Von der großen Hektik war am Vormittag in Stuttgart nicht viel zu merken. Foto: Ines Rudel/Ines Rudel

Gibt es zum Schluss noch einen großen Ansturm aller Last-Minute-Einkäufer? Wir haben uns in der Innenstadt umgeschaut.

Hektik und Notkäufe in den letzten Stunden vor dem Heiligen Abend? Wenige Stunden vor Ladenschluss sehen sich die meisten gerüstet für die große Bescherung. Eher beschaulich wirkt die Königsstraße Richtung Mittagszeit. Fast so, als sollten in der Einkaufsmeile schon bald „Die Bürgersteige hochgeklappt“ werden. Am Schlossplatz aber nimmt die Sache über die Mittagszeit nochmals Fahrt auf.

„Nicht gerade überrannt“ sieht sich der Mandel-Mann in der unteren Königstraße. Auch das Kleinkind-Karussell ist für exklusive Einzel-Runden zu haben. Spaß macht das trotzdem: „Nicht zu schnell fahren!“, ruft der Papa den Jungs im Beach-Buggy zu. Fast ein wenig ein schlechtes Gewissen hat Christian, als er aus der Parfümerie kommt. „Auf den letzten Drücker“ habe er noch nie Weihnachtsgeschenke besorgt. Dieses Jahr aber habe ihn der Job „zu sehr in den Krallen“ gehabt. Also gibt es Gutscheine für Frau und Tochter: „Dann können sie sich selbst was Schönes aussuchen.“

Weihnachtsmarkt wird bereits abgebaut

Wie sehr es jetzt auf die Ziellinie geht, wird mit dem Kulissenwechsel am Schlossbau deutlich. Der Weihnachtsmarkt hat die Rollläden heruntergelassen, die Kugelboxen vom kleinen Riesenrad sind auf dem Tieflader verstaut, mit Vorschlaghammer und armlangem Gabelschlüssel muss eine Verklemmung gelöst werden. Und wo vier Wochen lang Glühwein floss, hieven zwei Männer mit roten Bäckchen nun per Stemmeisen die Dachplatten vom Gebälk.

„Ich habe jetzt alles beisammen“, schallt die Erfolgsmeldung laut ins Handy. „Keine Zeit“ hat der junge Mann, der noch „einen Duft für die Freundin“ braucht. „Typisch Mann!“ findet das junge Paar, das sich in aller Ruhe ein Gesteck aus roten Ilex-Früchten und Seidenkiefer binden lässt. Das ersetze dieses Jahr den Weihnachtsbaum: „Das reicht. Und vielleicht setzt sich das auch durch.“ Nebenan sammelt sich der orangefarbene Pulk der AWS. Die Frau und die neun Männer von der Abfallwirtschaft haben Feierabend: „Wir haben um 3.45 Uhr angefangen!“ betonen sie. Fünf Kräfte rechts, fünf links. So haben sie die Königsstraße saubergefegt, die Linie für die Kehrmaschine geformt. „Eine Katastrophe“ sei das Bild gewesen, das sich ihnen bot, „Dreck, Müll, kaputte Flaschen, das glaubst du nicht!“, sagt einer. Aber jetzt sei „ja gleich Weihnachten“.

Auch der Weihnachtsmann ist unterwegs

Von „Ox am Spieß“ im Schlemmergässle also zu Ochs und Esel an der Krippe? „Nein, auf keinen Fall!“, sagt der Mitarbeiter beim Aufräumen, er sei „kein Weihnachtsromantiker“. Im krassen Gegensatz zu Andreas, 34, bei dem Weihnachten „das Kind im Manne“ hervorkehre. Also spaziert der Filderstädter als „Weihnachts-Nikolaus“ durch die Passagen, um „den Leuten eine Freude zu machen“. „Hast du noch keinen Feierabend?“, fragt ihn der siebenjährige Nikolai und schenkt ihm ein Wibele. Fotowunsch da, Fotowunsch dort. Auch mal mit dem Hundchen auf dem Arm.

„Knallhart durchgezogen“ hat Matthias die finale Weihnachtsbesorgung: „Sechs Positionen auf dem Wunschzettel, in 90 Minuten.“ Er mache das immer so, denn an Heiligabend seien weniger Leute in den Geschäften. „Und jetzt geht es zum Absacker in die Champagner-Bar!“ Klassische Notkäufe sind in der Buchhandlung am Marktplatz zu erwarten. Buchhändlerin Sandra Werner ist aber schon in Weihnachtslaune: „Weniger Leute, kein Stress und Zeit für schöne Kundengespräche, also ein ganz normaler, entspannter Heiligabend“. Der Druck falle ab: „Die Leute haben alles, haben also Zeit und freuen sich aufs Fest.“

Wie Gabriele und Karin, die „alles beisammenhaben“ und es nun beim inzwischen sehr belebten „Wintertraum“ ausklingen lassen. Sie mögen Weihnachten traditionell, „wie wir es als Kinder erlebt haben und jetzt auch an die Enkel weitergeben“. Also geht es abends in die Christmette in der Stiftskirche, vor der Bescherung am lichterglänzenden Weihnachtsbaum: „Das ist für uns Heiligabend auch: die stille, die heilige Nacht.“