Pluto trennen von unserem Heimatplaneten 4839 Millionen Kilometer. Das entspricht der 32-fachen Distanz zwischen Sonne und Erde. Wegen seiner großen Entfernung ist der eisige Himmelskörper nur mit lichtstarken Teleskopen zu erkennen. Foto: Imago/Depositphotos

Schon lange wurde vermutet, dass weit draußen im Weltall ein Himmelskörper existiert – Planet X. Am 18. Februar 1930 erblickte ein junger Astronom mit dem Teleskop einen winzigen Punkt am Sternenhimmel. Clyde William Tombaugh hatte Pluto entdeckt. Auf den Spuren einer astronomischen Sensation.

Der 18. Februar 1930 ist für Clyde William Tombaugh ein ganz normaler Arbeitstag. Wenn man einen solchen als Astronom an einem der berühmtesten Observatorien der USA überhaupt als normal bezeichnet kann.

Ein hochbegabtes Kind von Farmern

Der am 4. Februar 1906 in der Gemeinde Streator in Illinois geborene Tombaugh ist seit rund einem Jahr am Lowell-Observatorium in Flagstaff im Bundesstaat Arizona angestellt. Das sollte die nächsten 14 Jahre auch so bleiben.

Der junge Clyde ist ein hochbegabtes Kind einer Farmerfamilie, der sich selbst Geometrie und Trigonometrie beibringt. Im Alter von 20 baut er sein erstes Teleskop. Er beobachtet Mars und Jupiter und sendet Zeichnungen seiner Beobachtungen an das Lowell-Observatorium. Das stößt auf das rege Interesse von Vesto M. Slipher, dem Direktor der berühmten Forschungseinrichtung.

Das Lowell-Observatorium in Flagstaff. Foto: Imago/Christian Offenberg

Ein winziger Punkt im Weltall

Kaum in Flagstaff angekommen, beauftragt Slipher ihn damit, eine systematische Suche nach einem unbekannten, transneptunischen Planeten – Planet X genannt – durchzuführen. Der Astronom Percival Lowell, nach dem das Observatorium benannt worden war, hatte die Existenz diesen Planeten auf der Grundlage der Berechnungen der beiden Mathematiker Elizabeth Williams und William Pickering vorhergesagt.

An ebenbesagtem 18. Februar 1930 macht der Nachwuchswissenschaftler die Entdeckung seines Lebens. Als er wie jeden Tag in das große Teleskop schaut, tritt plötzlich ein bewegtes Objekt vor dessen Linse.

Pluto von seinem Mond Charon aus gesehen. Foto: Imago/StockTrek Images

Tombaugh traut seinen Augen nicht. Sollte dieser winzige Punkt, den er im Weltall erspäht hat, tatsächlich das lange gesuchte transneptunische Objekt sein? Der Forscher erstellt umgehend Fotoplatten mit einem Astrografen – einer speziellen Kamera, die für die Astrofotografie eingesetzt wird.

Percival Lowell in seinem nach ihm benannten Observatorium in Flagstaff. Foto: Imago/Gemini Collection

Das Projekt im Februar ist bereits die insgesamt dritte, noch im Jahr 1916 von Percival Lowell selbst finanzierte systematische Suchaktion. Nachdem Tombaugh sich vergewissert und Direktor Slipher über seine Entdeckung informiert hat, geht es an die Auswertung der Daten.

Wie soll der neue Planet heißen?

Seine Entdeckung wird der gespannt wartenden Öffentlichkeit am 13. März 1930 verkündet - dem 149. Jahrestag der Entdeckung des Planeten Uranus durch Wilhelm Herschel im Jahr 1781 und dem 75. Geburtstag von Percival Lowell, der im Jahr 1916 verstorben war.

Clyde William Tombaugh (1906-1997). Foto: Imago/Courtesy Everett Collection

Nun sucht man in Flagstaff nach einem passenden Namen für das neu entdeckte Himmelsobjekt. Das Vorrecht der Namensgebung liegt beim Lowell-Observatorium. Dort trifft schon recht bald eine große Menge an Vorschlägen aus aller Welt ein.

Pluto, der Name des göttlichen Herrschers der Unterwelt in der römischen Mythologie, kommt von Venetia Burney, einem elfjährigen Mädchen aus dem englischen Oxford. Von der Meldung über die Entdeckung und Namenssuche in der Londoner Zeitung „Times“ erfährt die Mythologie-Begeisterte durch ihren Großvater, Falconer Madan, einem pensionierten Bibliothekar der Bodleian Library, schon am Morgen nach der Verkündung der Entdeckung.

Pluto, der römische Gott der Unterwelt: Ihm zu Füßen sitzt Cerberus, der dreiköpfige Höllenhund. Foto: Imago/Gemini Collection

Im fernen Flagstaff findet man den Namen überaus passend, kann sich der unbekannte Planet doch wie antike Gott Pluto unsichtbar machen. Entscheidend für die Namenswahl sind aber wohl Lowells Initialen PL. In den Folgejahren entdeckt Tombaugh noch Hunderte neue Asteroiden und zwei neue Kometen. Doch kein Fund sollte jemals wieder an die sensationelle Entdeckung vom 18. Februar 1930 heranreichen.

Start der Raketet mit der Raumsonde „New Horizons“ an Bord am 19. Januar 2006 von Cape Carnaveral in Florida. Foto: Imago/SuperStock

Raumsonde „New Horizons“ startet gen Pluto

Am 19. Januar 2006 – da war Clyde William Tombaugh, der am 17. Januar 1997 in Las Cruces in New Mexico verstarb, schon neun Jahre tot - startet die amerikanische Raumsonde „New Horizons“ zur Erforschung des Zwergplaneten Pluto. An Bord befindet sich auch ein Gefäß mit etwa 30 Gramm Asche von  Tombaugh. Es ist die höchste Ehre, die einem Astronomen widerfahren kann.

Nochmals acht Monate später, am 24. August 2006, wird Pluto als der neunte und äußerste Planet des Sonnensystems durch die Internationale Astronomische Union (IAU) in Paris seines Planeten-Status’ beraubt.

Nachdem immer mehr Plutoiden – also ähnlich große Körper wie Pluto - im Kuipergürtel aufgespürt worden sind, wird eine präzisere Begriffsdefinition notwendig. Seither wird Pluto der Kategorie Zwergplanet zugeordnet mit der Klein-Planeten-Nummer 134 340.

Eiswelt fern der Sonne

Den sonnenfernen Pluto trennen von unserem Heimatplaneten 4839 Millionen Kilometer. Das entspricht der 32-fachen Distanz zwischen Sonne und Erde. Wegen seiner großen Entfernung ist der eisige Himmelskörper nur mit lichtstarken Teleskopen zu erkennen. Mit nur knapp 2400 Kilometer Durchmesser ist er udem ein relativ kleines Objekt im Weltall.

Am 14. Juli 2015 passiert "New Horiozons" Pluto und sendet fantastische Aufnahmen dieser bizarren Eiswelt am Rande des Sonnensystems zur Erde. Plutos Mond Charon ist halb so groß wie er selbst, weshalb man auch von einem doppelten Zwergplaneten spricht. In den vergangenen Jahren sind noch vier weitere, winzige Pluto-Trabanten aufgespürt worden.

Am 14. Juli 2015 passiert die Nasa-Raumsonde „New Horizons“ den Zwergplaneten Nr. 134 340 . . . Foto: Imago/Depositphotos
. . . und sendet fantastische Aufnahmen dieser bizarren Eiswelt am Rande des Sonnensystems zur Erde. Foto: Imago/Dreamstime

Acht Planeten und fünf Zwerge

Die IAU zählt in unserem Sonnensystem offiziell acht Planeten (in der Reihenfolge der Entfernung zur Sonne): Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – sowie die fünf Zwergplaneten Ceres, Pluto, Haumea, Makemake und Eris. Es könnte jedoch Dutzende oder sogar Hunderte weitere Zwergplaneten jenseits des Neptuns geben.

Der Zwergplanet Pluto (li.) mit seinem Mond Charon. Foto: Imago/Pond5 Images

Die Suche nach dem sagenhaften Planeten X

Dass da draußen etwas ist, was ein Planet sein könnte, hatten Wissenschaftler schon lange vor Tombaugh vermutet. Im Jahr 1846 entdeckte der Astronom Johann Gottfried Galle den Planeten Neptun.

Ab 1905 suchte Percival Lowell, ein Hobby-Astronom und schwerreicher Textilfabrikant-Erbe, nach dem sagenhaften Planeten X, der sich hinter Neptun verbergen sollte. Doch dieser am 18. Februar 1930 von Tombaugh entdeckte größte bekannte Planet im Kuipergürtel ist deutlich kleiner als Lowell angenommen hatte.

Dass da draußen etwas ist, was ein Planet sein könnte, hatten Wissenschaftler schon lange vor Tombaugh vermutet. Foto: Imago/Dreamstime
Die eiskalte, lebensfeindliche Oberfläche von Pluto. Foto: Imago/Depositphotos
Der Zwergplanet benötigt fast 250 Jahre , um die Sonne zu umrunden. Foto: Imago/Depositphotos

Pluto benötigt 247,68 Jahre, um abseits der Neptun-Umlaufbahn die Sonne zu umrunden. Neptun ist der achte und äußerste Planet unseres Sonnensystems und befindet sich rund 30 Astronomische Einheiten (AE) von der Sonne entfernt. Eine astronomische Einheit entspricht dem Abstand zwischen Sonne und Erde – also circa 150 Millionen Kilometer.

Neptun wurde im Jahr 1846 aufgrund von Berechnungen aus Bahnstörungen des Uranus durch den französischen Mathematiker Urbain Le Verrier von dem deutschen Astronomen Johann Gottfried Galle entdeckt. Neptun ist durchschnittlich 4,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.

Der Planet Neptun.  Foto: Imago/Depositphotos

Kuipergürtel – kosmische Heimat von Pluto

Hinter Neptuns Umlaufbahn beginnt der Kuipergürtel: eine ringförmige, flache Region mit unzähligen Gesteinskörpern. Der „Kuiper Belt“, wie er im Englischen heißt, erstreckt sich über einen Bereich von 30 bis 50 AE.

Die bisher bekannten Plutiode befinden sich alle im Kuipergürtel. Benannt ist diese unwirtliche, lebensfeindliche äußere Randzone unseres Sonnensystems nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper. Dieser stellte im Jahr 1951 die Hypothese auf, dass einige Kometen aus der Region jenseits von Neptun -daher kommt auch der Name Transneptun - stammen könnten.

3D-Illustration der Oberfläche eines größeren kosmischen Objekts im Kuipergürtel mit dem Neptun im Hintergrund. Foto: Foto: Imago/Science Photo Library

Schätzungen zufolge enthält der Kuipergürtel mehr als 70.000 Objekte mit über 100 Kilometern Durchmesser sowie zahlreiche kleinere Objekte. Die meisten von ihnen sind mit einem Durchmesser von zehn bis 50 Kilometern – in kosmischen Dimensionen betrachtet - eher winzig. Mit einem Durchmesser von 2370 Kilometern gilt Pluto als größter Zwergplanet im Kuipergürtel.

Zwergplanet mit Asteroidenring im Kuipergürtel. Foto: Imago//Depositphotos

Überbleibsel aus der Frühzeit des Universums

Das erste Objekt des Kuipergürtels wurde im Jahr 1992 entdeckt, womit Gerard Kuipers Theorie bestätigt wurde. Weil diese Objekte sehr wenig Licht abstrahlen und sich langsam bewegen, sind sie nur schwer zu erkennen. Um die Sonne einmal zu umrunden, brauchen sie mehrere hundert Jahre.

Ähnlich wie bei unserem Mond handelt es sich bei Pluto und den anderen Zwergplaneten um Überbleibsel aus jener Zeit, als die Planeten unseres Sonnensystems vor mehr als vier Milliarden Jahren entstanden. Nachdem sie den größeren Planeten wie Jupiter oder Neptun zu nahegekommen waren, wurden sie in weit entfernte Außenregionen des Sonnensystems geschleudert.

Der Kuipergürtel enthält Schätzungen zufolge mehr als 70.000 Objekte mit über 100 Kilometern Durchmesser sowie zahlreiche kleinere Objekte. Foto: Imago/Depositphotos

„New Horizons“ und die unendliche Weiten

„New Horions“ ist von der Nasa ausgesandt worden, um den transneptunischen Bereich unseres Sonnensystems genauer zu erforschen. Nachdem die Sonde Pluto im Sommer 2015 passiert hat, erreicht sie im April 2021 das Kuipergürtel-Objekt Arrokoth (Ultima Thule) und durchbricht damit den bis dahin bestehenden Entfernungsrekord von 50 AE. Keine anderes Raumschiff ist damit so weit in den Weltraum vorgedrungen wie „New Horizons“.

Die Daten zeigen, dass die von „New Horizons“ dokumentierten Staubströme dichter sind als es aktuelle Modelle vorhersagen. Bisher waren Astronomen davon ausgegangen, dass die Staubdichte in dieser Entfernung deutlich abnimmt, weil der Außenrand des Kuipergürtels bei etwa 50 AE verortet wird.

Die meisten von ihnen sind mit einem Durchmesser von zehn bis 50 Kilometern – in kosmischen Dimensionen betrachtet - eher winzig. Foto: Imago/Depositphotos

Unerkannte Population von Objekten

Den neuen Analysen zufolge müsste „New Horizons“ den Kuipergürtel also längst verlassen haben. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. "New Horizons"  begegnet dort draußen offenbar einer ganz neuen Population eisiger Himmelskörper, die in gängigen astrophysikalischen Modellen nicht enthalten sind. Daraus schließen die Sternenforscher, dass der Kuipergürtel größer sein muss als bisher angenommen – möglicherweise sogar 80 AE.

„Die Vorstellung, dass wir einen erweiterten Kuipergürtel entdeckt haben, ist aufregend“, erläutert der US-Astronom Alex Doner. „Dort draußen gibt es möglicherweise eine weitere, noch unerkannte Population von Objekten, die miteinander kollidieren und Staub produzieren.“ Zu dieser Population könnten noch weiter entferntere Zwergplaneten als jene gehören, die Astronomen in den letzten Jahren jenseits des eigentlichen Kuipergürtels entdeckt haben.

„Diese neuen Ergebnisse“, sagt „New-Horizons“-Forschungsleiter Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder, „könnten das erste Mal sein, dass eine Raumsonde eine ganz neue Population von Himmelskörpern in unserem Sonnensystem entdeckt hat.“