Zwischen Höpfigheimer Idylle und Krieg in der Heimat: Dana Schütz. Foto: Ralf Poller/avanti

Dana Schütz stammt aus der Ukraine und lebt in Höpfigheim. Das vergangene Jahr war sehr bewegend für sie und ihre Familie. Ein Blick zurück.

„Du guckst aus dem Fenster, etwas fliegt, es pfeift – und du weißt nicht, wo die Rakete einschlägt.“ Sätze wie diesen hört Dana Schütz von ihrer Familie und ihren Freunden in der Ukraine zurzeit viel zu oft. Die junge Frau ist selbst dort geboren und aufgewachsen, in Sumy, einer 270 000-Einwohner-Stadt im Nordosten der Ukraine, rund 250 Kilometer östlich von Kiew. Zur russischen Grenze sind es gerade einmal 50 Kilometer. Seit sechs Jahren lebt Dana Schütz im Steinheimer Teilort Höpfigheim, arbeitet im Weingut ihres Mannes und der Schwiegereltern mit, Söhnchen Leo kam vor eineinhalb Jahren auf die Welt.

Vor einem Jahr kam der Anruf ihres Onkels

Vor knapp einem Jahr kam der Anruf ihres Onkels, der in Sumy lebt: „Der Krieg hat angefangen.“ Weder damals konnte sie die Nachricht richtig realisieren noch heute, dass es schon ein Jahr her ist. Ein Jahr, in dem viel passiert ist. Auch bei ihr in Höpfigheim. „Anstrengend, berührend, schmerzhaft“ sind die Worte, die die 32-Jährige wählt. Auch, wenn es ihrer Familie in der Ukraine gut geht – zumindest niemand aus ihrem direkten Umfeld zu Schaden kam. Doch sie weiß: „Es könnte jederzeit etwas passieren.“ Wie den Freunden einer Freundin, deren Fabrik bei einem Raketenangriff getroffen wurde, bei dem es viele Tote gab.

Dana Schütz hört viele solcher Geschichten. Geschichten, die zu schlimm sind, um sie sich auszudenken. Auch die von Menschen, die geflüchtet sind. In übervollen Zügen, aus denen Menschen wieder hinausgedrängt wurden. Die nur das Nötigste mitgebracht haben. Freundinnen von ihr sind mit ihren Kindern in und um Höpfigheim untergekommen. Sie hat getan, was sie konnte. Kontakt mit den Ämtern, Arztbesuche, Kinder in Kindergärten und Schulen anmelden, Behördengänge, Jobsuche . . . Kurz nach Kriegsbeginn hatte Dana Schütz plötzlich drei zusätzliche Familien, um die sie sich kümmern musste.

Eine anstrengende Zeit. „Ich hatte immer das Gefühl, nicht genug tun zu können.“ Nachts hat sie oft deswegen wach gelegen. Inzwischen aber weiß sie, dass das vielen so geht, die helfen. Und es war auch eine schöne Zeit, findet sie. Die Familien haben zusammen Ostern gefeiert und auch den Sommer im idyllischen Höpfigheim genossen. Ihre geflüchteten Freundinnen aus der alten Heimat haben im Weinberg mitgeholfen und sich insgesamt super integriert. Und ja, sagt Dana Schütz. „Vielleicht hat ihre Zeit hier auch ihre Leben gerettet.“

Irgendwann war die Sehnsucht zu groß

Inzwischen sind alle wieder zurück in der Ukraine. Zwar wollten sie ohnehin nicht lange bleiben. Dennoch wurden daraus Wochen, dann Monate. Irgendwann war die Sehnsucht nach der Heimat dann doch zu groß. Trotz aller Gefahren durch den Krieg.

So wie auch bei Dana Schütz’ Mama. Sie war gerade in Höpfigheim zu Besuch, als der Krieg vor einem Jahr ausbrach. Und blieb dann. Aber sie hatte Heimweh, wollte ihre Mutter sehen. Im November reiste sie zurück nach Sumy. „Das war schwer für mich“, sagt Dana Schütz. „Aber ich wusste auch, dass es wichtig für sie war.“

Die junge Frau hat das Gefühl, dass – je länger der Krieg dauert – sich die Menschen in ihrem Heimatland an ihn gewöhnen. Natürlich sei es anderswo sicherer. „Aber dort haben sie ihre Familien, ihr Zuhause, ihre Arbeit . . .“ Dana Schütz wünscht sich, dass der Krieg bald endet. Aber sie kann es sich nicht vorstellen, dass das bald passiert. Noch immer, auch nach einem Jahr, erscheint es ihr unrealistisch, dass das „mit meinem Land passiert“. Ihr Traum ist es, wie vor einem Jahr, mit ihrem Sohn Leo ihre Oma und ihren Opa in der Ukraine besuchen zu können. Bislang kennen sie ihren Urenkel nur vom Video-Chat.