Ausschnitt aus der Produktpalette des Designers im Villa-Entrée. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Der Esslinger Produktdesigner Hans Erich Slany zählte zu den Größten seiner Zunft. Der Esslinger Kunstverein widmet dem Künstler derzeit eine Ausstellung in der Villa Merkel.

EsslingenDen Dingen des alltäglichen Gebrauchs wird nur selten eine Würdigung ob ihrer Schönheit zuteil. Gerade weil sie gebraucht werden, sollen sie verflixt nochmal funktionieren. Schön brauchen sie nicht auch noch zu sein. Oder? Beim Kaffeeservice – na klar, da darf auch was fürs Auge dabei sein. Aber bei Schlagbohrern, Filzstiften, Büchsenöffnern? Nun, wenn das Ding zweckdienlich und bequem in der Hand liegt, paaren sich eben doch Funktion und Form – und erzeugen im schönsten Fall den Mehrwert einer unverwechselbaren Produktästhetik. Ergonomie lautet das Zauberwort: handliche und praktikable Gestaltung mit dem Ziel einer möglichst einfachen, Kräfte schonenden und effizienten Nutzung der Geräte. Je schlüssiger die Entwürfe gelingen, umso mehr vereinen sie Gebrauchswert, Markenidentität und sinnlich-ästhetische Anmutung.

Ergonomie – ein weites Feld steter und wissenschaftlich fundierter Optimierung – war das zentrale Thema des Esslinger Industrie- und Produktdesigners Hans Erich Slany, dem der Esslinger Kunstverein derzeit in der Villa Merkel eine umfassende Retrospektive widmet; angeblich die erste. Was überrascht, zählte doch der 2013 gestorbene Slany seit den Wirtschaftswunderjahren zu den Größten der Branche. Vom Leitz-Ordner bis zum Leifheit-Teppichkehrer, von Kärcher-Hochdruckreinigern bis zu Silit-Schnellkochtöpfen, von Bosch-Bohrern bis zu Edding-Stiften tragen unzählige Produkte seine gestalterische Handschrift. Slany’sche Entwürfe prägten für etliche Jahrzehnte die Alltags- und Lebenswelt. Im Feld der nützlichen Dinge schuf er so etwas wie die Design-Signatur jener Zeiten. Und verlor dabei nie die sozialen Bedürfnisse aus dem Blick: In den frühen 60ern entwarf er eine kleine Plastikwaschmaschine für die meist familienlos angereiste erste Gastarbeiter-Generation. Ergänzend dazu der Klassiker des ausklappbaren Wäschetrockners – platzsparend in beengten Wohnverhältnissen und zum Abtropfen über der Badewanne anzubringen (sofern eine vorhanden ist).

Seriell statt nur schick

Die Esslinger Schau gleicht denn auch einer Zeitgeschichte in Alltagsobjekten. En passant kriegt man dank ergänzenden Werbematerials mit lauter glücklichen oder auch chauvi-sexualisierten Hausfrauen den Wandel von Rollenklischees mit; und den Wandel des Geschmacks von den puristischen 50ern zu den pop-bunten 60ern und 70ern sowieso. Eine Kunststoffgeschirr-Kollektion Slanys für Mensen, Flugzeuge und Krankenhäuser etwa huldigt ganz dezent dem Flower-Power-Charme: einst frisch und attraktiv, heute gewiss nicht mehr der letzte Schrei. Der Meister konnte freilich auch edel, wie ein Tischset aus Holz, Glas und spiegelndem Metall aus den frühen 60er-Jahren zeigt. Aber erlesenes Schickimicki-Design war seine Domäne nicht. Sein Schaffen feiert den Siegeszug der Kunststoffe: Leichter und formbarer als traditionelle Werkstoffe, etwa Metall, kommen sie seinem ergonomischen Ideal entgegen und ebenso der industriellen Fertigung. Slany ging es ums Alltagstaugliche, um die seriell zu produzierende Ware für die Massen – und gleichzeitig um den Unterschied zu liebloser Massenware, von der sich die Qualität seiner Entwürfe abheben wollte.

Diese unterschiedslose Liebe zu den selbst kreierten Objekten beweist auch die umfangreiche Sammlung eigener Arbeiten zusammen mit Vorgänger- und Vergleichsprodukten, die Slany in seinem Haus in der Esslinger Mülbergerstraße angehäuft hat und die sich bis heute dort befindet. Aus diesem Fundus schöpft die Kunstverein-Ausstellung, kuratiert von Christian Gögger in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorikerin Angela Zieger, die kenntnisreiche Erläuterungstexte schrieb, und mit Reinhard Renner, der Slanys Design-Büro (heute Teams Design) weiterführte. „Slany war ein manischer Sammler“, sagt Gögger über den Mann, der einst durch Zufall in Esslingen landete. Laut eigener Schilderung wollte Slany, 1946 der Kriegsgefangenschaft entkommen, eigentlich in Geislingen bei WMF aussteigen. Aber mit seinem Gepäck kam er nicht rechtzeitig aus dem überfüllten Zug. In Esslingen, das ihm durchs Zugfenster ansprechend erschien, hat es dann geklappt.

Selbstbewusst startete er seine Karriere, aber zum Sendungsbewusstsein des Bauhauserbes – funktionale Massenproduktion plus schöne Form gleich soziale Emanzipation – hielt er bei allem Sinn für soziale und ästhetische Belange Distanz. „Er verstand sich in erster Linie als Techniker“, sagt Gögger, „aber er suchte den Kontakt zur Kunst.“ So stellte er 1965 die ihm gehörenden Räume – ein ehemaliges Sarglager – in der Esslinger Bachstraße (heute Geiselbachstraße) dem jungen Galeristen Hans Mayer für seine neu gegründete, alsbald Furore machende op-art-Galerie zur Verfügung. Daraus entstanden Kontakte zu Künstlern wie Max Bill, die ihrerseits Slany mit Werken bedachten – auch sie sind im Nachlass enthalten und werden in Auswahl in der Ausstellung gezeigt.

„Gestaltete Sicherheit“

Slany selbst sah sich nicht als Künstler, aber aus der schnittigen Eleganz und der oft signalhaften Farbgebung seiner Entwürfe spricht durchaus, was er „Anmutungsqualität“ nannte. Doch Schönheit war ihm primär ein Ausdruck der Praktikabilität, und diese fasste er unter anderem in das wunderbare Wort von der „gestalteten Sicherheit“: Klingt nach Polizeireform, meint aber Büchsenöffner, die nur die Büchse und nicht auch die Fingerkuppe öffnen; Teekessel mit verlängerter Plastikisolierung am Griff, damit man sich beim Ausgießen nicht die Finger verbrüht; oder den Geniestreich des Schnellkochtopfs mit Einhandbedienung, die verhindert, dass einem beim Öffnen die Hochdruck-Mahlzeit ins Gesicht springt.

Neben der Verhinderung von Real-Slapstick mit Notfall-Folgen blieb Slany den technischen Möglichkeiten der Produktverschlankung treu. So ist seine Bosch-Fernsehkamera für die olympischen Spiele 1972 in München noch ein Trumm für Zwei-Personen-Betrieb. Wenige Jahre später folgten vergleichsweise winzige, leicht auf die Schulter zu schnallende Exemplare. Ergonomisch eben.

Bis 19. Januar. Öffnungszeiten: dienstags von 11 bis 20 Uhr, mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. Führungen mit dem Kurator Christian Gögger beginnen an den Sonntagen 15. und 29. Dezember sowie 12. Januar jeweils um 15 Uhr.

Herkunft und Ausbildung: Hans Erich Slany wurde 1926 in Böhmisch Wiesenthal im nördlichen Teil des damaligen Sudetenlands geboren. 1941 nahm er das Studium an der Ingenieurschule Eger (dem heutigen Cheb) auf. 1944 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft kam er nach Esslingen, wo er an der Staatlichen Ingenieurschule, der späteren Fachhochschule für Technik (FHTE), sein Studium fortsetzte und im März 1948 abschloss.

Erste Erfolge: Der junge Diplomingenieur Slany arbeitete zunächst bei der Esslinger Firma Aluminium Ritter sowie in der Styling-Abteilung von Daimler-Benz. 1956 gründete er sein eigenes Büro Slany Design.

Wirtschaftswunder: Mitte der 50er-Jahre avancierte Slany zu einem der prägenden Industriedesigner Deutschlands. Er entwickelte Produktformen für Unternehmen wie Bosch, Kärcher, Eberspächer, Leitz, Leifheit, Hirschmann, Pilz und viele andere.

Professur: 1986 wurde Slany auf die neu geschaffene Professur für Investitionsgüter-Design an der Stuttgarter Kunstakademie berufen.

Auszeichnungen: Hans Erich Slany erhielt über 800 Auszeichnungen für sein Werk, von einem Preis bei der Mailänder Design-Triennale 1957 bis zum Bundesverdienstkreuz 1996.

Heute: Aus Slany Design ging Teams Design hervor, heute ein international operierendes Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern, Hauptsitz in Esslingen und Niederlassungen in Hamburg, Chicago, Shanghai und Belgrad. Geschäftsführer war von 1987 bis 2019 Reinhard Renner. Der Kundenstamm geht teilweise noch auf Hans Erich Slany zurück, der 2013 in Esslingen starb.