Der Kirchturm der Stephanuskirche in Echterdingen wird nur noch bis 21 Uhr und morgens gar nicht mehr angestrahlt – um Energie zu sparen und um ein Zeichen zu setzen. Foto: Natalie Kanter

Der Klimawandel und die Energiekrise zwingen zum Umdenken. Das betrifft auch Kirchengemeinden. Mancherorts werden im Winter keine Gottesdienste in den Kirchen gefeiert.

Einerseits ist die Bewahrung der Schöpfung ein urchristliches Thema. Andererseits sind gerade große Kirchen oft wahre Energieschleudern. Hinzu kommt, dass sie nur selten gut besucht sind. Will man immerzu eine angenehme Grundtemperatur haben, kostet das viel Geld und Energie. Doch sie allein für den sonntäglichen Gottesdienst aufzuheizen, geht nicht, weil dann Kunstwerke und Orgeln Schaden nehmen könnten. Darum bleiben in diesem Winter viele Kirchen nicht durchgehend warm, sondern durchgehend kalt – so zum Beispiel in der katholischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Vaihingen.

Ganz so weit möchte man in der katholischen Gesamtkirchengemeinde in Filderstadt nicht gehen. Aber das Thema Nachhaltigkeit steht auch dort immer wieder auf der Tagesordnung des Kirchengemeinderats. „Wir haben uns ein gutes Konzept überlegt, um Energie zu sparen, ohne die Leute zu vergraulen“, sagt der Pastoralreferent Reinhold Walter. So würden die beiden Kirchen nur noch auf maximal 18 Grad geheizt. Zudem werden nicht alle Kirchenbänke beheizt; die warmen Bänke sind markiert. Die Beleuchtung sei auf die Hälfte reduziert, und keines der Kirchengebäude werde nachts noch angestrahlt. „Mittelfristig müssen wir natürlich alle Kirchengebäude noch einmal im Hinblick auf Nachhaltigkeit überprüfen“, sagt Reinhold Walter. Dabei gehe es unter anderem um die Heizung, um Dämmung und um weitere Photovoltaik-Anlagen.

Aber die Filderstädter Gesamtkirchengemeinde will auch an ihre Mitglieder denken. Denn da gebe es durchaus einige, die unter den gestiegenen Lebensmittelpreisen und Energiekosten extrem litten, betont der Pastoralreferent. Für sie wolle man von Mitte Dezember an in der Liebfrauengemeinde einmal in der Woche einen Mittagstisch anbieten. Dabei gehe es freilich vor allem um Geselligkeit. Für manche Gemeindemitglieder sei es aber auch eine Möglichkeit, sich aufzuwärmen, wenn das Geld für das Heizen der eigenen Wohnung nicht mehr reiche. Zwar sei es auch in dem Gemeindezentrum nicht mehr so warm wie früher. Aber es gebe eine zusätzliche Heizung, die eingeschaltet werden könne, wenn Gruppen den Raum nutzen, erklärt Reinhold Walter.

Drei Monate lang kein Gottesdienst in der Stephanuskirche

Auch die evangelische Kirchengemeinde in Echterdingen hat sich Gedanken gemacht. Im Oktober beschloss der Kirchengemeinderat, „angesichts der drastisch gestiegenen Energiekosten für diesen Winter eine Winterkirche einzuführen“. So steht es im Newsletter. Insbesondere für die Stephanuskirche seien die Energiekosten extrem hoch. Sie hätten bisher schon etwa 10 000 Euro im Jahr betragen, nun müsste mit einer Verdreifachung gerechnet werden. Darum werden nach dem Weihnachtsfestkreis, also vom 8. Januar an, bis einschließlich Palmsonntag am 2. April in der Stephanuskirche keine Gottesdienste mehr gefeiert. Diese finden ausschließlich im Gemeindezentrum West statt. Ein Fahrdienst wird eingerichtet. Zudem wird der Kirchturm der Stephanuskirche nur noch bis 21 Uhr und morgens gar nicht mehr angestrahlt. So hat es die Kirchengemeinde mit der Stadt besprochen. „Diese Maßnahme wird nicht viel Energie einsparen, ist aber ein deutliches Zeichen: Es gehen nicht die Lichter aus. Gleichwohl, ein Einfach-so-Weitermachen, als sei weltpolitisch nichts geschehen, kann es nicht geben“, heißt es dazu im Newsletter.

Winterkirche auch in Leinfelden

Eine Winterkirche gibt es auch in der evangelische Kirchengemeinde Leinfelden, und zwar von November bis Februar. „Es ist das erste Mal in unserer Kirchengeschichte“, sagt der Pfarrer Martin Weinzierl. In diesen Monaten feiert die Gemeinde die Gottesdienste im Dietrich-Bonhoeffer-Haus statt in der Peter-und-Paul-Kirche beziehungsweise im Pavillon in Oberaichen statt in der Friedenskirche. Ausnahmen gibt es für die hohen Feiertage wie den Ewigkeitssonntag und Weihnachten.

Zudem habe die Gemeinde mittlerweile zwei Photovoltaik-Anlagen: eine auf dem Dach des Pfarrhauses in Oberaichen und eine auf dem Dach des 2021 energetisch komplett sanierten Pfarrhauses in Leinfelden. Dort gebe es seit diesem Jahr sogar einen Stromspeicher und eine Strom-Cloud, um den eigenen Strom zu nutzen.

Energiesparmaßnahmen der Kirchen

Stadtdekanat Stuttgart
Das katholische Stadtdekanat Stuttgart hat sich das Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein. Seit September gibt es im Dekanat mit Christian Hager einen eigenen Umweltbeauftragten. Er berät die Gemeinden, wo kurzfristig Energie gespart werden kann und welche technischen Maßnahmen langfristig zu mehr Umweltschutz beitragen. Dazu gehöre eben auch, die Kirchen in diesem Winter weniger oder nicht zu heizen oder für den Werktagsgottesdienst ins Gemeindehaus zu gehen, wird Hager auf der Internetseite des Dekanats zitiert.

Diözese Rottenburg Stuttgart
Der Diözesanbaumeister Thomas Schwieren hat vor Kurzem die Energiedatenauswertung der rund 5700 kircheneigenen Gebäude der Diözese vorgestellt. Die für 2020 geplante Emissionseinsparung um 15 Prozent habe die Diözese leider nicht geschafft – sei aber mit zwölf Prozent nicht weit davon entfernt gewesen. Die Diözese will bis 2040 klimaneutral sein. Außerdem hat die Diözese eine neue „grüne“ Bauordnung, die an verschiedenen Punkten ansetzt, wie der Reduzierung beheizter Flächen, Energiemanagementsystemen, Holzbauweisen und Solaranlagen.