine Weitmündige Glanzschnecke und Mika eine junge schwarze Wegschnecke, die ohne Häuschen unterwegs ist, aber im Gegensatz zur Spanischen Wegschnecke keine invasive, sondern eine einheimische Art ist. Immer mehr Kriechtiere bevölkerten die Eimerchen und Filmdöschen, und der eine oder andere Schneck versuchte auch langsam – und meistens erfolglos – zu entkommen. Doch bevor die Kriecher wieder in die Freiheit entlassen wurden, wollten die Nachwuchs-Schneckenforscher wissen, was sie denn im Maubachtal so alles gefangen hatten.

Von den Anette Rosenbauer bereits bekannten 67 Arten in dieser Gegend haben die Jugendlichen am Samstag immerhin an die 15 gefunden, darunter eine, die zu den eher seltener gesichteten Schnecken zählt, eine Steinpicker. „Die findet man tatsächlich nicht so häufig“, sagte die Biologin. Und während die Mädchen und Jungen alle lebenden Exemplare wieder im Wald aussetzten, durften sie die leeren Gehäuse sammeln und in einem Plastiksteckkasten mit nach Hause nehmen. Natürlich alle mit Namen, Datum und Fundort versehen, wie es sich für Artenkennerinnen und Artenkenner gehört.