Von Gaby Weiß

Es ist die Veranstaltung im LesART-Programm, die meist als erste ausverkauft ist: Beim Literaturfest im entspannten Ambiente des Jazzkellers stellen zum Abschluss der von Stadtbücherei und Eßlinger Zeitung veranstalteten Literaturtage regionale Autoren ihre Werke vor, musikalische Gäste ergänzen die Wort-Künstler, der OB gibt sich im lockeren Gespräch die Ehre - und man freut sich gemeinsam, dass man in Esslingen fast vier Wochen lang renommierten Autoren ebenso wie vielversprechenden Newcomern begegnen konnte. Das Literaturfest ist immer auch ein Dankeschön an die Besucher der LesART, wie Bücherei-Chefin Gudrun Fuchs, die gemeinsam mit EZ-Redakteur Alexander Maier durchs Programm führte, betonte. „Ohne das Publikum - und wir haben ein ausgesprochen fachkundiges Publikum - wäre die LesART nicht das geworden, was sie heute ist.“ Maier lobte vor allem den Einsatz des Bibliotheksteams: „Wir hatten viele tolle Stars bei der LesART. Der heimliche Star ist für mich jedoch die Stadtbücherei, ohne deren großartige Arbeit es dieses Festival nicht geben würde.“

OB tippt auf Bücherei im Pfleghof

OB Jürgen Zieger war voll des Lobes für die erneut hohe Qualität des Festivals: „Es soll Lust aufs Lesen machen, es soll Menschen neugierig machen, es soll differenzierte Antworten auf komplizierte Fragen ermöglichen, gerade in Zeiten, in denen viele glauben, auf komplizierte Fragen ganz einfache Antworten zu haben.“ Und natürlich durfte der Rathaus-Chef nicht ohne eine Stellungnahme zur Standortfrage für die Stadtbücherei von der Bühne. „Eine große Mehrheit im Gemeinderat ist sich einig, dass wir bessere Möglichkeiten für unsere Bibliothek brauchen“, bekräftigte er, um gleich darauf eine Vorhersage zu wagen. „Entschieden ist noch nichts, aber im Moment glaube ich, dass wir eher am alten Standort im Bebenhäuser Pfleghof bleiben werden, weil wir sonst dort ein neues Vakuum hätten. Und ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch am alten Standort eine sehr gute Lösung hinkriegen können, wenn es so kommt.“ Das Publikum, das seine Vermutung mit Jubel quittierte, bat er augenzwinkernd: „Aber nicht weitersagen.“

Der erste literarische Gast, Multitalent Dirk Werner, präsentierte skurrile Kurzgeschichten und Limericks, die Gedanken in prickelndem Zickzack führen und Sprache Salti schlagen lassen, wenn „Reifen-Ranicki, Vorname Marcel“ sich auf gebrauchte Reifen von Schriftstellern spezialisiert und sogar Pneus von Goethe im Angebot hat. Warum also nicht die abgelegten Zahnbürsten renommierter Maler sammeln oder die Zahnprothesen von Politikern? Das Publikum lachte schallend und freute sich dann über eine Märchen-Neufassung „Rotkäppchen reloaded“, bei der ein zum „vegetarischen Kuschelvieh“ gewandelter Wolf der altbekannten Geschichte einen völlig neuen Drive gibt.

Als Zweite las Pia Rosenberger aus ihrem neuen Roman „Die Tochter des Gewürzhändlers“, der im Sommer 1514 spielt. „Die Tatsachen müssen stimmen. Auf dem verifizierbaren historischen Hintergrund spielt sich dann die fiktive Handlung ab“, betonte die Autorin, bevor sie die Zuhörer mit ihrem farbigen Erzählton, plastisch ausgemalten Szenen und atmosphärischer Dichte mitten hinein zog in die aufregende Geschichte von Tessa, der Tochter eines Esslinger Gewürzhändlers, die die Leiche ihres ermordeten Jugendfreunds findet. Mit Hilfe des jungen Corentin Wagner kann sich das rebellische Mädchen vor den Mördern ins Remstal in Sicherheit bringen. Dort freilich beginnen die Bauern und Bürger, dem finsteren Herzog Ulrich von Württemberg ihre Gefolgschaft zu verweigern.

Schließlich unternahm Gunter Haug mit seinem neuen Buch „Ohne Worte“ eine Reise in die vergangenen sechs Jahrzehnte. Aufs Vergnüglichste erzählte er, wie er einst im Kindergarten als Froschkönig vor lauter Lampenfieber sein einziges Wort nicht herausbrachte: „Quak.“ Mittlerweile ist aus dem Dreikäsehoch ein eloquenter, kluger und pfiffiger Erzähler geworden, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ob ein denkwürdiges Interview mit VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, die Verwechslung von Kleidergröße und Kragenweite oder das stets hustende Publikum bei Lesungen - unterhaltsam und selbstironisch hielt er lebensklugen Trost für alle Lebenslagen bereit: „Dramen passieren.“

Musikalisch setzte das Alexandra Lehmler Trio Glanzlichter. Das sehr gut aufeinander eingestimmte Trio - Komponistin und Bandleaderin Alexandra Lehmler am Saxofon, Matthias Debus am Bass und Apollonio Maiello am Piano - nahm das Publikum mit. Wach und druckvoll, dann wieder poetisch und weich präsentierte das Trio um die Landesjazzpreisträgerin gut gelaunt Jazz von seiner besten Seite und erfüllte als Zugabe einen Herzenswunsch aus dem Publikum: Mit den zauberhaften „Schleierwolken“, dem Himmel über Lehmlers Heimatstadt Mannheim gewidmet, fand das Literaturfest einen perfekten Ausklang.