Der Franzose Jordan Bardella ist Chef der Fraktion „Patrioten für Europa“. Foto: AFP/Dimitar Dilkoff

Die Fraktionen im Europäischen Parlament sind gebildet. Bei den extremen Rechten gab es ein Spektakel. Nun geht es um die Verteilung der einflussreichen Posten.

Politik ist bisweilen ein komplexes Spiel um Macht und Einfluss. Da wird gefeilscht, gedroht, getäuscht, es finden sich für den Uneingeweihten völlig überraschende Allianzen, dann wieder werden unvorhersehbare Trennungen verkündet. In seiner allerhöchsten Form wird dieses Spiel aktuell in Brüssel ausgetragen.

Nach der Europawahl herrschte ein munteres Stühlerücken, denn es mussten sich zuerst die unterschiedlichen Fraktionen im Parlament zusammenraufen. Im zweiten Schritt werden nun die Vorsitzposten der verschiedenen Parlamentsausschüsse den Fraktionen zugeteilt. Das ist ein entscheidender Schritt, denn wer das Sagen in einem Ausschuss hat, kann danach maßgeblich die Politik des Europaparlaments mitbestimmen. Doch es gibt nicht nur mehr Redezeit bei Debatten. Jede parlamentarische Gruppe kann auf Kosten der Parlamentskasse zudem zusätzliche Mitarbeiter einstellen und Büro- und Reisekosten abrechnen.

Eine bunte Truppe um die AfD

Das sind die Gründe, weshalb die deutsche AfD sich in letzter Minute noch eine Fraktion zusammengezimmert hat. Die Hürde ist relativ hoch, es braucht dafür 23 Abgeordnete aus sieben Ländern. In der wahrscheinlich 28-köpfigen Gruppe rund um die AfD sammelt sich eine abenteuerliche Mischung aus zum Teil rechtsradikalen, prorussischen, einwanderungsfeindlichen oder antisemitischen Politikern. Kurioser Fakt am Rande: der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, soll nicht Teil der neuen Fraktion sein. Grund sind offensichtlich dessen verharmlosenden Aussagen zur SS.

Die extrem-rechten politischen Parteien standen generell im Zentrum des Interesses. Denn nach dem Rechtsruck bei den Wahlen erhofften sie sich wesentlich mehr Einfluss im Brüsseler Tagesgeschäft. Doch schnell zeigte sich, dass diese Kräfte zwar einen lauten und populistischen Politikstil beherrschen, im Falle des konstruktiven Miteinanders allerdings oft kläglich versagen.

Orban formiert eine neue Fraktion

So konnte etwa der ungarische Premier Viktor Orban seine Fraktion der „Patrioten für Europa“ erst sehr spät präsentieren. Allerdings bringt er wesentlich mehr Gewicht auf die politische Waage als das AfD-Gebilde. Denn zu seiner Gruppe gehören etwa die österreichische FPÖ, die liberal-populistische tschechische ANO, die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert Wilders und zuletzt trat auch der französische Rassemblement National bei. Größte Genugtuung dürfte für den rechtsnationalen Orban sein, dass auch die extreme spanische Vox zu den „Patrioten“ gewechselt ist. Denn damit konnte er der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni entscheidende Stimmen in der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) abjagen, die nach anfänglich großen Erfolgen nun doch zu den großen Verliererinnen in diesem Spiel um Macht und Einfluss zählt.

Zu späte Anmeldung der „Patrioten“

Die Fraktion der „Patrioten“ um Orban ist nun – nach Konservativen und Sozialisten – mit über 80 Abgeordneten die drittgrößte im Europaparlament. Dennoch muss er bei der Besetzung der einflussreichen Ausschussvorsitzenden mit der Resterampe vorliebnehmen. Der Grund: die Gruppe wurde schlicht zu spät angemeldet. Sie konnte noch die Ausschüsse für Verkehr und Tourismus (TRAN) sowie Kultur und Bildung (CULT) für sich zu gewinnen.

Den ersten Zugriff auf die einflussreichsten Posten hat die eigentliche Wahlgewinnerin: die Europäische Volkspartei (EVP). Sie konnte sich unter anderem den Vorsitz in zwei Spitzenausschüssen sichern: Industrie (ITRE) und Auswärtige Angelegenheiten (AFET). Eigentlich wollte sie auch den Vorsitz im Landwirtschaftsausschuss (AGRI), ließ sich dann allerdings auf ein Tauschgeschäft ein. Denn die Meloni-Fraktion EKR wollte diesen Posten unbedingt und tauschte ihn gegen den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE). Auch die anderen Demokraten dürften dafür dankbar sein, dass die italienische Postfaschistin nun nicht den Kurs im Bereich Justiz im Europaparlament maßgeblich mitbestimmt.