Das Gasnetz soll künftig wasserstofftauglich sein. Foto: /Rupert Oberhäuser

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Doch beim Hochfahren der Produktion gibt es noch viele Probleme.

Wasserstoff ist die Lösung für viele Probleme. Der Grund: seine Verwendungsmöglichkeiten scheinen schier endlos. Die chemische Industrie und die Stahlhersteller hoffen auf eine klimaneutrale Möglichkeit, ihren großen Energiehunger zu stillen. Er kann aber zur auch Speicherung etwa von Sonnen- oder Windenergie genutzt werden. Zudem sind mit Wasserstoff angetriebene Fahrzeuge bereits auf den Straßen unterwegs.

Diese Vorteile kennt natürlich auch die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und setzt beim geplanten Umbau in Richtung „saubere Industrie“ auf den massiven Einsatz von Wasserstoff. Das hat sie nach der Bestätigung der neuen Kommissare durch das Europaparlament am Mittwoch in Straßburg ausdrücklich betont. Unternehmen sollen bei ihrer Produktion Öl und Gas durch Wasserstoff ersetzen. Dafür soll auch Geld aus einem „Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit“ fließen.

Ziel aus den Augen verloren

Allerdings hat die EU-Kommissionschef am Beginn ihrer ersten Amtszeit vor fünf Jahren den Wasserstoff schon einmal zum Hoffnungsträger der von ihr ausgerufenen Energiewende auserkoren – und das Projekt nach dem ehrgeizigen Start dann wieder aus den Augen verloren. So warnt etwa der EU-Rechnungshof, dass die von der EU-Kommission ausgegebenen Ziele zur Erzeugung und zum Import von grünem Wasserstoff voraussichtlich nicht erreicht würden. Zwar habe die Kommission richtige Schritte unternommen auf dem Weg zu einem gerade erst entstehenden Markt für erneuerbaren Wasserstoff, urteilen die EU-Prüfer. Allerdings gebe es entlang der gesamten Wertschöpfungskette noch zu viele Probleme. Die Prüfer fordern die Kommission deshalb auf, ihre Wasserstoffstrategie zu aktualisieren.

So sei die Europäische Kommission schon bei der Festlegung der Ziele für die Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff zu ehrgeizig gewesen, monieren die Prüfer. Bis 2030 sollen zehn Millionen Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt und zehn Millionen Tonnen importiert werden. Diese Ziele hätten aber nicht auf einer soliden Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet gewesen, so der Rechnungshofs. In der Analyse gehen die Fachleute davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts nicht einmal zehn Millionen nachgefragt werden.

Zentraler Grund für die Probleme beim Markthochlauf sind nach Aussagen aus der Wirtschaft zu viele und zu verwirrende Regelungen. „Die EU-Vorgaben zur Produktion von grünem Wasserstoff müssen dringend angepasst werden“, betonte Geert Tjarks, Geschäftsführer des niedersächsische Energieunternehmens EWE, jüngst auf einer Fachtagung in Brüssel. Diese Vorgaben erhöhten derzeit die Produktionskosten um über 50 Prozent, da zum Beispiel Unternehmen ab 2028 fast ausschließlich Strom aus neuen, nicht geförderten Wind- oder Solaranlagen beziehen müssten. EWE forderte daher eine schnelle Anpassung der Regeln, um eine flexible und kostengünstige Wasserstoffproduktion in Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien zu ermöglichen.

Auch der Europaparlamentarier Bernd Lange kritisierte bei der Fachtagung in Brüssel, dass das wichtige Thema Wasserstoff „nach einem ersten Hype etwas in Vergessenheit geraten ist“. Er fordert ebenfalls, die Förderpraxis grundsätzlich zu durchforsten. Zudem warnt der SPD-Politiker, die bereitgestellten Subventionsmilliarden auf zu viele Projekte zu verteilen. „Wir müssen gezielt einige wichtige Projekte unterstützen“, sagte Lange. Auch müsse unbedingt gesamteuropäisch gedacht werden. Es könne nicht angehen, dass einige wenige Staaten ihre Versorgungsinfrastruktur aufbauen würden und andere abgeschnitten seien.

Leuchtturmprojekt in der Lausitz

Eines der Leuchtturmprojekte in Europa soll nach Angaben der EU-Kommission das Kraftwerk Boxberg des Energieunternehmens LEAG im sächsischen Teil der Lausitz sein. Noch wird das Kraftwerk mit Braunkohle befeuert, doch in Zukunft sollen gewaltige Batteriespeicher überschüssigen Strom aufnehmen, der durch Wind- und Photovoltaikanlagen erzeugt wird, die überwiegend auf dem Gelände des dann renaturierten Braunkohle-Tagebaus stehen. Nächster Baustein wird dann ein Elektrolyseur mit 110 Megawatt (MW) zur Herstellung von Wasserstoff sein. Das heißt: In Spitzenzeiten wird überschüssiger Wind- und Solarstrom in Wasserstoff gespeichert, bei Flauten wird Wasserstoff zur Stromerzeugung genutzt. Schon 2028 soll der im neuen Kraftwerk in Boxberg erzeugte Wasserstoff den ersten grünen Strom liefern.

Um das Hochfahren der Wasserstoffproduktion weiter zu beschleunigen, kündigte jüngst auch die staatliche Förderbank KfW ein neues Finanzierungsinstrument zum Aufbau des deutschen Verteilnetzes an. Die Mittel sollen vor allem die Schwierigkeiten bei den energieintensiven Unternehmen abfedern. Die Bank stellt ein Darlehen in Höhe von 24 Milliarden Euro zur Verfügung, mit dem die Anlaufverluste der privaten Netz-Investoren ausgeglichen werden sollen. Bis 2032 soll nach den Plänen der Bundesregierung ein Netz mit einer Gesamtlänge von 9040 Kilometern geschaffen werden. Dafür werden bestehende Erdgasleitungen umgewidmet und neue Wasserstoffpipelines gebaut. Die Finanzierung soll privat erfolgen, wird aber von der Bundesregierung gefördert. Die Geldgeber müssen zu Beginn hohe Investitionen stemmen, während die Netzentgelt-Einnahmen durch die Bundesnetzagentur gedeckelt sind. Hier soll der Ausgleichsmechanismus über das von der KfW gespeiste Konto greifen. Bei später steigenden Einnahmen sollen dann Mittel auf dieses Konto zurückfließen.