Brachiale Energie: James Hetfield (links) und Robert Trujillo lassen es krachen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

StuttgartMetallica sind eine der am meisten verehrten Hardrock-Bands. Das Quartett um James Hetfield hat seit seiner Gründung 1981 die Musikwelt verändert. Die Kalifornier aus San Francisco sind längst die heiligen Paten des rasanten und rabiaten Thrash-Metal, längst ihr eigenes Genre und eine der wenigen verbliebenen massenkompatiblen und Generationen übergreifenden Bands auf diesem Erdball.

Seit dem letzten Stuttgarter Gastspiel 2009 hat Metallica das eh schon brutale Spiel noch verstärkt. In der restlos ausverkauften Schleyerhalle zeigen die vier Mannen mehr Ausdauer als die meisten Formationen in ihrem Alter. Metallica sind ohne Zweifel in eine neue Ära eingetreten, was sich in der fantastischen, 140 Minuten langen Show widerspiegelt, die eines Tages vielleicht als Live-Kulminationspunkt ihrer großen Karriere gelten wird. Die knapp 15 000 Fans können jedenfalls nicht genug kriegen von der brachialen, energetischen Melange aus Thrash Metal, Hard Rock und grellem Punk, den Metallica in einer Reinheit wie nie in drei Jahrzehnten zelebrieren. Die Fans wollen heavy, und sie bekommen heavy. Die Schleyerhalle erlebt ein apokalyptisches Inferno der Metal-Großartigkeit. Größer. Am größten. Monströs. Metallica eben.

Multimedia-Overkills

Wie ein Monolith thront die puristisch weiße 360-Grad-Bühne mitten im Zentrum und ermöglicht maximale Sicht aus jedem Hallenwinkel. Gleichzeitig erzeugt sie eine verblüffende Präsenz. Über der Bühne hängen rund 50 Würfel aus LED-Schirmen mit unterschiedlicher Leucht- und Videostrahlkraft, die sich in allen Variationen senken und heben. Das schafft visuell atemberaubende Multimedia-Overkills. Man kann sich einfach nicht sattsehen. Überdies ist der Rammbock-Sound von unfassbarer Wucht und gleichzeitiger unglaublicher Brillanz, so dass einem die Hochdezibel-Orgie die Ohren abrasiert und doch nicht auf die Ohren geht.

Die Band eröffnet ihr Überwältigungs-Spektakel mit zwei Songs vom noch immer aktuellen Album „Hardwired…To Self-Destruct“ von 2016. Bereits mit dem Opener, dem stakkatoartigen Dampfhammer-Titeltrack „Hardwired“, springen sie einem mit ausgefahrenen Krallen direkt ins Gesicht, bevor sie das hymnenähnliche „Atlas, Rise!“ nachziehen, das sie ebenfalls in prügelnder Härte herunterdreschen. Was für eine Eröffnungsexplosion! Das Album ist ihr bestes seit 20 Jahren, mit kurzen, prägnanten Songs, die alles vereinen, was Metallica ausmacht: heavy Riffs, verzerrte Gitarren, schnelle Rhythmuswechsel und düstere Texte. Deshalb spielen sie weitere Songs daraus, die sich wie perfekt sitzende Puzzleteile der Setliste einfügen. „Halo on Fire“ rangiert live (fast) in einer Liga mit „Through The Never“. Bei „Moth Into Flame“ schwirren immer mehr leuchtende, aus dem Bühnenboden emporsteigende Mini-Drohnen wie ein Schwarm aufgeregter Motten über der Bühne, während sich die Intensität steigert. Ein Bild für die Ewigkeit, ähnlich wie bei „Now that we’re dead“. Da liefern sich alle vier traditionell ganz in Schwarz gekleidete „Horsemen“ ein Percussion-Match an vier in leuchtende LED-Quader eingebauten elektronischen Drum-Kits. Die Ausbalancierung von Polyrhythmen gleicht einer Einlage der Blue Man Group, nur in bunten Farben.

Natürlich zelebrieren Metallica auch viele ältere Hits. Der Klassiker „Seek & Destroy“ vom Debütalbum „Kill ’em all“ (1982) wird überzeugend in einer Extended-Version heruntergebrettert. Wie auch „For Whom the Bell tolls“ (1984) inklusive Fan-Schlachtgesängen, die sanftere Ballade „One“ (1988) und selbstverständlich „Master of Puppets (1986), der fulminante, sich tief in den aggressiven Thrash eingrabende Schlussakkord des regulären Sets. Zum heimlichen Höhepunkt des Muscle-Spektakels wird jedoch das rasante „Fuel“ vom Re-Load-Album (1997). Die begleitenden Feuer-Fontänen brutzeln selbst auf den Oberrängen. Metallica schmieden Heavy Metal regelrecht im Schweiße ihres Angesichts.

Mit jedem Song steigt die Spannung und die Energie. Entsprechend euphorisch ist die Stimmung, auch weil der Schulterschluss von Band und Publikum authentisch ist. Glaubhaft, ehrlich, bodenständig und unprätentiös geben sich Hetfield & Co. Und musikalisch zeigen sie sich in nie gehörter und gesehener Topform. Die Mittfünfziger glänzen durch Präzision im Zusammenspiel und technische Brillanz. Das war nicht immer so. Breitbeinig und martialisch stampft Sänger und Rhythmusgitarrist Hetfield hin und her. Mit Leichtigkeit springt sein Organ mittlerweile von wütenden und bellenden zu sanften Tönen, während er mit komplizierten Gitarrenlinien jongliert. Beim gruftig-geifernden „Halo on Fire“ platzen ihm schier die Halsschlagadern. Leadgitarrist Kirk Hammett, mittlerweile grauhaarig, überzeugt mit perfekten, rasiermesserscharfen und virtuosen Soli im Turbomodus. Ständig lächelnd hat er, wie bei „Fade to Black“, einen ungeahnten Esprit in seinem Saitenspiel gefunden. Bassist Robert Trujillo strotzt dagegen nur so vor Kraft. Unerbittlich erdig und donnerhallend sein Höllenschlund-Spiel, wie bei „(Anesthesia) Pulling Teeth“, als er seinen Vorgänger, den viel zu früh verstorbenen Cliff Burtons, kurz zum Leben erweckt. Nur beim spaßigen Drafi-Deutscher-Cover „Marmor, Stein und Eisen bricht“ geraten ihm Spiel und Gesang etwas schräg. Berserker-Drummer Lars Ulrich schließlich, die Baseballmütze obligatorisch nach hinten gedreht, hält mit seinen Salven die Band konstant auf Hochgeschwindigkeits-Kurs. Seine instrumentalen Fähigkeiten haben sich von allen am meisten verbessert, man ist richtiggehend beeindruckt. Gemeinsam findet die Band zu einer Brillanz, die wie ein Blitz einschlägt.

Und obwohl „Nothing Else Matters“, die zweite und vorletzte Zugabe, die relative Ruhe verinnerlicht, gleicht auch diese Hymne einem Himmelsschauspiel. Hammetts Song verkörpert die Langlebigkeit dieser Band, weil sie eben nicht nur auf Lautstärke aufgebaut ist. „Enter Sandman“ schließlich ist die finale Metallica-Quintessenz. Kein Fan sitzt mehr. Alles steht. Alles singt. Alles feiert. Den Heavy-Metal und Metallica. Die einzigartige Band war immer Aufruhr. In der Schleyerhalle feiern sie jedoch das Leben und schreiben Rock-Geschichte. Das umjubelte Konzert setzt neue Maßstäbe. Metallica sind die uneingeschränkten Regenten des Heavy Metal und zugleich ihr eigenes Königreich . Nichts anderes zählt im gleißenden Licht, in dem sie sich verabschieden.

Metallica spielen am heutigen Montag (19.30 Uhr) nochmals in der Schleyerhalle. Das Konzert ist ausverkauft.