Erst schreibt Christian Eriksen ein kleines Fußball-Märchen. Am Ende der Partie der Dänen gegen Slowenien ist aber auch der 32-Jährige enttäuscht. Dabei hat er sein Ziel eigentlich schon erreicht.
Kürzlich noch hatte ja Toni Kroos über das mögliche Ende seiner Karriere – als Rückkehrer in die Nationalmannschaft womöglich als Sieger der Fußball-Europameisterschaft. „Fast zu kitschig“ wäre das, meinte der deutsche Mittelfeldstar. Gut, kann man so sehen. Aber was war dann bitte das, was sich am Sonntagabend in Stuttgart abspielte?
Da lief im Duell der Dänen mit den Slowenen, dem ersten Spiel der EM 2024 in der Stuttgarter Arena, die 17. Minute. Die Fans aus dem Norden hatten schon bis dahin für eine einzigartige Stimmung gesorgt. Erst in der Stadt, dann auf dem Weg ins Stadion, dann in der Arena – ein Meer in Rot, auch in der Cannstatter Kurve, wo normalerweise die weiß-roten Fans des VfB stehen. Dann begann die Partie, die Dänen waren schnell die bessere Mannschaft. Und nachdem auf der Gegenseite ein Schuss von Slowenen-Stürmer Benjamin Sesko nur knapp am Pfosten vorbeigestrichen war, hatte ein besonderer Spieler seinen besonderen Auftritt.
Sein Name: Christian Eriksen.
Eriksen, genau. Der Mann, der im ersten Spiel der Dänen bei der bislang letzten Europameisterschaft ein Drama erlebte. Dessen Herz auf dem Spielfeld stehen blieb. Der um sein Leben kämpfte – vor einem Millionenpublikum. Die beste Nachrichte des Turniers vor drei Jahren: Christian Eriksen hat diese bangen Momente überlebt.
Mittlerweile trägt er einen implantierten Defibrillator, Leistungssportler ist er noch immer. Oder wieder. Er kickt bei Manchester United in England, auch in der dänischen Nationalmannschaft. Und als deren Anführer nahm er am Sonntag in eben jener 17. Minute den Ball mit der Brust an, mit der rechten Fußspitze traf er danach den Ball, der am slowenischen Keeper Jan Oblak vorbei den Weg ins Tor fand. 1:0 Dänemark, 1:0 durch Christian Eriksen bei seiner Rückkehr auf die EM-Bühne. Wer bis dahin noch keine Gänsehaut hatte in der Stuttgarter Arena, spürte sie nun.
Zweifel – aber nicht bei Trainer Hjulmand
Auch davor und danach war der 32-Jährige jener Spieler im roten Dress, den seine Teamkollegen am ehesten suchten. Dabei waren in den vergangenen Monaten nicht alle oben im Norden überzeugt, dass Christian Eriksen noch der Anführer der dänischen Nationalelf sein kann.
„Er muss beweisen, dass er nicht nur wie beim Test im März gegen die Färöer glänzen kann“, sagte, zum Beispiel, Flemming Povlsen, der Europameister von 1992, der „Sportbild“. Und Thomas Gravesen, einst beim Hamburger SV am Ball, meinte: Den Eriksen, „den wir alle kennen, den gibt es nicht mehr“. Auch der Gescholtene räumte ein, dass er nicht gerade mit besonders viel Spielpraxis zur EM gekommen war. Aber dank seiner Erfahrung wisse er „genau, was ich hier machen muss“. Das Vertrauen des Trainers spürt er sowieso.
„Er ist unser Rhythmus, er ist unser Mann auf dem Feld, der das Spiel diktieren kann“, sagte Kasper Hjulmand nach der Partie und betonte: „Ich hatte nie Zweifel. Christian ist ein großer Spieler, das hat er heute wieder gezeigt.“ Und unabhängig von den Ergebnissen dieser EM hat der England-Legionär sein eigentliches Ziel ohnehin schon erreicht. „Es war mein Ziel, wieder auf das höchste Niveau zu kommen, als mir gesagt wurde, dass ich immer noch Fußball spielen kann“, sagte er am Samstag vor der Partie gegen die Slowenen in Stuttgart – und erinnerte sich und seine Zuhörer noch einmal an den 12. Juni 2021: „Es ist jetzt drei Jahre her, und es ist nicht vergessen, was passiert ist.“
Zwar sagt Christian Eriksen auch über das nun begonnene Turnier: „Alles, was weiter geht als ein Spiel, wird für mich besser sein als beim letzten Mal.“ Sein Ehrgeiz ist dennoch groß – weshalb auch sein Ärger riesig war über den Verlauf, den diese Partie nach dem Highlight noch genommen hatte.
Die Dänen bauen in der zweiten Hälfte ab
Denn je länger das Spiel dauerte, desto mehr gaben die Dänen die Kontrolle aus den Händen. Auch Eriksen baute ein wenig ab. Die Slowenen witterten ihre Chance – und die kam. Erst knallte Benjamin Sesko (RB Leipzig) den Ball an den Pfosten, den Ausgleich zum 1:1 besorgte dann Erik Janza wenige Minuten später mit einem abgefälschten Schuss (77.).
Ohne Christian Eriksen stürmte Dänemark nach dem dramatischen Auftakt 2021 noch ins Halbfinale. Dies zu wiederholen, wird schwer – vor allem, wenn die kitschigen Momente am Ende nicht zum gewünschten Ergebnis führt. „Ich freue mich über mein Tor“, sagte Eriksen und ergänzte: „Dieses Mal ist meine Geschichte zum Glück eine ganz andere als bei der vergangenen EM.“ Er war sogar zum „Man of the Match“ ernannt worden – schaute jedoch alles andere als glücklich drein: „Ende wäre ich natürlich noch viel besser gelaunt, wenn wenn wir gewonnen hätten.“ Er hoffe, dass das Ergebnis ein „Wake-up-Call“ für sein Team sei. Am Donnerstag geht es für die Dänen in Frankfurt gegen England weiter.