Kommt es erneut zu Engpässen bei bestimmten Medikamenten? Foto: picture alliance / dpa/Caroline Seidel

Freiräume zur Überwindung von Engpässen bei bestimmten Medikamenten fallen weg. Neues Gesetz kommt zu spät.

Vor dem 8. April ist vielen Apothekern ziemlich bange: Dann gelten Regeln, die aus Sicht der Pharmazeuten den Umgang mit den Lieferengpässen bei Medikamenten erschweren. Und davon werden auch viele Patienten und Ärzte betroffen sein.

Freiräume fallen weg

Der Grund: Am 7. April laufen Bestimmungen aus, die Berlin im Zuge der Corona-Pandemie eingeführt hatte. Damals ging es darum, Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren. Deshalb gab es seither pragmatische und unbürokratische Lösungen für den häufigen Fall, dass weder der Großhandel noch die Apotheke das Medikament verfügbar haben, das ein Arzt einem Patienten verordnete. Die Apotheke darf es durch ein anderes Arzneimittel mit dem rezeptierten Wirkstoff ersetzen, die Packungsgröße ändern oder Teilmengen aus Packungen abgeben – und zwar ohne dafür Rücksprache mit dem Arzt halten zu müssen. Zudem können Apotheker im Ausnahmefall auch dann so genannte Rezepturen abgeben, wenn diese nicht auf dem Rezept stehen. Diese Lösung hatte sich bewährt, als vielerorts Fiebersaft knapp war. Die Apotheke stellte den Saft selbst her und wurde dafür bezahlt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Freiräume aus der Corona-Zeit jedoch nicht fortsetzen. Vielmehr hat er ein „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ auf den Weg gebracht, das aber keinesfalls bis Anfang April in Kraft treten wird. Also gelten dann wieder die Bestimmungen aus der Zeit vor Corona. Und das heißt: Kein Austausch eines nicht lieferbaren Medikaments ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt. Halten aber die Engpässe an und fallen zugleich die Corona-Ausnahmeregeln weg, entsteht für Apotheken, Ärzte und Patienten ein riesiger Aufwand.

„Schamloser Betrag von 50 Cent“

Entweder müssen die Apotheken nach dem 7. April bei den Praxen in jedem Einzelfall anfragen. Oder die Patienten müssen sich selbst in der Praxis ein neues Rezept besorgen – also für ein Medikament, bei dem es aktuell keine Lieferschwierigkeiten gibt. Wie häufig das passieren wird, weiß niemand genau. Klar ist nach Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (ABDA) jedoch, wie die Lage zuletzt war: Jährlich habe es etwa 20 Millionen Fälle von „Nichtverfügbarkeit“ gegeben.

Dass es mühselig ist, Ersatz für fehlende Arzneien zu suchen, räumt Lauterbach ein. Er schlägt deshalb vor, dass die Apotheken einen Aufschlag von 50 Cent für die Präparate bekommen, die auf der Engpass-Liste stehen. Aus Sicht von ABDA-Chefin Gabriele Overwiening ist Lauterbachs 50 Cent-„Engpass-Ausgleich“ eine Frechheit: „Mit diesem schamlosen Betrag vergüten Sie 24 Stunden Arbeitszeit“, teilt sie dem Minister mit: „Wie soll das reichen für das ganze Engpass-Management?“ Für dieses Management bräuchten die 18 000 Apotheken mehr als 5,5 Millionen Stunden Arbeit im Jahr. Wenn man dafür einen realistischen Preis ansetze, müsse der Zuschlag 42 Mal höher liegen, sprich: bei 21 Euro.