Fußballschauen in der Stadtkirche in Bad Cannstatt. Foto: Stölzle

Man spricht von Fußballtempeln und dem heiligen Rasen. Da ist es nur folgerichtig, dass in der Stadtkirche in Bad Cannstatt Fußball geschaut wird.

Sie schlagen ein Kreuz. Und sie beten. Mit Blick gen Himmel, auf den Knien. Fußballprofis sind gerne mit Gott im Bunde. Ob der nun Zeit und Muße hat, Fußball zu schauen, das weiß nur der Himmel. Manche Akteure glauben es. „Gott hat mich auserwählt, dieses Talent ist sein Geschenk. Ich habe es genutzt und alles getan, was ich konnte, um das Beste daraus zu machen“, hat Lionel Messi mal gesagt. Was nur folgerichtig ist, ist doch der Argentinier der Erbe des Volkshelden Diego Maradona, der 1986 bei der WM mal ein Tor „mit der Hand Gottes“ geschossen haben will. Für viele andere war es nur ein profanes Handspiel.

Die Hand Gottes: Diego Maradona erzielt ein Tor gegen Englands Peter Shilton. Foto: Imago/Sven Simon

Fußball schauen mit fast schon religiöser Inbrunst, das ist normal. Aber Fußball schauen in einer Kirche, das ist ungewöhnlich. In der Stadtkirche in Bad Cannstatt machen sie das. Sie zeigen alle deutschen Spiele. Ein Mitglied der Gemeinde hat bei seinem Arbeitgeber eine Leinwand ausgeliehen, die haben sie im Kirchenschiff vor dem Altar aufgestellt.

Das war nicht unumstritten in der Gemeinde, sagt Pfarrer Alexander Stölzle. „Manche hatten ihre Probleme, dass ein liturgisch-seelsorgerischer Raum zu einem öffentlichen Raum wird, betrachten dies als Anbiedern an den Zeitgeist“, erinnert er sich, zudem fürchtete man ein „potenzielles Anschlagsziel“ abzugeben. Aber trotz aller Bedenken wagte man es. Schließlich gebe es anders als während der WM 2006 kein öffentliches Public Viewing. Stölzle kümmerte sich um die Formalien, die Gema fordert 200 Euro fürs Übertragen und die Rechte an der Musik, bis 300 Zuschauern braucht es keine Genehmigung mit der Uefa, er sprach mit der Polizei und den Wirten der Umgebung, in der Sattlerei gleich nebenan machen sie Essen und Snacks für die Fußballgucker, Essen und Trinken darf man nämlich mitbringen.

Was passiert auf dem heiligen Rasen? Foto: Stölzle

„Bisher hatten wir keine Probleme, keine Flecken auf dem Boden, kein Senf an den Bänken“, sagt Stölzle. Bis zu 190 Leuten kamen, „der Großteil waren Menschen aus dem Stadtteil, die ich aber nicht im Gottesdienst sehe“. Zweck erfüllt, möchte man sagen. Genau dies hatte Stölzle sich erhofft. Die Kirche zu öffnen für alle, was man ja auch schon bei Konzerten und Podiumsdiskussionen etwa zur Gemeinderatswahl getan habe. „Aber Fußball bringt noch mehr und unterschiedliche Menschen zusammen.“ Senioren kommen, Familien mit kleinen Kindern. Auch ein muslimisches Paar sei da gewesen, weil dies ein besonderer Ort sei, wie sie Stölzle sagten.

Viele ähnliche Rituale

Ob hier auch der Fußballgott wohnt? Oder doch eher auf dem heiligen Rasen? Es ist auffällig, wie viele Gemeinsamkeiten es gibt. Wie man einstmals den Kirchgang zelebrierte, strukturieren viele ihren Alltag heutzutage rund um den Stadionbesuch. Man singt gemeinsam, statt Priester und Messdienern ziehen die Mannschaften ein. Die Rituale sind eindeutig und geben Klarheit.

Am Samstag beim Achtelfinale wird man wieder gemeinsam in der Stadtkirche mit der deutschen Mannschaft bangen. Und hoffen, dass Torwart Manuel Neuer den Psalm 118 beherzigt: „Sie umgeben mich von allen Seiten, aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren.“