ZDK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Foto: Max Kovalenko/Max Kovalenko

Beim traditionellen Osterempfang der katholischen Kirche im Kursaal von Bad Cannstatt lässt die Festrednerin und ZDK-Präsidentin Irme Stetter-Karp viele Zuhörer ratlos zurück.

Was die Gäste beim Osterempfang der katholischen Kirche in Stuttgart erwarten dürfen, war in den vergangenen Jahren ein wiederkehrendes Ritual: eine spritzige Eröffnungsrede von Stadtdekan Christian Hermes, hochkarätige Gäste aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft und schließlich einen herausragenden Ehrengast inklusive dessen exzellenten Vortrags. Dass nebenbei auch ausgesuchte Musik gespielt wird, gehört gewissermaßen zum guten Ton.

Katholikentag spielte keine Rolle

Auch an diesem Dienstagabend spiegelte dieses Programm die Erwartungshaltung der Gäste im Kursaal von Bad Cannstatt. Hermes schaffte es wieder kritische und relevante Themen wie den Krieg mit leichten Momenten zu verbinden und leitete geschickt auf Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZDK) und Gastgeberin des nahenden 102. Deutschen Katholikentags, über. Sie sollte auf das Großereignis vom 25. bis 29. Mai in der Stadt Lust und Werbung machen.

Stattdessen kam alles ganz anders. Die ZDK-Präsidentin schaffte es in ihrem knapp 50-minütigen Vortrag das Wort Katholikentag kein einziges Mal zu erwähnen. Sie ließ eine Saudade erklingen, ein Urbi et Orbi voller Weltschmerz, Wehmut und (Selbst-)Anklage. Im Zentrum standen vier Themen: Die römisch-katholische Kirche und deren scheinbar unaufhaltsamer Niedergang, der Klimawandel, Corona und die gesellschaftlichen Folgen sowie der Themenkomplex Flucht/Migration/Rassismus. Allesamt schwere Themen, die den Zuhörern in Stetter-Karps Auslegung beinahe jede Hoffnung auf ein gutes Morgen raubte. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man den Gesprächen beim anschließenden Imbiss lauschte.

Die Kirche sei „aus der Zeit gefallen“

Doch zur Sache – zum Kirchenbild der ZDK-Präsidentin: Sie meint ihre Kirche wirke für viele als „unreif und eher als Angstraum, denn als Raum, der nach Befreiung schmeckt“. Und natürlich stehe die heilige Mutter Kirche „unter dem schweren Vorbehalt des Missbrauchsskandals“. Dies wirke nachhaltig. Und „wer kann hier noch von froher Botschaft sprechen? Wer soll daran glauben angesichts der Fratze?“ Immer weniger, wie Stetter-Karp mit Austrittszahlen belegt, die bis ins Kernmilieu durchgreifen würden: „Wir erodieren in einem rasanten Tempo. Da hilft kein Wegsehen.“ Die vermeintliche Ursache: „Kirche wirkt nach außen über die Maßen selbstreferenziell und kontaktlos – fremd und aus der Zeit gefallen.“

Der Missbrauchsskandal wirkt nachhaltig

Ein Sittenbild, in dessen tristen Farben Irme Stetter-Karp auch die übrigen Themen ihres Vortrags mit dem Titel „Erinnerungen an Morgen: eine Reise in die Zeit“ malte. Wie gesagt: mit diesem Situationsbericht zu Kirche und Gesellschaft irritierte sie viele Zuhörer. Manche, wie die Stadträtin Rose von Stein (Freie Wähler) blieben gar ratlos zurück. Nur eine langjährige Weggefährtin von Irme Stetter-Karp versuchte indes, Verständnis für die Festrednerin zu wecken. Als schwäbische Land-Kind aus der Nähe von Ellwangen habe sie den rauen Charme dieser Landschaft angenommen. Mit elf Geschwistern aufgewachsen, habe sie sich stets behaupten müssen. Dieser Durchsetzungswillen gepaart mit einem scharfen Verstand mache Irme Stetter-Karp zu dem, was sie an diesem Abend war: einen Mensch der Dinge ungeschminkt beim Namen nennt.

Und den Fauxpas, den Katholikentag schlicht nicht erwähnt zu haben, bügelte der Vorsitzende des Dekanatsrats, Andreas Bouley, am Ende aus: „Ich hoffe, dass vom Katholikentag ein starkes Signal ausgeht.“