In der Nähe des Postmichelbrunnens ging bei der langen Einkaufsnacht „ES funkelt“ sogar nachts die Sonne auf. Foto: Roberto Bulgrin

Esslingen, wie es leuchtet und strahlt: Zur langen Einkaufsnacht „ES funkelt“ zeigte sich die Innenstadt am Samstagabend im besten Licht. Was es zu sehen gab – und warum Kinderbuchklassiker auf dem Flohmarkt neuerdings besonders gefragt sind.

Und sie bewegt sich doch. Oder doch nicht? Die „Schaufensterpuppe“ verharrt völlig regungslos im Fenster der Vintageboutique „Schmachtfetzen“ in der Esslinger Küferstraße. Ganz plötzlich wird sie quicklebendig. Macht einen Schritt zur Seite, einen nach links. Tänzelt, posiert, präsentiert sich. „Wir wollten Bewegung in unser Schaufenster bringen und hatten die Idee mit der lebendigen Puppe“, sagt Carolin Ziefle, die zusammen mit Johanna Hellmich die Boutique betreibt. Darum hat das Mode-Duo für einen Auftritt bei der langen samstäglichen Einkaufsnacht „ES funkelt“ Betty engagiert. Die fühlt sich im Schaufenster so pudelwohl wie in ihrem Wohnzimmer. Ihren richtigen Namen nennt sie nicht. Sonst, sagt sie, habe sie einen einen ganz normalen Schreibtischjob. Die Reaktionen der Passanten sind positiv: Sie lächeln, winken ihr zu, zeigen Betty mit dem Daumen nach oben ihre Begeisterung.

Ein paar Schritte weiter die Küferstraße hinunter, vor dem Weltladen, bestechen Papis Dahaba und Kandara Diabaté mit ihren musikalischen Fingern. Sie spielen Gitarre und Kora, eine mit beiden Händen gezupfte, afrikanische Stegharfe mit einer Kalabasse als Körper. Schwungvoll sind ihre Weisen mit einem Hauch von Sehnsucht und Melancholie. Ulrike Ehrmann von „Provinzbuch“ hat die beiden, die ursprünglich aus dem Senegal kommen, engagiert.

Klingende Doppelrolle

Um die Ecke, in der Ritterstraße, singt Timo Beyerling seine Version des Nena-Hits „Nur geträumt“. Er ist Schauspieler an der Württembergischen Landesbühne. In die Rolle als Musikus schlüpft er zum Freizeitvergnügen. In seinem letzten Stück trug er in einer Frauenrolle einen langen Rock. Das Kleidungsstück habe ihm so gefallen, dass er es nun auch bei seinem Open-Air-Auftritt in der Ritterstraße trage, erzählt er. Für ihn ist es auch Ausdruck männlichen Selbstbewusstseins: „Warum sollte ich keinen Rock tragen dürfen, nur weil ich ein Mann bin?“

Sein langer Plisseerock ist schwarz – und steht in Kontrast zu dem Stand von „Leuchtplaneten“, der zum „Lichtermarkt“ vor dem Amtsgericht in der Ritterstraße aufgebaut wurde. Ihre Outdoor-Lampen funkeln, glitzern, leuchten orange, rot, lila. Handbemalt sind die Leuchtkörper, sagt Moni Ramoni. Ihr schmeichelndes Licht verleihe dem Teint jedes Menschen um sie herum eine attraktive Urlaubsnote und halte Insekten aller Art fern. Ihre Lampen sind nicht nur Geschäft, sondern manchmal auch Privatvergnügen. Für eine Lokalbesitzerin sollte ihr Partner Olli eine Lampe mit einem Smiley kreieren. Das lächelnde Gesicht stand bis zur Auslieferung in der Wohnung der beiden – nach dem Verkauf fehlte es ihnen so sehr, dass sie eine Smiley-Lampe für sich selbst machten. Eine kleinere Version haben sie zu Hause, eine große bieten sie bei „ES funkelt“ an.

„Cleane“ Brautkleider sind gefragt

Mit Lächeln kennt sich auch Giedre Rowohlt aus. Sie betreibt einen Laden für Brautmoden auf dem Zollberg, etwa drei Viertel der Kleider sind Secondhand. Eine Auswahl zeigt sie beim Flohmarkt in der Ritterstraße. Die „cleane“ Variante, sagt sie, sei gerade besonders gefragt. Ganz schlicht, ohne Rüschen, Plüsch, Accessoires. Aufgepeppt höchstens durch ein paar Spitzen am Dekolleté. Manche Frauen kämen mit Partner zum Brautkleiderkauf. Der Aberglaube, dass das Unglück bringe, verliere an Bedeutung.

Kleider machen Leute, weiß auch Otto Huissel. In weißem Hemd und fescher Fliege dreht er neben dem Alten Rathaus vor der nun in eine Galerie umgewandelten Rat-Apotheke seinen Leierkasten. Er sei Oldtimerfan, sagt er. Als er einen Citroën Baujahr 1934 kaufen wollte, habe ihm der Besitzer gesagt, dass der Schatz auf vier Rädern nur zusammen mit der Drehorgel zu haben sei. Beide gehörten zusammen. Denn der Besitzer des Oldtimers hatte den Wagen zuvor an Brautpaare vermietet. Wenn sie aus der Kirche kamen, spielte er als romantische Unternote auf seinem Leierkasten. Otto Huissel hat ihn übernommen.

Klassiker sind gefragt

Viel wird auch von Elke Noce übernommen. Sie verkauft auf dem Nachtflohmarkt auf dem Marktplatz Bücher, auch für Kinder. Die Klassiker wie Räuber Hotzenplotz von Otfried Preußler oder Astrid Lindgren gingen immer, sagt sie. Großeltern und Eltern hätten sie verschlungen und würden sie nun dem eigenen Nachwuchs vorlesen. Auch „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ von Michael Ende wurde ihr aus den Händen gerissen. Wegen eines rassistischen Wortes im Text hatte der Verlag den Wortlaut des literarischen Evergreens verändert. Online sei sie deshalb mit Anfragen nach dem unveränderten Original überhäuft worden. Viele Menschen hätten noch die Ursprungsversion haben wollen.

Wenn Esslingen besonders funkelt

Einzelhandel
 In Esslingen werden laut City-Managerin Carina Killer zwei verkaufsoffene Sonntage pro Jahr veranstaltet – der Esslinger Frühling sowie der Esslinger Herbst am 10. November. Ergänzt werden sie durch die samstägliche lange Einkaufsnacht „ES funkelt“ immer am Samstag zum Ende der Sommerferien, die im nächsten Jahr am 13. September 2025 über die Bühne gehen wird.

Flohmärkte
 Der „Nachtflohmarkt“ auf dem Marktplatz und der „Lichtermarkt“ in der Ritterstraße mit jeweils etwa 50 Teilnehmenden, die parallel zu „ES funkelt“ organisiert wurden, sind laut Til Mähr von „ES Märkte“ auch ein Stück Nachhaltigkeit: „Hier bekommt so manches Stück ein zweites Leben und wandert nicht in Müll oder Container“. 

Veranstaltung
Der Termin von „ES funkelt“ zum Ende der Sommerferien hat sich aus Sicht von Carina Killer bewährt: „Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist der Termin fest verankert, die Esslingerinnen und Esslinger kommen nach der Urlaubszeit wieder zusammen und genießen die Zeit in der Esslinger Innenstadt.“