Die Rechtsnationalisten kündigen eine Zusammenarbeit im neuen Parlament an. Dem stehen allerdings die nationalen Egoismen im Weg.
Giorgia Meloni sieht Europa am Scheideweg. Die Europawahl sieht Italiens Regierungschefin als „Referendum über zwei gegensätzliche Visionen Europas“. Von der aktuellen Union zeichnet die Postfaschistin das verzerrte Bild eines technokratischen, zentralistischen und undemokratischen Konstruktes. Auf der anderen Seite stehe „unser solides, mutiges, stolzes Europa, das seine Wurzeln nicht vergisst“, sagte Meloni in diesen Tagen vor tausenden Anhängern ihrer ultrarechten Partei Fratelli d’Italia (FdI). Ihr Ziel ist eine rechte Mehrheit im Europaparlament, um „die Linken endgültig in die Opposition zu schicken“.
Die Rechtsnationalisten auf dem Vormarsch
Aktuelle Umfragen scheinen Meloni Recht zu geben. Nicht nur in Italien, auch in Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Ungarn liegen rechtsnationale Parteien in der Wählergunst vorne. In deutschen Befragungen kommt die AfD, trotz vieler Skandale, gleichauf mit den Grünen auf den zweiten Platz. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie die aktuelle EU ablehnen und eine Art „Europa der Nationen“ formen wollen. Allerdings ist nicht wirklich deutlich, wie diese Union am Ende aussehen und funktionieren soll.
Nicht zuletzt aus diesem Grund, sind Aussagen wie die von Meloni im Moment vor allem Symbolik. Sie will zeigen, dass es eine starke und geeinte Kraft in der EU gibt. Gleichzeitig formuliert sie unverhohlen einen politischen Führungsanspruch – für die Rechtsnationalisten und natürlich auch für sich selbst. Den erkennt sogar Viktor Orban an. Der ungarische Regierungschef erklärte jüngst, die Zukunft des rechten Lagers in Europa liege in den Händen von zwei Frauen. Das seien Giorgia Meloni und die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sollte es ihnen gelingen, zusammenzuarbeiten, „werden sie eine Kraft für Europa sein“.
Große Differenzen im rechten Lager
Diese kleine Einschränkung zeigt, dass sogar Orban offensichtlich Zweifel an einer geeinten, europäischen Rechten anmeldet. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer, der die Situation schon seit Jahren beobachtet, schreibt dazu: „Bisherige Versuche der sehr rechten und extrem-rechten Parteien eine Fraktion im Europaparlament zu bilden, sind allesamt gescheitert. Seine Erklärung: „Der Grund dafür ist, dass es einfach zu große inhaltliche und personelle Probleme zwischen den verschiedenen Gruppierungen gibt.“
Wie weit die verschiedenen Positionen auseinanderliegen, zeigt sich etwa im Fall der Migrationspolitik. So fordert die Italienerin Meloni mehr Solidarität von den EU-Partnern bei der Aufnahme von Flüchtlingen, was für Viktor Orban auf gar keinen Fall in Frage kommt. Auch die Annäherungsversuche von Marine Le Pen an Giorgia Meloni kurz vor der Europawahl, waren ohne allzu großen Erfolg gekrönt. Offenbar spricht, neben inhaltlicher Differenzen, in diesem Fall das sehr große Ego der beiden Frauen gegen eine Klärung der Führungsfrage einer rechtsnationalen Koalition in Europa.
Rauswurf der AfD aus der Fraktion
Wie sich das rechte Lager im Europaparlament sortiert, wird sich nach der Wahl zeigen, wenn die beiden Rechtsaußenfraktionen Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und Identität und Demokratie (ID) gebildet werden. Schwierig wird es für die AfD. Die Partei ist in diesen Wochen wegen einer Reihe von Skandalen unter anderem um den Spitzenkandidaten Maximilian Krah auf Druck von Marine Le Pen aus der ID-Fraktion geflogen.
Der sich gemäßigt gebende AfD-Europakandidat René Aust glaubt aber an eine Rückkehr in die Fraktion. Andere Worte wählte zuletzt hingegen Parteichef Tino Chrupalla. Er verbitte sich jede Einmischung der Parteien von Marine Le Pen und Giorgia Meloni, sagte er beim Landesparteitag im sächsischen Glauchau. Meloni stehe als Ministerpräsidentin in Italien für mehr Migration und mehr Waffen im Krieg in der Ukraine. „Diese Melonisierung wird es mit uns nicht geben.“ Seine Partei werde sich nicht verbiegen, um für andere ansehnlicher zu werden. „Für uns stehen immer die deutschen Interessen an erster Stelle.“ Das sehen die Nationalisten in den anderen Ländern exakt gleich, was eine konstruktive Zusammenarbeit für Europa von Natur aus unmöglich macht.