Im Februar 2019 hat die Esslinger Bürgerschaft schon einmal über den Bücherei-Standort entschieden. Nun ist sie erneut gefragt. Foto: oh

Der Bürgerentscheid zur Esslinger Bücherei kann kommen – die Verwaltung hat keine Einwände, plant jedoch im Vorfeld eine zusätzliche Bürgerbeteiligung.

9470 Esslingerinnen und Esslinger haben für einen neuerlichen Bürgerentscheid zum Standort der Stadtbücherei unterschrieben. 4736 gültige Unterstützungsunterschriften waren nötig, um den Entscheid durchzusetzen. Und auch wenn jede Unterschrift zu prüfen ist, zweifelt niemand daran, dass das nötige Quorum erreicht ist. Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats berät am Montag über das weitere Vorgehen. Wie von vielen erwartet, hat der OB vorgeschlagen, den Bürgerentscheid mit der Landtagswahl am 8. März zusammenzulegen, um den Aufwand möglichst gering zu halten. Dass dem Entscheid aller Wahlberechtigten auf Wunsch der Verwaltung eine dialogische Bürgerbeteiligung mit einer „zufällig ausgelosten Bürgerschaftsgruppe“ vorgeschaltet werden soll, könnte für Diskussionen sorgen.

Wie sehr die Zukunft ihrer Bücherei vielen Esslingern am Herzen liegt, hatte sich beim Bürgerentscheid im Februar 2019 gezeigt. Damals hatten sich 19 557 Menschen beteiligt, 15 321 hatten für eine Modernisierung und Erweiterung des Bebenhäuser Pfleghofs und gegen einen Neubau an der Küferstraße gestimmt.

Landtagswahl und Bürgerentscheid gemeinsam

Noch ist unklar, wo dieses Schild künftig stehen wird. Foto: Roberto Bulgrin

Damals war es eine separate Abstimmung gewesen. Diesmal soll der Bürgerentscheid mit der Landtagswahl zusammenfallen, was eine noch höhere Wahlbeteiligung erwarten lässt. Zur Entscheidung steht die Frage: „Sind Sie dafür, dass die Esslinger Stadtbücherei im Bebenhäuser Pfleghof bleibt und der Gemeinderatsbeschluss für die Verlagerung der Stadtbücherei in die Objekte Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 (Umzug ins ehemalige Modehaus Kögel) aufgehoben wird?“

Alternativ zum 8. März wäre wie 2019 ein separater Termin möglich, doch der wäre angesichts von zusätzlichen Mehrkosten von rund 160 000 Euro in Zeiten einer Haushaltssperre kaum vermittelbar – ganz abgesehen von der zusätzlichen personellen und organisatorischen Belastung der Verwaltung, die ein Termin kurz vor der Landtagswahl mit sich bringen würde. Für den 8. März kalkuliert die Stadtverwaltung die Kosten für den Bürgerentscheid auf 90 000 Euro. Zum Vergleich: Hätte man 2019 den damaligen Bürgerentscheid zusammen mit der drei Monate später stattfindenden Europawahl, Regionalwahl, Gemeinderats- und Kreistagswahl durchgeführt, hatte die Stadtverwaltung laut ihrer damaligen Sitzungsvorlage mit Kosten von nur 30 000 Euro kalkuliert. Der separate Bürgerentscheid hatte damals 85 000 Euro gekostet.

OB Klopfer will „dialogische Bürgerbeteiligung“

Martin Auerbach, Rena Farquhar und Hermann Beck (von links) hatten das Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Foto: Roberto Bulgrin

Der Verwaltungsausschuss wird am Montag vorberaten, der Gemeinderat soll dann am 10. November formal die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen. Die Stadtverwaltung sieht keine Einwände: „Es ist festzustellen, dass sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bürgerbegehrens erfüllt sind.“ Folgt der Gemeinderat diesem Urteil, dürfen bis zum Entscheid am 8. März keine dem Bürgerbegehren entgegenstehenden Entscheidungen getroffen oder vollzogen werden.

Geht es nach der Stadtverwaltung, dann soll es im Vorfeld des Bürgerentscheids eine so genannte „dialogische Bürgerbeteiligung“ geben. Die hatte der OB schon vor der Bücherei-Entscheidung des Gemeinderats im Juni erwogen, diesen Gedanken aber verworfen. Nun werden die damaligen Überlegungen wieder aus der Schublade geholt. Zuletzt hatte die baden-württembergische Servicestelle Bürgerbeteiligung, die das Verfahren begleiten soll, dem Gemeinderat dieses Vorgehen nochmals hinter verschlossenen Türen empfohlen.

Von einer „dialogischen Bürgerbeteiligung“, deren Kosten die Verwaltung auf weitere 45 000 Euro schätzt, verspricht man sich im Rathaus „eine Erweiterung und Ergänzung des kommunalpolitischen sowie bürgerschaftlichen Diskurses um ein Meinungsbild aus der Mitte der Bürgerschaft“. Stimmen die Ratsmitglieder zu, könnte ein Bürgerforum gebildet werden. Zunächst würden Vertreterinnen und Vertreter von Fraktionen, Verbänden, Initiativen „und weiteren relevanten Akteuren“ eine „Themenlandkarte“ erarbeiten, die in einer Online-Beteiligung zur Kommentierung und Ergänzung für alle Interessierten freigegeben werden würde. Danach sollen per Los Teilnehmer eines Bürgerforums bestimmt werden – Größenordnungen um 50 Personen sind bei solchen Verfahren nicht ungewöhnlich. Sie sollen in moderierten Sitzungen Empfehlungen erarbeiten und dem Gemeinderat, der seine Entscheidung schon im Juni getroffen hatte, rückmelden.

Wettstreit der Argumente in Esslingen

Bis 20 Tage vor dem Bürgerentscheid erhält jeder Esslinger Haushalt dann eine Infobroschüre, in der der Oberbürgermeister und die Ratsfraktionen auf der einen sowie die Initiative für den Verbleib der Bücherei im Pfleghof auf der anderen Seite ihre Argumente jeweils im selben Umfang darstellen dürfen. Die Verwaltung plant, dass die Ergebnisse der „dialogischen Bürgerbeteiligung“ in die Informationsunterlagen einfließen.

Der Weg zum Bürgerentscheid

Gemeinderat
 Bei einem Bürgerentscheid im Februar 2019 hatte eine eindeutige Mehrheit für die Modernisierung und Erweiterung der bisherigen Bücherei im Bebenhäuser Pfleghof gestimmt. Den damaligen Bürgerentscheid hatte der Gemeinderat im Dezember 2022 wieder aufgehoben. Zweieinhalb Jahre später hat der Gemeinderat dann im Juni 2025 mit nur einer Stimme Mehrheit entschieden, das frühere Modehaus Kögel zu kaufen und die Stadtbücherei dorthin zu verlegen. Noch in der Sitzung hatten die Ratsmitglieder Hermann Beck, Rena Farquhar und Martin Auerbach ein Bürgerbegehren angekündigt. 9470 Esslingerinnen und Esslinger sprachen sich diesmal für einen neuerlichen Bürgerentscheid zum Verbleib der Stadtbücherei im Pfleghof aus.

Bürgerschaft
 Beim Bürgerentscheid stimmen die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde über die gestellte Frage ab. Die Mehrheit der gültigen Stimmen (ja oder nein) entscheidet. Diese Mehrheit muss mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten betragen. Ist dies nicht der Fall, hat der Gemeinderat die Angelegenheit zu entscheiden. Der Bürgerentscheid ist binnen vier Monaten nach der Entscheidung über seine Zulässigkeit durchzuführen.