Anders als früher die Straßenbahn würde eine Stadtbahn den Zollberg weitgehend im Tunnel Foto: Archiv Ostfildern - Archiv Ostfildern

Von einer Stadtbahn zwischen Ostfildern und Esslingen träumen Bürger und Politiker seit 20 Jahren. SSB-Planer Volker Christiani empfiehlt allerdings auf neue Richtlinien zu warten.

Kreis EsslingenAbwarten und den Schuss zum richtigen Zeitpunkt abgeben, so lautet der Ratschlag von SSB-Planer Volker Christiani für die Stadtbahnlinie von Nellingen nach Esslingen. Der Nutzen-Kosten-Indikator (NKI) liege mit 1,02 so knapp über dem Grenzwert, dass es besser sei, auf die neuen Förderrichtlinien zu warten, als sich jetzt eine Abfuhr zu holen. In Berlin wird derzeit das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) überarbeitet. Möglicherweise wird künftig der Klimaschutz als weiterer Faktor in die Berechnung einbezogen.

Vor einigen Wochen hatten die CDU-Stadtverbände Ostfildern und Esslingen die Hoffnung geweckt, eine Verlängerung der Stadtbahnlinie U 7 nach Esslingen könnte einen Schritt näher gerückt sein. Die CDU werde sich „intensiv für eine neue Stadtbahn zwischen dem Neckartal und den Fildern einsetzen“, wurde auf einer Infoveranstaltung in Ostfildern versprochen.

Geduld war dagegen am Donnerstag das Motto im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistags. Das Untersuchungsergebnis, das die SSB im Juli dem Landkreis und den beiden Städten vorgelegt hatte, ist eher nicht dazu geeignet, mit Volldampf in das Projekt einzusteigen. Ein NKI von mehr als 1,0 werde „nicht verlässlich erreicht“. Die SSB empfiehlt, die weitere Untersuchung „zunächst ruhen zu lassen“.

Ein Problem sind die weit auseinandergehenden Kostenschätzungen. Die SSB geht von 110 Millionen Euro für die 3,4 Kilometer lange Verbindung aus, der Verband Region Stuttgart ist auf 178 Millionen Euro gekommen. Das sei, so gestand Christiani zu, aufgrund der aktuellen Preisentwicklung am Baumarkt nicht unrealistisch.

Zu Lasten der Busse

Zweiter Haken sind die Fahrgastzahlen. Zwar rechnet die SSB mit fast 10 000 am Tag, allerdings würde der Zuspruch zur U 7 auf Kosten der Buslinien gehen, die 3800 Fahrgäste verlören. Um den Verlust zu begrenzen, müssten die Linien 119 und 120 in Nellingen enden und die Fahrgäste in die U 7 umsteigen. Auch die Regionalbahn im Neckartal würde Fahrgäste verlieren. Alles in allem kommt die U 7 trotz der „riesigen Nachfrage“ (Christiani) insgesamt nur auf einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,02. „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, beschrieb der SSB-Experte das Dilemma. Die Flinte ins Korn werfen will Landrat Heinz Eininger aber nicht. „Wir haben die Chance, über 1,0 zu kommen“, sagte er.

Die Aussichten waren schon schlechter für das seit 20 Jahren diskutierte Projekt. Im Jahr 2000 war im Kreistag ein Studie vorgestellt worden, die mit einem langen Tunnelbogen östlich des Zollbergs zu einem NKI von 0,8 gelangte, also weit unter dem notwendigen Wert von 1,0. Dann belegte die SSB, dass neue Fahrzeuge eine Steigung von 8,5 Prozent bewältigen können. Damit seien kürzere Tunnels und geringere Baukosten möglich, berechnete 2011 ein Student in seiner Bachelorarbeit und stellte einen NKI von 1,2 in Aussicht. 2013 begann die SSB mit neuen Berechnungen, die aber wegen anderer Schienenprojekte, insbesondere auf den Fildern, mit begrenzter Energie vorangetrieben wurden. Landrat Eininger hatte gehofft, dass die neue Ansiedlung von Festo bei Berkheim beim Fahrgastpotenzial ein deutliches Plus bringen würde.

Ostfildern will Tunnel

Doch die in diesem Sommer abgeschlossene Untersuchung ergab nur eine wackelige Basis. Dabei hat die SSB nicht einmal alle Wünsche zu Trasse eingepreist. Zum Beispiel fehlt der Tunnel in der Nellinger Jahnstraße. Ohne den sei das Projekt für Ostfildern „nicht denkbar“, betonte Bürgermeister Rainer Lechner (Freie Wähler). Der Landrat warnte darauf: „Nicht gleich wieder überfrachten, sonst fliegen wir gleich raus.“ Prinzipiell finden alle Kreisräte das Projekt gut. „Die Potenziale sind da, das schreit nach einer ÖPNV-Verbindung“, sagte CDU-Fraktionschef Sieghart Friz, gleichwohl ist er momentan fürs Beobachten. „Eine extrem wichtige Verbindung zwischen den Fildern und Neckartal“, befand Jürgen Menzel (Grüne), beim derzeitigem Stand sei das Projekt „nicht tot“. Man müsse dran bleiben, sagte Walter Bauer (SPD), im nächsten Jahr werde die SPD aber erst mal eine schnellere Busverbindung auf die Filder beantragen. Mit dem Auto habe er jetzt eine Stunde und 20 Minuten bis nach Esslingen benötigt.

Warten, bis die „Standi“ überarbeitet worden ist, empfahl SSB-Planer Christiani abschließend. Wenn das Bundesverkehrsministerium die standardisierte Bewertung, die zum Nutzen-Kosten-Faktor führt, so ändere, dass auch Klimaschutz-Effekte berücksichtigt werden, könnte sich die Position verbessern. Zudem erhöhe der Bund im neuen Gesetz (GVFG) eventuell den Fördersatz von 60 auf 75 Prozent. In ein bis zwei Jahren könne man dann ein Beratungsbüro mit einer neuen Untersuchung beauftragen.