Vereine in der Krise. Nachwuchssorgen, Mangel an Ehrenamtlichen, fehlende Übungsleiter oder Mitgliederschwund machen ihnen zu schaffen. Eine Ausnahme: der TV Hegensberg. Zumindest nach den Worten seines Vorsitzenden Hermann Beck. Ein Grund, warum er sich um den Ehrenamtspreis bewirbt.
Esslingen - Kunstkurse gibt es auch. Für Kinder und Erwachsene. Das gehört zwar nicht gerade zum klassischen Angebotskanon eines Turnvereins. Doch Hermann Beck meint: „Es fördert die Gemeinschaft.“ Und dann hält er seine ökologisch einwandfreie Jutetasche in die Höhe und deutet auf den Aufdruck: Vereinsarbeit steht danach für Respekt, Toleranz, Zusammenhalt, Fairness, Freundschaft oder Teamgeist. Ein hoher Anspruch. Aber beim TV Hegensberg wird natürlich auch Sport gemacht. Hand-, Faust-, Beach- oder Basketball, aber auch Leichtathletik oder Turnen und Gymnastik werden den exakt 1528 Mitgliedern angeboten. Aber der Verein, so betont der erste Vorsitzende, bemüht sich zudem um nachhaltige ökologische Aktionen – ein Grund, warum er sich für den Ehrenamtspreis 2020 beworben hat.
Keine Fusion mit TV Liebersbronn
Am Anfang stand eine Anzeige in der Eßlinger Zeitung: „Diejenigen, welche sich für einen Turnverein interessieren, sind auf Mittwochabend 9 Uhr zu einer Besprechung freundlichst eingeladen.“ Der Appell wurde gehört. 14 Interessierte trafen sich 1894 in der Gaststätte „Traube“ in Hegensberg und gründeten den örtlichen Turnverein. Zunächst eine rein männliche Angelegenheit. Erst 1919 entstand eine Frauenabteilung. Heute kein Thema mehr. Beide Geschlechter feierten im Vorjahr zusammen das 125-jährige Jubiläum. Mit an Bord war auch derTV Liebersbronn, der ebenfalls 1894 aus der Taufe gehoben wurde. Mit dem gleichaltrigen Nachbarschaftsverein besteht seit über 20 Jahren eine funktionierende Handball-Spielgemeinschaft, erklärt Hermann Beck. Weitergehende Fusionen sind derzeit nicht geplant. Ist nach Angaben des ersten Vorsitzenden auch nicht nötig. Denn die gängigen Probleme vieler Vereine, Mitgliederschwund, Nachwuchsmangel, fehlende Ehrenamtliche oder Nichtbesetzung frei werdender Vorstandsposten, plagen den TV Hegensberg nach Angaben seines Chefs nicht.
Hauptamtliche im Einsatz
Woran liegt’s? Einmal an der Mischung aus ehrenamtlicher Vorstandsarbeit und professioneller Unterstützung durch Hauptamtliche. Die TV-Geschäftsstelle, so Hermann Beck, wird von Sabine Wiesner geleitet, einer ehemaligen Sieben-Kämpferin, die das Vereinsleben kenne und den Umgang mit Sporttreibenden wie aus dem Effeff beherrsche. Sie kümmert sich im Rahmen ihrer 50-Prozent-Stelle um Anfragen, Übungsleiter-Akquise, Mitgliederverwaltung oder Raumsuche. Hermann Beck: „Somit ist der Vorstand im operativen Bereich entlastet und kann sich um die Gestaltung der Vereinsarbeit kümmern.“ Bewährt hat sich nach seiner Erfahrung zudem die Arbeit eines Ausschusses, in dem alle Vorstandsmitglieder und Abteilungsleiter einen Sitz haben. In regelmäßigen Treffen stehen Informationsaustausch, Gespräche und Kommunikation untereinander im Vordergrund. Auch das viel diskutierte Abspecken der vereinsinternen Festkultur hat dem TV Hegensberg nach Worten seines Vorsitzenden gut getan. Das dreitätige Vereinsfest wurde wegen des Anspruchs an Manpower, der Belastung für die Mitglieder und der nachlassenden Bereitschaft zur Mitarbeit gecancelt. Kleinere Feste schmieden genauso zusammen, meint Hermann Beck. Und der Teamspirit kann auch in der Gaststätte „Bergeck“ bei der TV-Turnhalle gepflegt werden, für die zur Entlastung der Ehrenamtlichen ein Wirt gefunden wurde.
Immer am Puls der Zeit
Neue Wege. Ungewohnte Wege. Aber erfolgreiche, wie der erste Vorsitzende meint. Die Einnahmen aus dem dreitätigen Fest brechen zwar weg, doch er sieht den TV Hegensberg finanziell gut aufgestellt. Mitgliedsbeiträge, Sponsoren und Zuschüsse auch von Stadt und Sportbund sorgen für ein solides wirtschaftliches Polster, das auch die Finanzierung der hauptamtlichen 50-Prozent-Kraft gestattet. „Das Ohr am Puls der Zeit haben und mit diesem Puls der Zeit gehen“, das ist eine von Hermann Becks Regeln für eine funktionierende Vereinsarbeit. Beim TV Hegensberg, dem er seit 1992 vorsteht, sei schon sehr frühzeitig eine Kinderbetreuung zur Entlastung Sport treibender Mütter eingerichtet worden, und mit einerMountainbike-Strecke beim Jägerhaus wurde eine Trendsportart nicht ausgebremst. Auf dem Gelände hinter der Sporthalle im Breitingerweg 26 wurden Beach-Volleyballfelder eingerichtet, und das neue „Baby“ ist eine Boulebahn mit fünf Metern Breite und 17 Metern Länge, die ebenfalls auf dem Areal errichtet werden soll. Gute Ideen zulassen, Menschen motivieren, Talente fördern, ein gelungenes Personalmanagement, gehören nach Ansicht von Hermann Beck auch zu einer florierenden Vereinsarbeit: „Man muss Befehle in Aufträge umwandeln“.
Die Frage der Nachfolge
Doch hängt beim TV Hegensberg nicht vieles an seiner Person? „Allein kann man nichts richten“, meint er. Bis 2022 bleibt er auf jeden Fall im Amt, einen Rückzug werde er rechtzeitig ankündigen, der Personalpool des Vereins sei bestens: „Um meine Nachfolge ist mir nicht bange.“ In vielen Bereichen, wie beim Marketing, würde er jetzt schon den Jungen den Vortritt lassen: „Da bin ich wie der Opa im Hintergrund.“
Informationen und Kontakt
INFOBOX
Das Anliegen: Bei seiner Bewerbung um den Ehrenamtspreis verweist der TV Hegensberg besonders auf sein nachhaltiges ökologisches Arbeiten.
Die Umsetzung: Nachhaltigkeit erzeugt der Verein auf verschiedene Weise. So soll im März eine Blumenwiese mit etwa 130 Quadratmetern Fläche gepflanzt werden, eine Silberlinde wurde gesetzt, da der Baum die Power zum Überdauern der Folgen des Klimawandels hat. Die „Beachbox“, das Gerätehaus und Lager des Vereins für Bälle und Netze, wurde aus Holz errichtet.
Der Kontakt: Infos gibt es in der Geschäftsstelle des Turnvereins Hegensberg e.V. 1894 bei Sabine Wiesner in der Breitingerstraße 26 in 73732 Esslingen unter der Rufnummer 0711/37 97 23 und der E-Mail-Adresse info@tvhegensberg.de . Mehr dazu steht auch unter https://www.tvhegensberg.de/