So billig wird die bundesweite Fahrt im Nahverkehr nicht mehr, möglich wäre aber ein 49-Euro-Ticket. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Das 9-Euro-Ticket ist Geschichte, Bund und Länder ringen um ihre Beteiligung für ein Nachfolgeangebot. Auch bei 49 Euro pro Monat wären hohe Einsparungen möglich.

Anfang 2023 könnte es ein bundeseinheitliches Ticketangebot als Nachfolger des 9-Euro-Tickets für den Nahverkehr geben. Mit ihrem Vorschlag, dafür bei einer paritätischen Mitfinanzierung der Länder pro Jahr 1,5 Milliarden Euro zu zahlen, setzt die Bundesregierung die Länder unter Zugzwang. Das Angebot könnte Licht in den Tarifdschungel der Verkehrsverbünde bringen.

Breites Angebot für viele Kundenbedürfnisse

Eine „feine Preisdifferenzierung“ benötige man im Tarifsystem bei einem hohen Preis des Jahrestickets, sagte Horst Stammler, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS), vor dem Signal der Bundesregierung. Über die Jahre hat der VVS seine Angebote immer feiner ziseliert, um den Bedürfnissen möglichst vieler Kunden zu entsprechen. Das gelang gut, vor dem Corona-Absturz zählte der VVS 2019 rund 394 Millionen Fahrten – ein absoluter Rekord.

Es geht aufwärts

In diesem Jahr fuhr der VVS zunächst in niedrigem Gang aus der Talsohle. „Schon vor dem 9-Euro-Ticket ging es kontinuierlich aufwärts“, so VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger, im Juni sei mit dem 9-Euro-Ticket dann „sogar das Niveau der Zeit vor Corona erreicht worden“. Bis Ende Juni zählte man 156 Millionen Fahrten, das waren 43 Millionen oder 38 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Rekordjahr 2019 klaffte allerdings bis Ende Juni noch eine 20-Prozent-Lücke.

Hohe Entlastung für Stammkunden möglich

49 bis 69 Euro im Monat könnte das neue, bundesweit gültige Nahverkehrsticket kosten. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in dem der VVS Mitglied ist, brachte die 69-Euro-Variante ins Spiel, der Zuschussbedarf läge bei zwei Milliarden Euro. Stünden drei Milliarden zur Verfügung, wäre wohl ein Monatsticket für 49 Euro möglich.

Ein Blick auf den VVS-Tarif zeigt, dass dieses Angebot viele Stammkunden entlasten würde. Nur die Monatsraten für das 9-Uhr und das 9-Uhr-Firmen-Abo der ersten Zone liegen noch unter dieser Schwelle. Wie beim 9-Euro- würde auch beim 49-Euro-Ticket gelten: Je weiter der Weg, desto höher die Einsparung. Ein Pendler, der aus Schwaikheim, Plochingen, Steinenbronn oder Leonberg nach Stuttgart fährt und im Jahr für drei Zonen bisher 1237 Euro (Jedermann-Ticket) berappt, könnte 649 Euro sparen. Bei zwei Zonen länge die Ersparnis bei 341 Euro im Jahr, bei einer bei 134 Euro. Und beim Netzticket wären es 1772 Euro im Jahr.

Preiserhöhung ist beschlossen

Um ein neues Günstigticket bis Anfang 2023 umzusetzen, müsste sich die politische Gemengelage schnell klären. Unabhängig davon ist im VVS die Preiserhöhung von 4,9 Prozent für 2023 beschlossen. Dieser Durchschnittssatz wird im Herbst auf die einzelnen Ticketarten umgemünzt.

Ein neues Einheitsticket könnte den Tarif übersichtlicher machen. Doch der VVS arbeitet auch an noch mehr Auswahl. Der Verbund hofft auf den Zuschlag des Landes für ein Förderprogramm, mit dem flexible Angebote erprobt werden sollen. Zum 1. April 2021 hatte der VVS mit dem 10er-Tagesticket auf Corona und Homeoffice reagiert. Ziel ist, mit einem Flexabo Stammkundschaft zu erhalten oder zu gewinnen, auch wenn diese nicht an jedem Werktag fährt.

Abseits dieser Pläne sei man gespannt, wie sich „die guten Erfahrungen der meisten Kundinnen und Kunden mit dem 9-Euro-Ticket auf die Nachfrage im Herbst auswirken“, so Hachenberger.