Der junge Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburg gehört dem Lager der Atomkraftbefürworter an. (Archivbild) Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die EU-Kommission will Kernenergie als nachhaltig einstufen. Das führt zu geteiltem Echo. Auch in Baden-Württemberg werden unterschiedliche Stimmen laut.

Stuttgart - Während Atomkraftgegner die Abschaltung der Kernkraftwerke in Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen zum Jahreswechsel feierten, hat die EU-Kommission Umweltschützer mit dem Vorstoß überrascht, Kernenergie als nachhaltig einstufen zu wollen und damit den Weg zum Bau neuer Atomkraftwerke freizumachen. Die Idee spaltet die Politik – auch in Baden-Württemberg. Während Grüne ihren Unmut besonders deutlich kundtun, gibt es in konservativen Lagern auch Befürworter einer einstweiligen Renaissance der Atomkraft.

So schrieb der 29-jährige Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Maximilan Mörseburg auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Wir brauchen jetzt ein Jahrzehnt der Kernenergie in Europa und der industrialisierten Welt, um den Klimawandel aufzuhalten.“ Alles andere sei eher unrealistisch. „Gut, dass die Kommission das eingesehen hat.“

Auch der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen äußerte sich zustimmend zu den EU-Plänen: ,,Mit ihrer energiepolitischen Geisterfahrt isoliert die Bundesregierung zunehmend unser Land in der EU.“ Der Vorstoß der EU-Kommission, Atomkraft als „grüne Energie“ einzustufen, sei „die völlig richtige Anerkennung einer unumstößlichen Tatsache“.

Landesregierung demonstriert Einigkeit

Der Stuttgarter Ex-OB Fritz Kuhn (Grüne) kann diese Auffassungen überhaupt nicht teilen. „Ich habe vor 42 Jahren die Grünen mitgegründet. Einer der Hauptgründe waren die Sicherheitsrisiken der AKWs“, twitterte er. „Wenn AWKs nun mit Europasegen grün sein sollen, dann sage ich, so haben wir nicht gewettet. Olaf Scholz, bleiben Sie standhaft!“

Auch Thekla Walker, die grüne Umweltministerin in Baden-Württemberg, verurteilte die EU-Pläne: „Das ist ein absoluter Irrweg – wirtschaftspolitisch, energiepolitisch und klimapolitisch.“ Kernkraft sei und bleibe gefährlich. Zudem sei es die teuerste Option von allen und ein jahrzehntelanges Unterfangen. „Es ist unglaublich, was die EU hier unseren Nachkommen zumuten will“, sagte Walker.

Frankreich treibende Kraft

Die grün-schwarze Landesregierung demonstriert bei dieser Frage Geschlossenheit: Der umwelt- und energiepolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Raimund Haser, teilte am Sonntag mit, nur empört zu sein, reiche nicht. Die neue Bundesregierung müsse alles dafür tun, das „Greenwashing“ bei der Atomkraft in der EU-Taxonomie zu verhindern.

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hat mitgeteilt, dass sie den EU-Plänen nicht zustimmen will, womit diese aber voraussichtlich nicht verhindert werden können. Einer Klageankündigung Österreichs hat sich Berlin bisher nicht angeschlossen. Treibende Kraft hinter der Neubewertung der Kernenergie ist Frankreich, das stark von Atomstrom abhängig ist.