Opfer einer Landmine an der Grenze von Kambodscha und Thailand Foto: dpa/Pornchai Kittiwongsakul

Wissenschaftler haben Radarsensoren für Drohnen zum Minensuchen entwickelt. Sie können nach kriegerischen Auseinandersetzungen helfen, belastete Gelände schneller zu kartieren und von den Gefahren für Menschen zu befreien.

In vielen Regionen liegen Landminen nach dem Ende der Kämpfe noch jahrzehntelang im Boden und sind eine große Gefahr für Zivilisten. Die Organisation Action on armed Violence, die Forschungen zum Auftreten und den Auswirkungen globaler bewaffneter Gewalt durchführt, spricht in ihrem Report aus dem Jahr 2020 von 18 747 Opfern nur durch Antipersonenminen (APM) in 48 verschiedenen Ländern. Hotspots der Verminung und von Munitionsrückständen sind vor allem die armen Länder im Nahen Osten, Südostasien und Afrika. Hinzu kommt Kolumbien und brandaktuell die Ukraine. Weltweit wird demnach fast jede Stunde eine Person durch Landminen getötet oder verletzt – vor allem Kinder.

Zeitsparender neuer technischer Ansatz

Bis jetzt werden Minen meist mit einem Metalldetektor und mit speziellen Minenräummaschinen gesucht. Das ist für die Minensucher gefährlich und dauert lange. Wissenschaftler um den Leiter des Instituts für Mikrowellentechnik der Universität Ulm, Professor Christian Waldschmidt, haben jetzt eine Methode entwickelt, bei der die Landminen mit an Drohnen befestigten Radarsensoren gesucht werden können. Die Radarwellen liefern eine dreidimensionale Abbildung des Untergrunds, auf der die Elektroingenieure sehen können, wo sich die Minen befinden.

Langzeitgefahr

In einem Versuchsfeld verbuddeln die Wissenschaftler Minenattrappen, die die gleiche Geometrie und Materialeigenschaften wie echte Antipersonenminen haben, in verschiedenen Böden. „Die verschiedenen Felder mit den unterschiedlichen Böden haben wir deshalb angelegt, da natürlich auch die Minen in den verschiedenen Kriegsgebieten in unterschiedlichen Böden liegen“, erklärt Waldschmidt.

Hansjörg Eberle ist Geschäftsführer der Stiftung FSD (Fondation Suisse de déminage) aus Genf, die seit Jahren eng mit der Uni Ulm zusammenarbeitet. Er ist weltweit in der Minenräumung unterwegs und weiß genau um die Gefährlichkeit solcher Tretminen: „Landminen sind so eine perfide Waffe, weil sie eine Explosion auslösen, die die Leute primär verletzen und nicht töten soll. Ein verletzter Soldat stellt nämlich für die Logistik der Kriegsführung ein viel größeres Problem dar als ein getöteter Soldat. Das Schlimmste aber ist, dass diese Minen nach Beendigung der Kämpfe dann liegen bleiben und die dort ansässigen Zivilisten verletzen und manchmal sogar töten“, erklärt Eberle.

Riskante Minensuche

Im Normalfall müssen die gefährlichen Gebiete zuerst von Experten untersucht werden, ehe die Minen dann wirklich entschärft werden können. Diese Untersuchung umfasst die Verwendung von Karten, die Befragung der lokalen Bevölkerung, Behörden und Militärvertretern und die Begehung vor Ort durch ein sogenanntes nichttechnisches Erhebungsteam. Das kann unter Umständen Monate dauern. „Dieser nichttechnische Erhebungsprozess kann durch den Einsatz unserer Drohnen erheblich beschleunigt werden, weil sie große Flächen in kurzer Zeit überfliegen können“, sagt Waldschmidt. Zudem ist eben auch dieser Erhebungsprozess für die Minensucher schon gefährlich, weil sie über Straßen fahren und auf Feldern laufen müssen, wo im Zweifel Minen oder Munition explodieren können. Das wollen Waldschmidt und Kollegen verhindern. Und tatsächlich zeigen die Drohnenbilder auf dem Testfeld mit den verbuddelten Minendummys sofort viele blaue Flecken – das Symbol für vergrabene Minen.

Genaue Radarbilder

Möglich sind solche genauen Radarbilder, weil die Ulmer Wissenschaftler einen speziellen Radarsensor für Drohnen entwickelt haben. Das Prinzip: „Über die Sendeantennen werden elektromagnetische Wellen abgeschickt. Aufgrund der sehr geringen Frequenz können die Wellen in der Realität in alle Bodenarten eindringen und werden dort von den Minen zurückgeworfen. Dieses reflektierte Signal empfängt der Radarsensor und wertet es aus“, erklärt Waldschmid.

Erleichterung für die Zivilbevölkerung

Häufig ist es aber auch so, dass kein Signal aufgefangen wird und die überflogene Gegend also minenfrei ist. Das ist in der Praxis ein wichtiges Signal: „Ich habe bei meinem letzten Besuch im Irak gesehen, dass es dort immer noch Zehntausende von internen Vertriebenen gibt. Und nun muss man erst einmal feststellen, ob es in ihren Dörfern überhaupt eine Gefahr gibt oder nicht. Wenn nicht, dann könnten die Leute gefahrlos in ihre Dörfer zurück. Genau in diesen Fällen hoffen wir, dass die Drohne das ganze Verfahren beschleunigt“, berichtet Eberle.

Schnellere Räumung

Sowohl bei den Minen wie auch bei selbst gebauten Sprengfallen gilt: Sind die Objekte erst einmal identifiziert, können die Fachkräfte vor Ort mit der Entschärfung beginnen. Dafür muss das Gebiet dann sicherheitshalber immer noch von menschlichen Minenräumern mit Metalldetektoren abgesucht werden. „Wenn sich allerdings unser Verfahren über die Jahre in der Praxis bewährt, wollen wir unsere Radarbilder dann auch für die Praxis zur Verfügung stellen. Das heißt, dass die Minenräumer dann nur noch unsere Radarbilder zur genauen Auffindung brauchen und sofort mit dem Entschärfen der Minen loslegen können“, so Waldschmidt über die Zukunft.

Minen und Sprengfallen

Gefahr
 Nicht nur Minen sind gefährlich für die Zivilbevölkerung. Auch unkonventionelle, nicht industriell hergestellte Spreng- oder Brandvorrichtungen, sogenannte IED (englisch: improvised explosive device) sind eine immer größer werdende Gefahr. Sie sind häufig an Stolperdrähte geknüpft

Folgen
Fast 40 Prozent aller Toten aufseiten der Koalition im Irak-Krieg werden etwa auf unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen zurückgeführt.