Das Wimmelbild soll einen Überblick über die Esslinger Küferstraße geben und ihre typischen Eigenheiten hervorheben. Foto: Lin Marcella

Die Händler in der Küferstraße wollen dem Klagelied vom Niedergang der Innenstädte Paroli bieten – und setzen ihr Viertel mit einem Wimmelbild in Szene. Damit wollen sie auf die Besonderheiten ihrer Einkaufsstraße aufmerksam machen.

Angefangen hat alles mit einer Postkarte. Die Illustratorin Lin Müller hatte im Auftrag einer Freundin das Getümmel im Zentrum des Stuttgarter Stadtteils Degerloch eingefangen und das Wimmelbild auch im Postkartenformat vervielfältigt. Als die Händler in der Esslinger Küferstraße das Bild im Comic-Stil zu Gesicht bekamen, war schnell klar: So etwas wollten sie auch für ihre Straße. Schließlich spiegelte es genau die lebendige Vielfalt wieder, die sie in ihrem Viertel im Osten der Esslinger Innenstadt sehen und schätzen – und auf die sie andere aufmerksam machen wollen.

Denn vom oft zitierten Niedergang der Innenstädte sei in der Küferstraße nicht viel zu spüren, finden Claudia Nerger und Carolin Ziefle. Das liege aber auch daran, dass sich die örtliche Händlergemeinschaft immer wieder neue Attraktionen überlege, um Kunden in die schon oft totgesagte östliche Altstadt zu lotsen, glaubt Nerger, Inhaberin des Bastelladens Malkasten. Seit dem Aus von Karstadt und Kögel seien die Klagelieder in Esslingen wieder lauter geworden – in der Küferstraße wolle man aber nicht einstimmen. „Natürlich machen Läden zu, aber es machen auch welche auf – und wir sind ja auch noch da“, sagt Ziefle, die den Modeladen Schmachtfetzen betreibt.

Claudia Nerger (links) und Carolin Ziefle (rechts) haben die Initiative für das Küferstraßen-Wimmelbild ergriffen, das Lin Müller (Mitte) gezeichnet hat. Foto: Roberto B/ulgrin

Und genau das wollen sie zeigen: „Wir wollen sichtbar sein und wieder entdeckt oder auch ganz neu entdeckt werden“, sagt Ziefle. Das sei allerdings kein Selbstläufer: „Die Zeiten sind vorbei, in denen man nur hinter der Theke stand und gewartet hat, bis Kundschaft kommt“, sagt Claudia Nerger. Angesichts der vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten – auch im Internet – müsse man im stationären Handel ständig auf sich aufmerksam machen. In der Händlergemeinschaft Küferstraße habe man immer wieder überlegt, welche Möglichkeiten es dafür neben jahreszeitlich wechselnder Dekoration und verschiedenen Festen gebe. Schon länger war ein Flyer im Gespräch, doch bis vor Kurzem fehlte die zündende Idee.

Das Wimmelbild der Illustratorin Lin Müller kam da gerade recht. „Als ich das gesehen habe, habe ich gedacht: Das passt zu uns, weil wir auch kreativ und besonders sind“, sagt Claudia Nerger. Das fanden ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Händlergemeinschaft auch – zumal damit auch der lang gehegte Wunsch nach einem Überblick über die verschiedenen Angebote in der Küferstraße erfüllt werden konnte. Insgesamt 24 Händlerinnen und Händler beteiligten sich an der Erstellung und Finanzierung des Wimmelbildes, auf dem nun auch nur ihre Läden zu sehen sind.

Typische Details der Küferstraße finden im Wimmelbild Niederschlag

Jedes Geschäft wurde einzeln fotografiert und dann von Lin Müller mit den ihm eigenen Besonderheiten grafisch dargestellt – oft inklusive der Inhaber. So ist etwa Claudia Nerger mit überdimensionalen Stiften und Pinsel vor ihrem Bastelladen zu sehen. Carolin Ziefle steht mit charakteristischem Dutt vor ihrem Modeladen und fotografiert eine Kundin mit ihrem Handy: „Das mache ich ständig, damit meine Kundinnen wissen, wie sie in der neuen Kleidung aussehen“, sagt sie und lacht. Auch sonst hätten viele typische Details im Wimmelbild Niederschlag gefunden – etwa Erdbeeren an Laternenpfählen als Symbol für das Erdbeerfest im Sommer. Aber auch eine unschöne Tradition sei auf humorvolle Weise verarbeitet worden: Die zwei Diebe, die lachend einen Weihnachtsbaum stehlen, stünden für den alljährlichen ungeklärten Schwund geschmückter Bäume in der Adventszeit.

Seit Dezember sind die Flyer mit dem Wimmelbild auf der einen Seite und einem neuen Logo der Küferstraße sowie weiteren Informationen auf der anderen Seite in den Läden der beteiligten Händler sowie in der Stadtinformation zu bekommen. Zudem gibt es das Wimmelbild zum Ausmalen – und die Initiatoren haben noch zig Ideen für weitere Verwendungen. Jetzt soll es aber erst einmal möglichst breit verteilt werden und auf die Straße aufmerksam machen, die laut der Händlergemeinschaft dem Niedergang getrotzt hat.

Denn auch die Küferstraße hat harte Zeiten mit viel Leerstand hinter sich und galt lange Zeit als Sorgenkind in der Esslinger Innenstadt. Inzwischen aber ist sie für viele eine Art Geheimtipp, weil sich dort ein bunte Mischung verschiedener kleiner, inhabergeführter Geschäfte angesiedelt hat. Den Händlerinnen und Händlern ist es nun ein Anliegen, aus dem Geheimtipp eine bekannte Flaniermeile zu machen.