„Facit Omnia Voluntas“, lautet der Leitspruch der Eliteeinheit KSK - „Der Wille entscheidet“. Gilt das erstmals auch für eine Soldatin? Nach einigen Skandalen sieht die Verteidigungsministerin die Einheit auf dem richtigen Weg.
Berlin/Calw - Erstmals in der Geschichte der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) hat eine Frau die erste Runde umfangreicher Zulassungsprüfungen bestanden. Eine Soldatin habe erfolgreich teilgenommen und sich somit für den zweiten Teil qualifiziert, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. „Wir freuen uns, dass sie sich dieser anspruchsvollen Herausforderung stellt“, sagte er weiter.
Nach Skandalen um extremistische Vorfälle und verschwundene Munition sieht Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die im baden-württembergischen Calw stationierte Einheit unterdessen auf dem richtigen Weg in einem Reformprozess. „Das KSK, auch in seiner jetzigen Form, hat eine Bewährungschance erhalten und wenn es diese Bewährungschance nutzt, dann gibt es aus meiner Sicht auch keinen Grund, das KSK aufzulösen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Umstrukturierung nach Extremismusvorwürfen
Kramp-Karrenbauer hatte im Juni vergangenen Jahres entschieden, das KSK nach Vorwürfen von Extremismus oder fehlender Verfassungstreue grundlegend umzustrukturieren. Die dabei besonders aufgefallene 2. Kommando-Kompanie wurde aufgelöst. Falls die Reformbemühungen nicht greifen sollten, wurde die Auflösung der ganzen Einheit erwogen.
Ein neues Potenzialfeststellungsverfahren für den Dienst in der Eliteeinheit dauert nun zwölf Wochen und ersetzte im November 2020 das bisherige zehnwöchige Eignungsfeststellungsverfahren. Es soll einen „tieferen und breiteren Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Eignung der Bewerberinnen und Bewerber erzielen“.
„Neben geistigen und körperlichen Fähigkeiten werden im Auswahlverfahren besonders die charakterliche Eignung und das Wertefundament untersucht“, sagt der Sprecher. „Zusammen mit anderen Maßnahmen soll verhindert werden, dass ungeeignete, nicht auf dem Boden der Verfassung stehende Soldatinnen und Soldaten in die Spezialkräfte gelangen können.“
Gleiche Anforderungen an Frauen und Männer
Anforderungen an Männer und Frauen sind dabei gleich. Anwärter werden mit psychologischen Tests und Gewaltmärschen an den Rand ihrer Belastbarkeit geführt. Ein Teil der Kraft- und Kraftausdauer-Leistungen sind für Frauen - relativ und mehrheitlich gesehen - schwerer zu erbringen. Diskutiert wird aber auch, in welchen Fällen gemischte Teams im verdeckten Einsatz von Vorteil sind - beispielsweise weil sie unauffälliger sind.
Für die militärische Sicherheit und besondere Lagen - wie Geiselbefreiungen im Ausland - sei die Einheit wichtig, so Kramp-Karrenbauer. „Das KSK ist Teil der spezialisierten Kräfte in der Bundeswehr und diese spezialisierten Kräfte wird es in der Bundeswehr immer geben“, sagte sie. „Die brauchen wir. Über die verfügt jede Armee dieser Welt und deswegen ist das ein Asset, das wir auch in der Bundeswehr brauchen.“
In einem ersten Zwischenbericht hatte die militärische Führung eine positive Bilanz gezogen. „Wir wollen im Frühjahr einen zweiten Zwischenbericht vorlegen. Im Sommer soll der Prozess abgeschlossen sein und das KSK wieder nach und nach in die internationalen Verpflichtungen stärker eingebaut werden“, sagte Kramp-Karrenbauer nun.
Noch lange nicht am Ziel
„Alle Rückmeldungen, die mir bisher vorliegen - über den Generalinspekteur, über die Wehrbeauftragte, auch über das KSK selbst - sind Rückmeldungen, die zeigen, dass wir mit den Maßnahmen auf dem richtigen Weg sind“, sagte Kramp-Karrenbauer. „Wir haben aber deutlich gemacht: Wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir wollen diese Maßnahmen bis zum Sommer abgeschlossen haben. Das KSK weiß, das ist seine Chance, die es selbst hat.“ Und: „Soweit ich das beurteilen kann, arbeiten bis auf ganz wenige Ausnahmen wirklich alle daran, diese Chance auch zu ergreifen. Insofern bin ich - Stand heute - ganz zufrieden. Aber wie gesagt, das Ziel ist noch nicht erreicht.“
Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken, kritisierte, grundsätzliche Probleme seien nicht gelöst. So seien viele an rechtsextremen Aktivitäten beteiligte KSK-Soldaten nur intern versetzt worden. „Wir bleiben dabei, in der jetzigen Form ist das KSK nicht reformierbar“, so Pflüger, der eine Auflösung fordert.
Nach Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) hatte die Polizei im Mai 2020 im Garten eines KSK-Soldaten im sächsischen Collm ein Waffenversteck ausgehoben. Der Fall nährte den Verdacht, dass Sprengstoff und Munition in größerer Menge gestohlen worden sein könnten. Laut Zwischenbericht konnte ein großer Anteil der Abweichungen im Munitionsbestand nachvollzogen werden. Ausgemacht wurden Schlamperei und Regelverstöße.
Soldatinnen sind weltweit Ausnahme
Zuvor hatten andere Fälle für Negativschlagzeilen gesorgt. Die später aufgelöste 2. Kommando-Kompanie hatte 2017 bei einer Abschiedsfeier für einen KSK-Kommandeur mit Schweineköpfen geworfen. Ob oder wer Rechtsrock gehört und den Hitlergruß gezeigt hat, blieb strittig.
Weltweit sind Soldatinnen in Spezialkräften eine Ausnahme. So können Frauen in Israels Armee in fast allen Einheiten dienen, auch in Kampfeinheiten. Einige Positionen sind für sie jedoch weiterhin nicht zugänglich, etwa Elite-Einheiten wie Sajeret Matkal. Im vergangenen Jahr hatten vier weibliche Teenager, die in solchen Einheiten dienen wollen, Klage vor dem Höchsten Gericht eingereicht. Die Armee richtete daraufhin ein Komitee ein, das die Öffnung weiterer Einheiten für Frauen prüfen soll.
Kramp-Karrenbauer selbst hatte sich im vergangenen Jahr in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ korrigieren müssen, als sie von KSK-Soldatinnen und Soldaten sprach - und unterstützende Kräfte meinte. „Bei den Kommandokräften des KSK, anders als bei anderen Spezialkräften, gibt es noch keine einzige Frau“, sagte sie auf Nachfrage. „Das ist sicher nicht in Stein gemeißelt. Wir werden Frauen haben, die die notwendigen Anforderungen des KSK erfüllen.“