Der Frust nach der verpassten EM-Chance im Finale gegen Spanien ist groß – und die Zukunft von Trainer Gareth Southgate ungewiss.
Es war ein äußerst schwacher Trost: Harry Kane darf sich tatsächlich Torschützenkönig der EM 2024 nennen, drei Turniertore haben Englands Stürmer für diese Auszeichnung gereicht – zusammen mit Jamal Musiala (Deutschland), Dani Olmo (Spanien), Cody Gakpo (Niederlande), Ivan Schranz (Slowakei) und Georges Mikautadze (Georgien), die allesamt ebenso häufig getroffen haben in den vergangenen Wochen. Von der persönlichen Auszeichnung wollte Kane nach der bitteren 1:2-Finalniederlage gegen Spanien aber nichts wissen, er schob Frust im Berliner Olympiastadion. „Es ist extrem schmerzhaft und wird noch lange wehtun“, sagte der Stürmer des FC Bayern, dessen titellose Zeit sich damit fortsetzt: Egal, wie oft er auch selbst treffen mag, mit seinen Mannschaften gewinnt er bislang einfach keine großen Trophäen. Nicht im Verein, nicht im Nationaltrikot.
Der 30-jährige Kapitän, der nach schwacher Leistung im Endspiel vorzeitig ausgewechselt wurde, versinnbildlicht damit wie kein Zweiter Englands sehnsüchtiges Warten auf den großen Wurf – seit dem Weltmeistertitel 1966 im eigenen Land hält es nun schon an. In Berlin waren die Three Lions am Sonntagabend auf den ersten Blick nicht meilenweit vom Titel entfernt, schließlich fehlten gegen die spielstarken und dominanten Spanier nur wenige Minuten bis zum Erreichen der Verlängerung. Einerseits. Auf der anderen Seite aber wich das Team nicht von seinem etablierten Ansatz der defensiven Stabilität ab – und war so trotz der lautstarken Unterstützung der numerisch überlegenen eigenen Fans ein ums andere Mal zum Reagieren gezwungen. „Wir hatten zu selten den Ball, das war der Schüssel“, sagte auch Trainer Gareth Southgate – um dann ebenso knapp wie ehrlich zu resümieren: „Spanien war besser.“
Gareth Southgate schiebt Fragen über seine Zukunft beiseite
Den Stab über seine Mannschaft wollte er dennoch nicht brechen. „Sie hätten mir und dem Land nicht mehr geben können“, sagte Southgate. Das sahen ganz offensichtlich auch die Royals so, jedenfalls gab es Zuspruch von höchster Stelle. „Diesmal sollte es einfach nicht sein“, schrieben Prinz William und Prinzessin Kate auf dem Kurznachrichtendienst X, „wir sind alle trotzdem sehr stolz auf euch. Weiter so.“ König Charles ergänzte, schon der Finaleinzug sei „ein großer Erfolg.“
Den hat Southgate nun schon zum zweiten Mal in Folge bei einer EM erreicht, seine Zukunft ist dennoch ungewiss. So richtig hat das Turnier die Fragen nämlich nicht aufgelöst, ob der pragmatische Trainer denn wirklich die Idealbesetzung für das ja eigentlich so offensivstarke Ensemble ist. Southgate selbst schob das Thema auf der Pressekonferenz nach Spielende sichtlich geknickt beiseite. „Das ist schwer, so kurz nach der Niederlage. Ich muss mit den richtigen Menschen sprechen. Das ist nichts für jetzt.“
Kane indessen richtete den Blick am Tag nach dem Finale schon wieder vorsichtig nach vorne. Man werde sich „wieder aufrappeln, den Staub abschütteln und bereit sein, im englischen Trikot erneut zu kämpfen“, so der Stürmer. Eine Perspektive hat die Mannschaft fraglos, viele offensive Leistungsträger wie Jude Bellingham (21), Bukayo Saka (22) und Phil Foden (24) stehen noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Zudem ist die kommende Heim-EM ein großer Ansporn – 2028 geht es im Vereinigten Königreich und Irland um Europas Fußballkrone. Vielleicht wird sie ja ausgerechnet dann gestillt, die große englische Titelsehnsucht.