Rainer Roos, Sonam Sangmo und Ulrike Roos (von links) arbeiten in der Praxis gut zusammen. Foto: Ines Rudel

Sonam Sangmo, die Patentochter des Zahnarztes Rainer Roos, arbeitet jetzt in dessen Praxis in Neuhausen. Das findet die 29-Jährige spannend. Sie will sich in Deutschland zur Kieferorthopädin weiterbilden lassen will.

Menschen am Himalaya, die keinen Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung haben, unterstützen der Zahnarzt Rainer Roos und seine Frau Ulrike seit 1999. Mit ihrer mobilen Praxis waren sie in den Sommermonaten jahrzehntelang in unwegsamem Gebiet unterwegs, um kranken Menschen zu helfen. Später haben sie eine Zahnklinik aufgebaut, die inzwischen erfolgreich arbeitet. Bei einem ihrer ersten Besuche lernten sie ihre Patentochter Sonam Sangmo kennen. Die 29-Jährige ist inzwischen selbst Zahnärztin, und macht in der Praxis in Neuhausen ihre Anerkennung.

Seit Oktober arbeitet die 29-Jährige in der Praxis in Neuhausen mit. An der Universität in Neu Delhi studierte sie Zahnmedizin, schnitt als Zweitbeste ihres Jahrgangs ab. Ihr Vater leitet die Bright Mountain Dental Clinic. Was bewog die junge Frau dazu, in Deutschland die Anerkennung zur Zahnärztin zu machen? „Für Frauen ist es schwer, in Indien als Zahnärztin Fuß zu fassen“, sagt Sonam Sangmo. Zumal ihr Status als Tibeterin den Berufsstart erschwere. Da habe sie die Chance, bei ihrem Patenonkel zu lernen, gerne ergriffen. Vor dem Spagat, in einer anderen Kultur zu arbeiten, ist ihr nicht bang.

Wichtig ist der jungen Zahnärztin, Deutsch zu lernen. „Hier wird viel mit den Patienten geredet, um sie optimal behandeln zu können“, sagt Sonam Sangmo. Das sei in Indien ganz anders. Da liege der Schwerpunkt auf den reinen Behandlungsschritten. Aber dazu sei es wichtig, die Sprache zu lernen und zu üben, um auch die Zwischentöne zu verstehen. Da helfen ihr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis von Rainer Roos im Arbeitsalltag.

Und die junge Frau, die jetzt über den Behandlungsräumen in der Gartenstraße lebt, büffelt die deutsche Sprache auch in ihrer Freizeit. Auch die Fachsprache muss sie lernen. Damit ihre Ausbildung hier anerkannt wird, hat sie manche Hürden zu meistern. Doch die 29-Jährige blickt positiv in die Zukunft. „Sie ist so zielstrebig und wird erreichen, was sie möchte“, ist Ulrike Roos überzeugt. Bei der Finanzierung ihres Studiums halfen die Mitglieder des Rotary Clubs Stuttgart-Filder. Dafür ist Sangmo dankbar. Sie pflegt den Kontakt und berichtet regelmäßig über das, was sie erreicht. Ihr nächstes Ziel ist die Weiterbildung zur Kieferorthopädin.

Den Bau der Zahnklinik in Ladakh haben Arbeiter 2017 gut gemeistert. Foto: privat

Ihr Vater betreibt die Zahnklinik in Ladakh. Dort hat Sangmo bereits mitgearbeitet. „Hilfe zur Selbsthilfe leisten“, das wollte das Ehepaar Roos mit dem Aufbau der Klinik in Ladakh. Denn die Zahnhygiene sei in Indien lange nicht so gut entwickelt wie in Deutschland. Da wollte der Mediziner Rainer Roos auch Aufklärungsarbeit leisten. „Aber das genügt nicht“, hat er schnell erkannt. Deshalb brachte er den Bau der Klinik auf den Weg, sammelt Spenden und sucht Sponsoren. In dem Bergland im indischen Himalaya, auch „Klein-Tibet“ genannt, lebt der Dalai Lama. 2016 traf Roos das geistige Oberhaupt der Tibeter. „Er hat mich beeindruckt“, schwärmt der deutsche Zahnarzt noch heute. Die Audienz zu bekommen, das hat ihm sehr viel bedeutet. Tenzin Gyatso versammle bei seinen Teachings bis zu 120 000 Menschen, die er inspiriere. Das der Dalai Lama die moderne Zahnklinik für tibetische Patientinnen und Patienten unterstützt, freut den Zahnarzt aus Neuhausen.

Medizinische Behandlung auch im Hinterland

Den Menschen im „Land der hohen Pässe“ zu helfen, das war für das Ehepaar Roos nicht immer leicht. Neben ihrer Praxis in Neuhausen, die sie gemeinsam leiten, haben sie auch die Bright Mountain Dental Clinic aufgebaut. „Ein sehr hoher Prozentsatz leidet unter Hepatitis“, sagt Roos. Deshalb würden sie von indischen Zahnärzten oft nicht behandelt, weil die medizintechnischen und hygienischen Möglichkeiten fehlten. Das bedeute für viele qualvolle Schmerzen. Für westliche Mediziner sei die Behandlung aber kein Problem, da die Hygiene strengstens eingehalten wird. Deshalb wollten Roos und seine Team Entwicklungshilfe leisten. „Die Praxis ist viel moderner als vergleichbare Einrichtungen in der Gegend“, sagt Sonam Sangmo. Für die Ärzte wie für die Patienten sei das ein großes Plus.

Dass ihre Arbeit so schöne Früchte getragen hat, freut Rainer und Ulrike Roos. Nun möchten die beiden kürzer treten und auch mal an sich denken. „Es gibt so viele Länder, die wir noch nicht gesehen haben.“ Den Kontakt zur Praxis in Ladakh wollen sie aber weiter halten. „Das ist für uns Familie“, sagt Ulrike Roos. Das ihre Patentochter nun den Alltag mit ihnen teilt, freut das Ehepaar sehr.

Zahnklinik im „Land der hohen Pässe“

Die Klinik
Die Bright Mountain Dental Clinic mitten im Gebirge wurde ab 2016 neben dem Palast des 14. Dalai Lama gebaut, der 1959 wie viele seiner Landsleute aus Tibet fliehen musste. Im Frühjahr 2017 wurde die Holzkonstruktion samt technischer Ausrüstung aus Neuhausen in Container verladen und nach Indien transportiert. Mit einem Team von Handwerkern und anderen Fachleuten haben Roos und seine Mitstreiter die Arbeiten in kurzer Zeit gestemmt.

Die Region
Das ehemalige Königreich Ladakh in Nordindien war einst ein unabhängiges buddhistisches Königreich. Heute leben dort zwischen den Gebirgsketten des Himalaya 290 000 Menschen. Viele von ihnen sind Flüchtlinge aus Tibet. Dass sie jemals dorthin zurückkehren könnten, ist nicht absehbar. Sie haben die tibetisch-buddhistische Kultur in Ladakh mit ihrer Lebensform aber entscheidend geprägt. Deshalb wird es im Volksmund „Klein-Tibet“ genannt. Eine Haupteinnahmequelle ist heute der Tourismus. In der Hauptstadt Leh gibt es ein SOS-Kinderdorf. In Ladakh hat der Dalai Lama seine Sommerresidenz.