Chansonniere Leïla Huissoud und ihr Gitarrist Pierre Antonioni bieten zum musikalischen Auftakt französische Lebensfreude, aber auch nachdenkliche Lieder. Foto: Julian Rettig

Mit einem fulminanten Fest vor 500 Besuchern in der Alten Kelter ist der Europäische Kultursommer am Wochenende in Fellbach gestartet. Zehn Wochen lang bis Ende Juli gibt es mehr als 50 Veranstaltungen.

Parlez-vous français? Selbst wer nicht über ein frankophiles Basiswissen verfügt, durfte sich am Wochenende in der Alten Kelter Fellbach wohlfühlen. Es war ein Auftakt nach Maß, den das Kulturamt zur Eröffnung des Europäischen Kultursommers herbeigezaubert hatte. Sicher, in den Pausen gestalteten sich manche Dialoge am Nebentisch zwischen den Gästen aus den beiden an der Rhône gelegenen Fellbacher Partnerstädten Tournon und Tain l’Hermitage und Mitgliedern des Städtepartnerschaftsvereins in einem dermaßen atemberaubenden Tempo, dass man als unfreiwilliger Zuhörer allenfalls einzelne Wörter verstehen konnte.

Kultursommer mit Gastland Frankreich

Doch die französischen Einsprengsel belebten die Grußworte der Festgäste. Mit einem charmanten „Bienvenue“ hieß Oberbürgermeisterin Gabriele Zull die „chers amis de France“ beim 7. Europäischen Kultursommer mit dem Gastland Frankreich willkommen. „Mit Frankreich kommt die Sonne, auch hier nach Fellbach“, versprach sie optimistisch gutes Wetter in den kommenden zehn Festivalwochen. Die OB erinnerte an die coronabedingte Absage 2020 kurz vor dem Start. „Auf einmal war die Welt eine andere“, sagte Zull angesichts der Folgen der Pandemie wie auch des Kriegs. Umso wichtiger sei der Austausch über Ländergrenzen, die Verständigung. Dazu passe auch das Motto zum Kultursommer: Vive la France, vive l’amitie! Es lebe die Freundschaft.

Kulturamtsleiterin Maja Heidenreich, die, wie Zull erwähnte, zwei Jahre in Grenoble studiert hat und Französisch perfekt beherrscht, war eloquente Moderatorin und begrüßte den Kultur-Staatssekretär des Landes, Arne Braun, aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Er würdigte das Programm des Kultursommers als „vielfältige und würdevolle Hommage an Frankreich“, man könne sich freuen auf ein „wunderbares Festival“, nämlich auf „Vive la Wir!“ – es lebe das Wir!

Den musikalischen Part gestaltete mit Leïla Huissoud eine von Heidenreich als „junger, aufregender Star aus Frankreich“ angekündigte Chansonnière. 1996 geboren, hat sie in Straßburg studiert, begann mit Straßenmusik, erhielt 2019 den Prix Georges Moustatki und hat schon zwei Alben veröffentlicht. „’Allo, isch bin da“, begrüßte sie das Publikum, und gab dann, begleitet von ihrem Gitarristen Pierre Antonioni, auf einem Schemel sitzend die Verkörperung von Zerbrechlichkeit und Unschuld. Kurz danach wirbelte die kleine Mittzwanzigerin mit vollem Körpereinsatz über die Bühne, dass man ihre großen Gefühlswelten auch ohne Sprachkenntnisse verstand.

In der Pause gab es für die Gäste begleitend zu französischem Wein, Quiche oder Baguette eine akrobatische Einlage der Artistin Isabelle Noël am Vertikaltuch unter der Kuppel der Alten Kelter sowie am Trapez, begleitet von ihrer Tochter Isai.

Die Wortbeiträge im zweiten Teil gestaltete Stadträtin Valina Faure als Vertreterin der Partnerstädte sowie Gaël de Maisonneuve, Generalkonsul Frankreichs in Baden-Württemberg und Leiter des Institut francais Stuttgart, mit einer erfrischenden deutsch-französischen Rede. Er lobte nicht nur die „Art de vivre“, die französische Lebenskunst, sondern unter langem anschließenden Beifall auch, dass die Gäste aus den Partnerstädten eine elfstündige Fahrt im Bus hinter sich gebracht haben, um nach Fellbach zu gelangen. Ein Highlight des Fests sei sicher der „Bal populaire“ am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag. Bei diesem öffentlichen Tanzvergnügen im Rathaus-Innenhof „werden wir zusammen tanzen“, rief er direkt an OB Zull gerichtet aus.

Der Sinti-Swing katapultiert die Festgäste aus ihren Sitzen

Apropos Tanzen, das war beim abschließenden Auftritt der Pariser Combo Les Yeux d’la Tête quasi unvermeidlich. Vom ersten Ton an wurde das Quintett seinem Ruf als „Kultband“ gerecht: Der Sinti-Swing und die enorme Spielfreude aus dem Pariser Nachtleben rissen das Publikum binnen weniger Minuten aus den Sitzen, sodass sich neben der Oberbürgermeisterin auch fast alle Ehrengäste zum ausgelassenen Tanz vor der Bühne versammelten. So geht Savoir-vivre. Wie sagte kurz vor dem Nachhauseweg eine Besucherin am Fahrradständer: „Wie schön, dass in Fellbach so was Tolles geboten wird.“

Nächste Kultursommer-Veranstaltung: Die Ausstellung „Frugalité créative – weniger ist genug“ über neue Lebensweisen in der westlichen Gesellschaft wird an diesem Montag, 15. Mai, um 19 Uhr im Rathaus eröffnet.