Der Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel rechnet damit, dass sich die Mobilität stark verändern wird. Foto: privat

Der Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel ist überzeugt, dass das private Auto im 21. Jahrhundert in der Mobilität keinen Platz mehr hat. Er rechnet damit, dass funktionierende Tür-zu-Tür-Lösungen mit autonomen Fahrzeugen schon von 2030 an Realität werden können.

Eike Wenzel ist Gründer und Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg. Der Individualverkehr mit dem eigenen Fahrzeug muss aus seiner Sicht drastisch reduziert werden. Es sei wichtig, neue Lösungen bei der kollektiven Mobilität zu entwickeln – und die Taktung im Nahverkehr zu verbessern.

Herr Wenzel, Sie sitzen im Nachhaltigkeitsrat der Landesregierung. Worum geht es da?

Das ist ein Expertengremium aus 20 Professoren und Experten, das über Projekte diskutiert und Entscheidungen trifft. Es hat dramatische Verschiebungen gegeben. Wir stellen nun fest, dass unsere hohe Abhängigkeit von Kohlenwasserstofftechnologien nicht nur umweltpolitisch extrem schädlich ist.

Was bedeutet das konkret, etwa für das Auto?

Das ist eine Technologie des 20. Jahrhunderts, die im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr hat. Das Auto ist der einzige Bereich, wo es nicht gelungen ist, den CO2-Ausstoß zu minimieren. Es muss weniger Autos in Privatbesitz geben. Ziel muss es sein, dass ein autonom fahrendes Auto, ein Robo-Auto, mich zu Hause, etwa in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, abholt und zu einem Mobility-Hub bringt, wo ich in einen idealerweise autonom fahrenden Bus einsteige, der mich zum Hauptbahnhof bringt, von dem aus ich meine Reise fortsetze. Solche Tür-zu-Tür-Lösungen sind ab etwa 2030 realistisch und stoßen auf großes Interesse bei den Bürgern.

Derzeit werden Ladestrukturen für Elektroautos auch in Städten aufgebaut. Ist das Blödsinn?

Das ist kontraproduktiv. Es kann nicht darum gehen, bisherige Autos eins zu eins durch batteriegetriebene zu ersetzen. Das ist nicht möglich und nicht nachhaltig. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sagt zu Recht, dass er seine Stadt nicht für den Aufbau einer Ladestruktur für Elektroautos umgraben wird.

Also nur noch öffentlicher Nahverkehr, E-Roller und Fahrräder in der Stadt?

Je mehr kollektive Mobilität, desto besser. Es geht um die Taktung im Nahverkehr, der nicht nur Lückenbüßer fürs Auto sein darf, es könnten aber auch Seilbahnen sein, gerade in einer autozentrierten Stadt wie Stuttgart. Wir müssen mentale Sperren beseitigen und neue Strukturen schaffen, um Lebensraum für die Menschen zurückzugewinnen.

Was bedeutet das für die Autoindustrie? Und es braucht doch auch Güterverkehr!

Wenn es keinen Privatbesitz von Autos mehr gibt, besteht immer noch Bedarf an einer Autoproduktion in Höhe von etwa einem Viertel der heutigen. Übergangsweise sind dafür elektrisch betriebene Fahrzeuge und Lösungen mit Wasserstoff vernünftig, gerade für die letzte Meile in den Städten.

Wie sehen die Städte künftig aus?

Wenn autonome Fahrzeuge Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind, dann braucht es keine Parkplätze mehr, und auch die Parkhäuser können abgerissen werden. In den Innenstädten werden Flächen frei, die derzeit von Autos besetzt sind. Dadurch entsteht neuer Wohnraum, und die Innenstädte können umgebaut werden für einen nachhaltigeren Lebensstil. Daran arbeiten auch meine Studenten des MBA-Programms „Zukunftstrends und Nachhaltiges Management“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen.

Braucht es Zwangsmaßnahmen, um die von Ihnen geschilderten Szenarien umzusetzen?

Zwangsmaßnahmen sind das letzte Mittel. Wir müssen attraktive Angebote machen durch den Umbau des Mobilitätssystems. Und vieles muss über den Preis laufen.

Die Zukunftstrends im Blick

Trendforschung
 Eike Wenzel gehört zu den renommiertesten Trendforschern Deutschlands. Wenzel, Jahrgang 1966, ist Gründer und Leiter des Heidelberger Instituts für Trend- und Zukunftsforschung, ist Buchautor und Kolumnist für die Wirtschaftswoche, das Handelsblatt, die Zeit und Huffington Post und betreibt das Webportal www.zukunftpassiert.de.

Nachhaltigkeitsrat
 Der Medienwissenschaftler und Publizist beschäftigt sich vor allem mit den Themen Megatrends und Märkte, Medien, Nachhaltigkeit, Energiewende, Wertewandel, Gesundheit, Lebensstile und demografischer Wandel. Wenzel hat 2016 mit Klaus Gourgé den MBA-Studiengang „Trend- und Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Fachhochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen ins Leben gerufen und ist seit 2017 Mitglied des Nachhaltigkeitsrats der Landesregierung Baden-Württembergs.