Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hat im Feuerbacher Waldgebiet eine Fliegerbombe entschärft. Obwohl die Blindgänger 80 Jahre alt sind, geht von ihnen noch immer eine große Gefahr aus. Vor Ort stellte sich heraus, dass die Bombe eine verheerende Besonderheit hat.
So schnell bringt Christoph Rottner und sein Team wohl nichts aus der Ruhe. Eigentlich sollte die Fliegerbombe, die in einem Waldstück in der Nähe des Feuerbacher Höhenwegs gefunden wurde, am Montag gegen 11.30 Uhr bereits entschärft sein. Weil sich jedoch vor Ort herausstellte, dass ein chemischer Langzeitzünder verbaut war, brauchten die Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts Baden-Württemberg (KMBD) rund eine Stunde länger als ursprünglich vorgesehen. Im Gegensatz zu mechanischen Zündern ist er so konzipiert, dass er nicht beim Aufschlag detonieren soll, sondern erst Stunden danach, beispielsweise um Lösch- und Bergungsarbeiten zu verhindern.
Bombe in günstiger Lage
„Der Zünder ist selten“, sagt der 59-Jährige. Es sei Abwägungssache, ob man ihn ausbaut oder den Blindgänger, abgedeckt unter einem schweren Wasserkissen, stattdessen kontrolliert sprengt. „Weil die Bombe günstig lag, haben wir uns fürs Entschärfen entschieden.“ Wie sie dabei genau vorgegangen sind, verrät Rottner, der seit mehr als drei Jahrzehnten als Feuerwerker im Einsatz ist, nicht. Nur so viel: „Es gehört viel technische Kenntnis und Übung dazu.“ Und natürlich brauche man Geduld. „Aber braucht man die nicht eigentlich in jedem Beruf?“
Dass sich Fehler wohl gravierender auswirken können als an manch anderem Arbeitsplatz, ist den Fachleuten des KMBD aber durchaus bewusst. Obwohl die 250 Kilogramm schwere, britische Fliegerbombe seit circa 80 Jahren im Gewann Lemberg rund eineinhalb Meter tief im Waldboden lagerte, wäre ihre Sprengwirkung noch immer immens gewesen. „Bombenmunition ist immer gefährlich. Eine Explosion hätte ein zehn bis zwölf Meter großes Loch in den Waldboden gerissen.“ Teile der Bombe hätten durchaus mehrere Hundert Meter weit fliegen können.
400 Meter große Sperrzone
Um sicherzustellen, dass sich während der Entschärfung weder Jogger noch Spaziergänger in der Nähe befanden, wurde das Waldgebiet im Vorfeld weiträumig gesperrt. Dazu radelte die Fahrradstaffel unter anderem die Wege ab. Auch eine Drohne mit Wärmebildkamera war in der Luft. Weil es auch theoretisch möglich gewesen wäre, dass im Fall einer Explosion Splitter im angrenzenden Wohngebiet landen, wurde in einem Radius von 400 Metern um die Fundstelle eine Sperrzone eingerichtet, sprich: Teile des angrenzenden Wohngebiets geräumt. Rund 50 Beamte waren dazu zwischen 9 und 10 Uhr im Gebiet links von der Leobener Straße beziehungsweise dem Bosch-Standort Feuerbach unterwegs. Sie gingen von Haustür zu Haustür, klingelten aber meist vergeblich. Der Großteil der Anwohner – etwa 340 waren betroffen – konnte nicht angetroffen werden. „Viele sind wohl im Urlaub oder schon bei der Arbeit“, sagt Polizeisprecherin Charlotte Weller. Andere hatten das schöne Wetter genutzt, um mit ihren Hunden eine größere Runde zu drehen oder um einen Ausflug zu machen. Die Sommerferien spielten den Einsatzkräften auch an anderer Stelle in die Karten: Unter anderem mussten die Hattenbühl-Schule und eine Kindertagesstätte nicht geräumt werden. „Insgesamt verlief die Evakuierung sehr entspannt.“
Gänzlich unvorbereitet traf die Sperrung Rolf Zielfleisch, der am Montagvormittag in seinen Garten wollte, um Zwetschgen zu pflücken. „Ich bin erst grad aus dem Urlaub zurückgekommen, habe nichts von der Entschärfung mitbekommen.“ Der Vorsitzende des Vereins Schutzbauten Stuttgart, der sich der Geschichte des zivilen Luftschutzes im Zweiten Weltkrieg widmet, nahm es gelassen, dass er seine Pläne um rund drei Stunden verschieben musste. „Aufgrund der Nähe zu Bosch sind hier im Zweiten Weltkrieg viele Fliegerbomben abgeworfen worden“, so Zielfleisch, der im Bunkermuseum in Feuerbach mehrere Blindgänger ausgestellt hat.
Dritte Fliegerbombe in diesem Jahr in Stuttgart entschärft
Die Fliegerbombe, die am Montagmittag im Waldgebiet entschärft wurde, wird wohl nicht in die Sammlung aufgenommen. „Sie wird im Depot des Kampfmittelbeseitigungsdiensts eingelagert“, sagt Rottner. Auf die Spur des Sprengkörpers sei man wie so oft bei Sondierungsmaßnahmen mithilfe von Radaraufnahmen gestoßen.
Es ist bereits die dritte Fliegerbombe, die in diesem Jahr in Stuttgart entschärft worden ist. Mitte Februar hatten die Feuerwerker des KMBD im Greutterwald zwischen Stuttgart-Weilimdorf und Zuffenhausen gleich zwei Blindgänger auf einen Streich unschädlich gemacht. Auch damals handelte es sich um 250 Kilogramm schwere Fliegerbomben. Sie waren jedoch jeweils mit mechanischen Aufschlagzündern versehen.