Der spanische EM-Titel ist auch ein Sieg der attraktiven Spielweise – mit der die Mannschaft künftige Turniere weiterhin prägen kann, meint unser Reporter David Scheu.
Sie sind ihn also gegangen, den letzten Schritt. Nach vier Wochen beeindruckender Leistungskonstanz hat sich die spanische Nationalelf im Berliner Olympiastadion die europäische Fußballkrone aufgesetzt – und damit einen Start-Ziel-Sieg eingefahren. Vom ersten Gruppenspiel an wusste die Furia Roja zu überzeugen, hat dominant und temporeich gespielt, vor allem aber stets den Weg nach vorne gesucht. Spaniens Sieg gegen die auf defensive Stabilität bedachten Engländer ist deshalb auch ein Triumph der attraktiven Spielweise über einen nüchterneren Ansatz, wie er bei dieser EM von mehreren Teams zu beobachten war.
Nicht immer nehmen große Turniere und Meisterschaften diesen Ausgang, oft genug hat ein legitimer Pragmatismus in der Vergangenheit zum Erfolg geführt – man denke nur an den EM-Sieg Portugals 2016 oder Frankreichs Titelgewinn zwei Jahre später bei der Weltmeisterschaft. Aber: Ab und zu tut es einer Sportart und ihrem Image auch gut, wenn das Schöne nicht nur Selbstzweck ist, sondern sich als titelfähig erweist. Hierbei haben die Iberer mit ihrem selbstbewussten Trainer Luis de la Fuente den etablierten Ballbesitz-Fußball um eine aufsehenerregende Zielstrebigkeit und offensive Wucht erweitert, niemand sonst hatte im Turnier auch nur annähernd so viele Angriffe und Torabschlüsse vorzuweisen.
Verheißungsvolle Zukunftsaussichten
Am Endpunkt befindet sich die spanische Mannschaft deshalb noch lange nicht. Vielmehr ist das Fundament gelegt für eine Zukunft, die ob der Kaderstruktur verheißungsvoll erscheint: Sämtliche Stammspieler im viel gerühmten Mittelfeld sind jünger als 30 Jahre und damit im besten Fußballeralter, die beiden Flügelstürmer und Turnier-Entdeckungen Nico Williams (21) und Lamine Yamal (17) könnten gar eine Dekade prägen. Zwölf Jahre nach dem letzten großen Titel bei der Europameisterschaft 2012 hat am Sonntag in Berlin endgültig die nächste Generation übernommen. Mit diesem Spanien ist auch künftig zu rechnen.