Die Köngener Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes gibt es seit 100 Jahren – die Aufgaben sind vielfältig, und ohne Idealismus geht es nicht.
Es waren sieben Männer, die am 24. Oktober 1924 im damaligen Gasthaus Adler in der Oberen Neuen Straße in Köngen einen Ableger des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) gründeten. Die Zeiten waren nicht die besten – es herrschten Not, Elend, Arbeitslosigkeit und Unfrieden unter den rund 2400 Einwohnern im Dorf. Der damalige Bürgermeister Wilhelm Faßnacht und SPD-Gemeinderat Wilhelm Krauß hatten deswegen zu der Versammlung ins Wirtshaus gebeten. Anwesend war auch ein ASB-Vertreter, der Sinn und Zweck einer Ortsgruppe so anschaulich darlegte, dass die sieben Pioniere dem Aufruf noch am selben Abend folgten.
Mit viel Idealismus, Opferbereitschaft sowie einer großen Portion guten Willen ließen sich die Mitglieder vom Ortsarzt ausbilden und legten so die Basis für die Sanitätsarbeit in Köngen. Als aktiver Teil der Arbeiterbewegung geriet der ASB indes schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 immer wieder mit ihnen in Konflikt. Im Zuge der Gleichschaltung wurde die gemeinnützige Organisation zum 1. September 1933 reichsweit aufgelöst und alle Güter beschlagnahmt. Auch die Köngener Ortsgruppe war betroffen, schloss sich dann aber „wohl oder übel“, wie es in der Chronik zum 75-Jahr-Jubiläum heißt, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) an.
Am Anfang gab es nur Idealismus und guten Willen
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Köngener teils Ortsgruppen in Plochingen und in Wendlingen angegliedert, erst im September 1951 formierte sich wieder eine eigene Ortsgruppe. „Aber schon damals hat man den 24. Oktober 1924 als Gründungsdatum genommen“, sagt der heutige Köngener DRK-Vorstand Julian Bauder. So konnte bereits 1954 das 30-jährige Bestehen gefeiert werden, 97 Mitglieder hatte die Ortsgruppe damals – darunter 37 Aktive. Zwei Jahre später wurde die erste Unfallhilfestelle in der Schreinerei Stoll im Unterdorf eingerichtet, im selben Jahr wurde die Jugendgruppe gegründet. Ebenfalls 1956 führte das DRK die erste Blutspendeaktion in Köngen durch.
1964 hatte der Verein genug Geld beisammen, um sein erstes Fahrzeug – einen VW-Bus, der bis 1982 im Dienst war – anzuschaffen. 17 Jahre sollte es dauern, bis das nächste Fahrzeug – diesmal ein Sprinter von Mercedes-Benz – angeschafft wurde. „Das ist bis heute eines unserer großen Themen“, sagt Bauder. Da das DRK ein Verein ist, müssen solche Kosten bis heute selbst getragen werden – anders etwa wie bei der Feuerwehr, wo die Kommunen die Fahrzeuge bezahlen. „Das heißt für uns, ein Fahrzeug muss 20 bis 25 Jahre durchhalten, vorher haben wir kein Geld für was Neues“, erklärt Bauder. Der Berufssoldat ist erst seit März dieses Jahres Vorstand vom DRK Köngen, und gleichzeitig wie schon in den vergangenen 13 Jahren Bereitschaftsleiter. Die Doppelbelastung stresse schon manchmal, gibt der 39-Jährige zu. Aber hätte er das Amt nicht übernommen, hätte die Ortsgruppe vor dem Aus gestanden: „Ich bin seit 28 Jahren DRK-Mitglied, das liegt mir einfach am Herzen.“
Auch heute gehören noch eine gute Portion Nächstenliebe und Idealismus dazu. „Wir sind zu 100 Prozent im Ehrenamt tätig“, sagt Bauder. Und die rund 35 Aktiven leisten allein in Köngen 2500 Sanitätsstunden im Jahr ab – etwa bei Großevents wie dem Pfingstmarkt und den beiden Reitturnieren, dazu kommen Einsätze auf dem Fußballplatz und in der Sporthalle. On top wird auch anderen Ortsgruppen ausgeholfen, so sind Köngener DRKler beim Motocross in Aichwald oder beim Esslinger Citylauf dabei. Dazu kommen Einsätze im Katastrophenfall wie 2021 im Ahrtal oder die ehrenamtliche Begleitung von Hilfstransporten wie zuletzt im Dezember 2023 nach Rumänien.
Natürlich müssen Veranstalter einen Obolus an das DRK entrichten, doch diese Einnahmen werden dringend benötigt, um Rücklagen etwa für neue Fahrzeuge, Verbandsmaterial oder Einsatzkleidung zu bilden. „Zudem kostet uns die Ausbildung eines Helfers rund 2000 Euro, bevor er in den Einsatz gehen darf“, gibt Bauder zu bedenken. Früher seien die DRKler oft als „Pflästerleskleber“ veralbert worden. „Doch das ist schon lange nicht mehr so – unsere Helfer brauchen eine rettungsdienstliche Qualifikation.“
Statt Dankbarkeit gibt es viel Negativkritik
Während die Dankbarkeit in der Bevölkerung während der Coronapandemie, als das Köngener DRK Schnelltests und diverse Impfaktionen initiierte, wie überall sehr groß war, habe das inzwischen wieder schwer nachgelassen, bedauert Bauder: „Nach unserer letzten Spendensammlung in Köngen gab es viel Negativkritik.“ Der Vorwurf: Das DRK schwimme doch in Geld. „Aber das stimmt nicht – über die Einnahmen müssen wir unsere laufenden Kosten decken und Rücklagen bilden“, sagt Bauder. Sorge bereiten auch die aktiven Mitglieder – zwar ist die Jugendgruppe mit rund 40 Kindern und Jugendlichen gut bestückt, es fehlt indes an Aktiven zwischen 25 und 35 Jahren. Woran das liegt? Bauder überlegt nicht lange: „Zum einen gibt es in Köngen etwa 80 Vereine, zum anderen braucht man eine gewisse innere Überzeugung, um den Job zu machen.“ Man bekommt keine Vergütung, muss beim Arbeitgeber seine Urlaubstage verpulvern und ist eher im Hintergrund. Dazu komme die fehlende Wertschätzung: „Es sind ganz viele Dinge, die man als Außenstehender nicht sieht.“ Feuerwehrleute etwa bekommen eine Aufwandsentschädigung von der Kommune: „So was gibt es für uns nicht. Das DRK ist schon lange an einer bundesweiten Helfergleichstellung dran.“ Getan habe sich bisher aber noch nichts.
Sorge wegen der Räume
Ist-Zustand
Seit 1965 ist das DRK Köngen zusammen mit der Feuerwehr in einem eigenen Magazin in der Hirschgartenstraße untergebracht. Das mehrfach erweiterte Gebäude weist erhebliche Mängel auf – unter anderem gibt es weder Umkleide- noch Sanitärräume, ganz zu schweigen von einer Geschlechtertrennung. Im Gesamtpaket ist eine Sanierung laut einer von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie unwirtschaftlich, zudem fehlt der Platz für eine Erweiterung.
Pläne
Im Zuge der Entwicklung des HOS-Areals in unmittelbarer Nachbarschaft des Köngener Magazins steht ein Grundstückstausch im Raum, damit ein Neubau direkt an der Bahnhofstraße realisiert werden kann. Momentan befindet sich dort eine Tankstelle, deren Pachtvertrag aber 2028 ausläuft. Das Thema steht weit oben auf der Agenda der anstehenden Herbst-Klausurtagung des Gemeinderats. Erste, vorsichtige Kostenschätzungen für einen Neubau lagen bei mehr als zehn Millionen Euro.
Synergieeffekte
Für den Köngener DRK-Vorsitzenden Julian Bauder ist es wichtig, dass die beiden Hilfsorganisationen weiter gemeinsam untergebracht werden: „Zum Beispiel müssen DRK und Feuerwehr im Katastrophenfall jeweils 100 Liter Diesel vorhalten, bei einer räumlichen Trennung würden wir also zwei Lager benötigen.“ Weiter geht es mit gemeinsam nutzbaren Räumen wie einer Großküche – schließlich muss das DRK im Katastrophenfall sofort 25 Menschen aufnehmen können, und die wollen versorgt werden – oder auch Schulungsräumen, die gemeinsam genutzt werden könnten.