Höhere Grund- und Gewerbesteuern sollen Löcher in Kernens Haushalt stopfen. Foto: dpa//Jens Büttner

Die Gemeinde erhöht Grund- und Gewerbesteuer – und rechnet mit 1,5 Millionen Euro mehr in der Kasse. Wird das Leben in Kernen damit teurer als andernorts?

Für das Haushaltsjahr 2023 rechnet Kernen mit kurzfristig einzuplanenden Mehrausgaben von gut zwei Millionen Euro. Rund 1,5 Millionen sollen laut Beschluss des Gemeinderats in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr durch die Erhöhung von Grund-und Gewerbesteuer um jeweils 60 Punkte ausgeglichen werden. Mit Hebesätzen von 385 Prozent bei den Grundsteuerarten A und B sowie 400 Prozent bei der Gewerbesteuer liegt die Kommune aber nach wie vor eher am unteren Ende der Skala in der näheren Umgebung. Die letzte Erhöhung, so sagte der Bürgermeister Benedikt Paulowitsch, datiere aus dem Jahr 2014.

Kommune muss eigene Einnahmen erhöhen

Bei den Hebesätzen gehöre Kernen seit Längerem zu den Schlusslichtern im Rems-Murr-Kreis, so Paulowitsch. Trotzdem falle die Entscheidung ihm und den Mitgliedern des Gremiums schwer: „Wir wissen natürlich, dass weitere Kostensteigerungen für Betriebe und Privatpersonen in diesen Zeiten weh tun.“ Die Kommune habe jedoch schon wegen der Coronapandemie lange auf eine fällige Erhöhung verzichtet. „Angesichts der enormen krisenbedingten Kostensteigerungen müssen wir jetzt auch bei den Einnahmen reagieren.“

In den Wochen zuvor hat in Kernen bereits die Haushaltsstrukturkommission von Verwaltung und Gemeinderat getagt und sich dabei zunächst auf Einsparungen in Höhe von etwa 400 000 Euro verständigt. Der Hintergrund ist, dass den Kommunen zwar erlaubt ist, für Investitionen Kredite aufzunehmen. Der sogenannte Ergebnishaushalt, der den laufenden Geldverbrauch abbildet, muss jedoch ausgeglichen werden. Gelingt dies nicht, haben die Kommunen laut der geltenden Haushaltsregeln drei Jahre Zeit, den Ausgleich nachzuholen.

Noch mehr krisenbedingte Ausgaben erwartet

Die Gemeinde rechnet mit hohen krisenbedingten Ausgaben. Dazu gehören nicht nur die zahlreichen Maßnahmen zur Unterbringung Geflüchteter. Laut Hochrechnungen steigen auch die Energieausgaben in den kommunalen Gebäuden trotz der gesetzlichen Bremsen voraussichtlich um rund 680 000 Euro. Auch die Kreisumlage fällt um 700 000 Euro höher aus, als ursprünglich erwartet. Wegen der Inflation rechnet das Rathaus mit einer Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst von acht Prozent. Dies zieht demnach gut 800 000 Euro an Mehrausgaben nach sich. Weitere krisenbedingte Änderungen seien nicht auszuschließen, befürchtet der Kämmerer. Und selbst ohne die Kriseneffekte stehe bereits fest, dass Kernen im kommenden Jahr unter dem sogenannten kommunalen Finanzausgleich leiden wird.

Die erwarteten Zusatzeinnahmen durch die Steuererhöhung beziffern sich laut der Kernener Kämmerei auf rund 1,5 Millionen Euro. Die Belastungen von Grundstückseigentümern, vor allem bei der Grundsteuer B, steigen im Durchschnitt um 50,88 Euro pro Jahr. Bei den Landwirtschaftsflächen, also der Grundsteuer A, liegt dieser Durchschnittsbetrag bei 12,48 Euro.

30 Prozent der Betriebe nicht betroffen

Bei der Gewerbesteuer sind laut Verwaltung etwa 30 Prozent der Betriebe von der Erhöhung um 60 Punkte auf 400 Prozent nicht betroffen. Bei weiteren 30 Prozent bewegen sich die Belastungen im Durchschnitt bei 300 Euro im Jahr. Weitere 30 Prozent der Betriebe müssen wohl etwa 1500 Euro mehr bezahlen. Bei den größten zehn Prozent der Unternehmen beginnen die Mehrbelastungen bei rund 4500 Euro im Jahr.

Mit Hebesätzen von 385 Prozent bei den Grundsteuern und 400 bei der Gewerbesteuer liegt Kernen zwar höher als Waiblingen mit 330 beziehungsweise 390 Prozent. Weinstadt und Winnenden liegen allerdings mit 375 und 380 Prozent bei der Grundsteuer fast gleichauf und bei der Gewerbesteuer mit 450 und 420 Prozent deutlich höher.

Spielraum der Kommunen

Grundsteuer
 Die Grundsteuer ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum von Grundstücken und deren Bebauung. Die Steuereinnahmen kommen den Kommunen zugute, die auch die Höhe der Steuer durch den Hebesatz festlegen.

Hebesatz
 Der Hebesatz bestimmt, mit welchem Prozentsatz des Steuermessbetrags, der sich am kommunal festgelegten Einheitswert des Grundstücks orientiert, die Grundsteuer zu erheben ist.