Radlerin Regina Küper im ziemlich menschenleeren Peking. Foto: privat

Die Stuttgarter Oberärztin Regina Küper, derzeit auf Heimaturlaub, über die strikten Maßnahmen der chinesischen Regierung gegen Corona und den kreativen Umgang der Chinesen damit.

Für ein bis zwei Jahre ist die Stuttgarter Oberärztin Regina Küper mit ihren beiden Töchtern nach Peking gezogen, wo ihr Mann als Diplomat arbeitet. Wir halten Kontakt.

Frau Küper, schön, dass Sie gerade in Stuttgart sind. Wie ist es denn, zurückzukommen?

Es war ein guter Zeitpunkt, Peking mal für eine Zeit den Rücken zu kehren. Auch wenn es dort im Frühling total schön ist. Die Stadt ist bunt, alles blüht, der Himmel ist tiefblau.

Und warum sind Sie dann hier?

Um Freunde und Familie zu sehen. Aber auch, weil das öffentliche Leben in den letzten Wochen in atemberaubender Geschwindigkeit wegen einiger Coronafälle auf ein Minimum reduziert wurde.

Wie muss ich mir das vorstellen?

Die Schulen wurden auf Online-Unterricht umgestellt, die Homeoffice-Pflicht eingeführt, Restaurants, Geschäfte, Parks, Freizeiteinrichtungen und manche Bahnhöfe wurden geschlossen.

Das klingt ähnlich wie der Lockdown in Deutschland.

Schön wär’s! So richtig begreifen kann man das wohl nur, wenn mal das selbst mal gesehen hat. Es gab in dieser 22-Millionen-Stadt maximal 50 Fälle täglich. Dennoch wurden ganze Stadtviertel mit Hunderttausenden von Bewohnern abgeriegelt. Der Liangma Fluss wurde über Nacht eingezäunt, damit die Menschen da nicht mehr sitzen können. Um ein Fußballfeld in der Nähe wurde Nato-Draht gewickelt.

Was passiert, wenn jemand positiv getestet wird?

Das hat dramatische Konsequenzen, aber nicht nur, wenn man positiv getestet ist. Es reicht, wenn nur der Verdacht besteht, man könne eine mögliche Kontaktperson sein. Diese sogenannten Close Contacts werden in den von der Stadt vorgehaltenen zentralen Isolationseinrichtungen untergebracht – nicht einmal die lückenlose Dokumentation der regelmäßig vorgeschriebenen negativen PCR Tests hilft einem dann weiter. Ich dachte manchmal, wenn in Deutschland manche Menschen von Coronadiktatur sprechen, lade ich sie gerne mal ein, sich das hier anzuschauen.

Wie nehmen das die Chinesen auf?

Mein Eindruck ist, sie haben weniger Angst vor Corona als vor den Maßnahmen. Niemand kann sich der Überwachung entziehen, man muss sich an allen Orten einscannen und ist damit lückenlos nachverfolgbar. Zunehmendes Misstrauen gegenüber Fremden führt dazu, dass Wohnblocks oder Dörfer im Umland niemanden mehr reinlassen. Das Risiko eines positiven Falls ist zwar extrem gering, aber die Folgen bei Eintritt hart.

In der chinesischen Presse ist immer zu lesen, dass diese Politik eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung genießt.

Ich frage mich, wenn die Akzeptanz so hoch ist, warum muss man dann Wohnhäuser einmauern, Eingänge zuschweißen oder Debatten über Alternativen zu „Zero-Covid“ massiv unterdrücken?

Ist dieses System mit Blick auf die Coronazahlen denn wenigstens erfolgreich?

Kurzfristig ja, die Inzidenz lässt sich so natürlich drücken. Aber man darf nie nachlassen, wie man nach dem achtwöchigem Lockdown in Shanghai beobachten kann. Mit der Öffnung steigen die Zahlen wieder an.

Wie wird es denn Ihrer Ansicht weitergehen?

Aus meiner Sicht bleiben viele Fragen offen. Es ist beeindruckend, welche personellen und finanziellen Ressourcen in China im Kampf gegen die Pandemie mobilisiert werden. Aber es bleibt rätselhaft, warum eine Partei, die in ihrer Macht durch nichts eingeschränkt wird, moderne mRNA-Impfstoffe nicht ins Land lässt oder oder eine Impfpflicht einführt. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Verwerfungen, die insbesondere den Dienstleistungsbereich, das Kleingewerbe und die Millionen von Wanderarbeitern hart treffen. Die Arbeitslosigkeit ist bereits auf Rekordniveau, eine soziale Absicherung existiert für die Meisten nicht.

Was machen die Menschen, wenn sie nicht arbeiten dürfen?

Manche haben sehr kreativ reagiert. Massagen wurden am Flussufer angeboten. Ein Friseur hat einen Hocker einfach vor seinen Laden auf die Straße gestellt. Da hat sich übrigens mein Mann einen Tag vor meinem Heimflug die Haare für 2,80 Euro schneiden lassen. Der Friseur schien das sehr zu genießen, ein zwei Meter großer Ausländer auf einem viel zu niedrigen Hocker hat viele Schaulustige angezogen.

Werden Sie denn zurückgehen?

Auf jeden Fall! Allein um die vielen netten Menschen wiederzusehen. Und weil ich China besser verstehen möchte. Da gehe ich gerne in die zweite Halbzeit.

Auszeit in Peking

Radelnde Pathologin
Regina Küper ist promovierte Ärztin, genauer gesagt Pathologin, und als Oberärztin beim Klinikum in Stuttgart angestellt. Sie ist in Tübingen aufgewachsen. Als ihr Mann ein Angebot bekam, im Dienst des Auswärtigen Amts in Peking als Diplomat zu arbeiten, beschloss die 49-Jährige, für einige Zeit ihr bisheriges Leben in Stuttgart aufzugeben und mit ihren beiden Töchtern nach China zu reisen. Seit September 2021 lebt sie in Peking. Momentan ist Regina Küper auf Heimaturlaub in Stuttgart. Sie ist begeisterte Radsportlerin, was sie sowohl in Stuttgart wie in Peking auslebt.