Mit ihrer fabelhaft gemeisterten Aufführung des Stücks „Bruchland“ ernten die Waldorfschüler der zwölften Jahrgangsstufe viel Applaus. „Das war eine schwierige Fahrt, die einen in dieser immer chaotischer werdenden Welt gnadenlos ins Heute wirft“, sagt die Spielleiterin Sabine Bräuning zum Abschluss. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Petra Weber-Obrock

Nichts geht mehr im Würzburg der

Nachkriegszeit. Die Stadt ist zerstört bis auf die Grundmauern. Die Menschen hungern, sind auf der Flucht und versuchen, sich im Vakuum der Geschichte zwischen Schuld und Verdrängung neu zu verorten. Leonhard Franks 1947 geschriebener Jugendroman „Die Jünger Jesu“ schildert die Zeit in seiner Heimatstadt nach dem großen Bombenangriff in komplexen Handlungssträngen und lässt dabei auch den Blick auf die sich neu formierenden alten Kräfte nicht aus. Mit ihrem Stück „Bruchland“ hat die Klasse 12 b der Freien Waldorfschule Motive des Romans frei nach einer Bühnenadaption von Ulrike Schäfer auf die große Bühne der WLB gebracht und dabei eine Heldenstory mit bitterem Ende geschaffen, die gleichzeitig als eindringliches Plädoyer für den Frieden funktioniert.

Die „Jünger Jesu“ sind eine Diebesbande, die von den Reichen nimmt, um es den Armen zu geben. Wenn der Pfarrer zwei Decken besitzt, ist es ihrer Meinung nach nur recht und billig, ihm eine davon unter dem Hintern weg zu klauen und sie jemandem zu schenken, der nachts friert. Die jungen Robin Hoods sind Hoffnungsträger, die ihre diffusen Ideale zwischen Sozialismus und Christentum eisern hochhalten. Sieben Schülerinnen und Schüler der Klasse geben der Jugendbande ein etwas schnodderiges, quicklebendiges Gesicht und verkörpern die dringend benötigte Zukunft. Denn ein Großteil der Erwachsenen steckt noch fest im braunen Sumpf und wünscht sich den Endsieg herbei. Ebenso unbekümmert wie in die Rolle der Jünger Jesu schlüpfen die Schüler in die Identität der ewig Gestrigen, die sich in den alten Mitläufern ebenso verkörpert wie in der Gruppe gewaltbereiter, von einem Altnazi instrumentalisierter Neonazis.

Gerechtigkeit, Armut, Liebe

In dieses Nichtgleichgewicht platzt die junge Jüdin Ruth (Leonie Naujoks), die mit erstarrtem Gesicht nach Gerechtigkeit für ihre in dieser Stadt ermordeten Eltern sucht. Und da ist noch Johanna (Eva Krause), die in bitterer Armut in einem Stall lebt und sich in den GI Steve (Moritz Kleffmann) verliebt, der sich mit Deutschen eigentlich nicht abgeben darf. Zwischen den beiden entspinnt sich eine zuckersüß umgesetzte und zu Herzen gehende Liebesgeschichte. Als die Jünger Jesu beim Hehler und ehemaligen Blockwart Zwischenzahl (Julian Kurz) einbrechen und sein reich gefülltes Warenlager ausrauben, prallen Welten aufeinander. Die Guten siegen zunächst, aber dann erheben sich die alten Kräfte und machen diesen Erfolg zunichte.

Die Spielleiterin Sabine Bräuning hat die komplexe Handlung des Romans in ein äußerst reduziertes Bühnenbild eingebettet. Die Kostüme der Schauspielerinnen und Schauspieler spiegeln die bittere Armut der Nachkriegszeit in erschreckend anmutender Genauigkeit. Die Spielhandlung konzentriert sich dabei in schlaglichtartig aufeinanderfolgenden Szenen, welche die lehrstückartige, vom Speziellen ins Allgemeingültige gezogene Vorlage in ihrer Eindrücklichkeit verstärken. Eingeblendete Sprachelemente geben der Trostlosigkeit ein Gesicht und betten sich perfekt in die Handlungscollage ein. Die Schauspieler gehen mit Herzblut bis zum bitteren Ende.

Der Hehler Zwischenzahl wird von einem Richter aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ruth nimmt die Gerechtigkeit in die eigenen Hände. Das Liebespaar hat in Anbetracht der Umstände keine Chance, und sogar die Jünger Jesu geben auf. „Es gab nichts mehr zu klauen“, sagen sie. Das Stück erzählt vom Menschsein in finsteren Zeiten. Mit begeistertem Applaus bedankten sich die Zuschauer bei den Darstellern für die fabelhaft gemeisterte Aufführung. Die Spielleiterin Sabine Bräuning brachte die Brisanz des Themas zum Abschluss auf den Punkt: „Das war eine schwierige Fahrt, die einen in dieser immer chaotischer werdenden Welt gnadenlos ins Heute wirft.“