Zwei Männer, die ihren Ärger über Viktor Orban (Mitte) einfach weglächeln: US-Präsident Joe Biden (links) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Foto: AFP/MANDEL NGAN

In der EU wird fieberhaft überlegt, wie auf die nicht abgesprochene „Friedensmission“ des Ungarn reagiert werden soll. Erwogen werden sogar juristische Schritte.

Viktor Orban sieht sich weiter auf einer „Friedensmission“. Auch vom Nato-Gipfel in Washington bestückt der ungarische Premier unbeirrt von jeglicher internationaler Kritik die Kanäle in den sozialen Medien. Im Kurznachrichtendienst „X“ stellt er sich völlig unbescheiden als letzten Politiker im Bündnis dar, der den Geist der Nato als Friedensallianz verkörpert.

Viktor Orban interessiert auch nicht, was US-Außenminister Antony Blinken von seiner unabgesprochenen Reisetätigkeit hält. Jeder Staatschef, der Russland oder China besuche, müsse die Positionen der Nato klarstellen, betonte Blinken am Rande des Gipfels. Russland werde „weiterhin geächtet“, solange es den Krieg in dieser Brutalität fortführe.

Orban spekuliert auf den Sieg Trumps

Offensichtlich wird aber, dass sich Orban längst nicht mehr um die aktuelle Regierungslinie der USA kümmert, der Ungar spekuliert auf einen Sieg von Donald Trump bei der Präsidentenwahl im November. Gemunkelt wird, dass nach Moskau und Peking die nächste Station seiner „Friedensmission“ in Mar-a-Lago sein wird, wo er Trump treffen könnte.

In Europa laufen unterdessen die Überlegungen auf Hochtouren, wie Orban in die Schranken verwiesen werden könnte. Das war auch das zentrale Thema bei einem Treffen der EU-Botschafter in Brüssel. Allein das ist ein Novum in der EU-Geschichte. Einig war man sich darin, dass der Premier mit seinem Verhalten der EU großen Schaden zufüge, konkrete Schritte wurden allerdings nicht erwogen.

Ärger über den zögernden EU-Rat

Der Europaparlamentarier Daniel Freund ärgert sich über diese Untätigkeit der EU-Mitgliedsländer, denn nur sie könnten den Premier bremsen. „Dass sich die Botschafter darüber unterhalten, ist nichts, was Orban davon abhält, so weiterzumachen, wie er das gerade treibt“, sagt der Grünen-Politiker, der im Parlament seit Jahren als einer der profiliertesten Kritiker Orbans gilt.

Für begrenzt zielführend hält Daniel Freund auch, dass inzwischen der Juristische Dienst des Rates zu der Überzeugung gekommen ist, dass Orban mit seinem Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die EU-Verträge verstoßen haben könnte.

Wie aus Brüsseler Kreisen zu erfahren ist, hätten die Juristen am Mittwoch eine erste Einschätzung abgegeben. Orban bewegt sich bei seinem Tun allein schon dadurch in einem rechtlichen Grenzbereich, dass er als Ratsvorsitzender im Grunde keine außenpolitischen Kompetenzen besitzt. Konkret habe er gegen die Vorgabe verstoßen, so die Juristen, dass er seine Aktivitäten im „Geiste der Loyalität und gegenseitigen Solidarität“ auszuführen habe. Zudem dürfe er die erklärten politischen Ziele der EU nicht gefährden.

Das Problem muss politisch geklärt werden

Aber die EU-Mitgliedstaaten schrecken vor wirklich harten Maßnahmen zurück. Das könne sein, Ungarn die Ratspräsidentschaft ganz zu entziehen, oder – das wäre der einfachere Weg – drastisch zu verkürzen, indem über einen Mehrheitsentscheid der Kalender der Ratspräsidentschaft geändert wird.

Inzwischen regt sich auch Widerstand aus der Zivilgesellschaft gegen das Gebaren Viktor Orbans. Die einflussreiche NGO „The Good Lobby“ hat Beschwerde gegen ihn eingelegt. Auch sie bezieht sich auf die EU-Verträge, dass der Ungar „gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten verstoßen hat“, heißt es in einer Mitteilung. Orban habe „seine Auslandsreise fälschlicherweise als Reise im Auftrag der EU-Ratspräsidentschaft dargestellt“.

Unfreundlicher Empfang im Europaparlament

Ein unfreundlicher Empfang dürfte Viktor Orban auch im Europaparlament erwarten. Wie aus Abgeordnetenkreisen zu erfahren ist, wird er als amtierender Ratspräsident nicht Mitte Juli bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments in Straßburg anwesend sein. Überlegungen laufen auch, wie die ungarische Ratspräsidentschaft danach behandelt werden könnte. Möglich wäre etwa, ungarische Regierungsvertreter nicht zu wichtigen Debatten und Entscheidungen einzuladen.

Ein ähnliches Vorgehen wird für die Treffen des Rates diskutiert. Ziel wäre es, Viktor Orban diplomatisch zu degradieren und die ungarische Ratspräsidentschaft gewissermaßen abzuwürgen. Wir groß der Ärger über den Egotrip des Ungarn ist, könnte sich ganz offiziell Ende August zeigen. Dann findet das inoffizielle Treffen der EU-Außenminister statt. Eine Demütigung wäre es für den auf Pomp bedachten Viktor Orban, würde zu diesem Anlass lediglich die zweite Garde der Staatssekretäre vorfahren.