Angela Merkel hat sich mit ihrem Kompromiss durchgesetzt. Foto: dpa/Olivier Matthys

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich mit Polen und Ungarn im Streit um den europäischen Haushalt und den Corona-Hilfsfonds geeinigt. Jetzt kann Geld fließen, um die Folgen der Pandemie zu mildern.

Brüssel - Dann ging es ganz schnell. Gegen 18.30 Uhr rief der ständige Ratspräsident Charles Michel das EU-Finanzpaket auf. Um 19 Uhr hatten die 27 Staats- und Regierungschefs es dann schon einstimmig beschlossen.

Damit war nicht nur klar, dass Anfang 2021 pünktlich der mehrjährige Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 mit einem Volumen von 1072 Milliarden Euro sowie der Wiederaufbaufonds nach der Corona-Epidemie mit einem Volumen von 750 Milliarden starten kann. Es war auch ein Streit beigelegt, der an den Grundfesten der EU gerüttelt hatte.

Polen und Ungarn hatten mit ihrem Veto gegen das Finanzpaket gedroht und wollten damit den so genannten Rechtsstaatsmechanismus zu Fall bringen. Der sieht vor, dass Ländern, die es mit den demokratischen Regeln und Werten der EU nicht so genau nehmen, der Zugriff auf Haushaltsgelder verwehrt werden kann. Mit diesem Erpressungsversuch aber kamen die Regierungschefs aus Polen und Ungarn nicht durch und mussten klein beigeben.

Diesen Erfolg kann sich Angela Merkel auf die Fahnen schreiben

Diesen Erfolg kann sich Angela Merkel auf die Fahnen schreiben. In ihrer Funktion als amtierende EU-Ratspräsidentin hatte sie mühsam einen Kompromiss ausgehandelt. Als Merkel an diesem ersten Tag des letzten Gipfels unter deutscher Präsidentschaft im Foyer des Ratsgebäudes die Maske herunternimmt und vor die Kameras tritt, vermittelt sie den Eindruck, dass der Streit mit Polen und Ungarn um das 1800 Milliarden schwere Finanzpaket schon beigelegt ist.

Sie und ihre Mitarbeiter hätten „sehr intensiv gearbeitet, die Schwierigkeiten zu überbrücken und eine Lösung für die Bedenken von Ungarn und Polen zu finden“. Man habe auch dafür gearbeitet, „die Rechtsstaatlichkeit natürlich so zu bewahren“, wie das mit dem Parlament ausgehandelt worden sei. Dann wechselt sie in die Zukunft: „Es wird sich zeigen, ob wir auch eine Einstimmigkeit im Europäischen Rat dafür finden“.

Wie immer, wenn sich die „Chefs“ treffen, ist Einstimmigkeit gefragt. Manchmal wird lange diskutiert, bis sie da ist. Diesmal liefen die Diskussionen im Vorfeld, Polen und Ungarn stimmten dann unvermittelt zu. Auch die „sparsamen Vier“, angeführt von den Niederlanden, hatten keine Einwände. Die ausgehandelte Erklärung ändere nichts am Rechtsstaatsverfahren, ist Monika Hohlmeier (CSU), die Chefin des Haushaltskontrollausschusses im Europa-Parlament, überzeugt: „Es bleibt bei der Botschaft, die wir mit dem Rechtsstaatsmechanismus senden: Wer versucht, eine illiberale Demokratie zu installieren, der hat in der EU keinen Platz.“ Das einzige Zugeständnis besteht wohl darin, dass Rechtsverstöße nach der jetzigen Einigung nicht rückwirkend geahndet werden können.

Jetzt widmen sich die Regierungschefs der Klimakrise

Nach dem grünen Licht für das Finanzpaket konnten die Chefs sich dem zweiten großen Thema widmen: das neue Klimaziel. Merkel setzt sich dafür ein, dass die EU bis 2030 55 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als 1990 und die Staatengemeinschaft für 2050 Klimaneutralität anstrebt. Die meisten EU-Staaten haben sich auch schon dafür ausgesprochen, Polen und andere Mitgliedstaaten haben im Vorfeld jedoch Bedenken geäußert.

Nicht auf der Tagesordnung, aber dafür umso mehr Thema ist die Frage, ob es doch noch einen Handelsvertrag mit Großbritannien gibt. Seit dem Abendessen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Boris Johnson am Dienstag in Brüssel sind selbst Optimisten nachdenklich geworden. Man ist sich zwar einig, wie Zölle und Quoten geregelt werden sollen. Auch bei Datenschutz, Straßenverkehr und Menschenrechten gibt es wohl eine Verständigung. Als Baustellen bleiben aber die Fischereipolitik sowie die gleichen Spielregeln innerhalb und außerhalb des Binnenmarktes. Bis Sonntag reden die Unterhändler jetzt wieder.