Bei Schockanrufen setzen die Täter darauf, dass ihre Opfer nicht mehr rational handeln. Foto: Archiv (dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

Ein angeblicher Polizist hat sich bei einer Frau in Großbottwar gemeldet und behauptet, ihre Tochter sei verletzt und habe einen Unfall mit tödlichem Ausgang ausgelöst.

Sie will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, hat Angst, dass die Täter ihrer Familie nachstellen, sie bedrohen könnten. „Aber ich will auf jeden Fall andere warnen“, sagt die Großbottwarerin, die fast einem Schockanrufer aufgesessen wäre und Schlimmes durchgemacht hat. „Für uns ist kurzzeitig eine Welt zusammengebrochen“, erklärt die dreifache Mutter.

Ein Mädchen fleht um Hilfe

Ein Mädchen fleht um Hilfe

Was ihr noch immer zusetzt, ist ein Gespräch, das sie am Donnerstag gegen 14 Uhr entgegengenommen hat. Die Nummer unterdrückt, am anderen Ende der Leitung ein Kind, das schluchzt, vorgibt, die Tochter zu sein, mit dem Weinen nicht aufhört, behauptet, sich von einem Revier aus zu melden, und fleht: „Mama, ich brauche Deine Hilfe.“ Dann ist plötzlich ein Mann am Apparat, er sei Polizist und der Tochter Schlimmes widerfahren. Sie sei bei Rot über die Ampel gegangen, habe dadurch einen Unfall provoziert, der Fahrer: tot, die junge Frau selbst: verletzt und nun in Untersuchungshaft wegen fahrlässiger Tötung. Für eine Kaution von 35 000 Euro könne sie freikommen, das Geld müsse aber heute noch fließen, sonst drohe eine Nacht in der Zelle.

Schlimmes Bild vor Augen

„Ich weiß, im Nachhinein denkt man: wie kann man so was glauben? Aber ich war geschockt, habe mein Mädchen vor dem geistigen Auge schwer verletzt auf der Straße liegen sehen“, erklärt die Großbottwarerin. Ihre Familie sei komplett aufgelöst gewesen, zumal die Tochter zunächst nicht zu erreichen war. Sie sagte dem vermeintlichen Polizisten, so viel Geld nicht flüssig zu haben, der aber habe weiter gebohrt, nach Bargeld und Schmuck gefragt habe. Der Spuk war erst zu Ende, als sie die Fassung wieder gewann und ankündigte, das Gespräch auf Laut zu stellen. Da legte der Gauner auf. Erleichtert war sie aber erst, als die Tochter am Handy erreicht wurde – unversehrt, nicht in U-Haft.

Nur die Spitze des Eisbergs

Kein Einzelfall

Leider ist das, was die Frau aus Großbottwar erlebt hat, kein Einzelfall. „Das kommt stetig und überall vor. Bei uns landet nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Steffen Grabenstein, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Die Täter seien rhetorisch geschult und merkten, ob sich eine Chance zum Abkassieren bietet. „Das Problem ist, dass das logische Denken wegen der schlimmen Nachricht blockiert ist.“ Den Ganoven sei schwer auf die Schliche zu kommen, weil sie mit manipulierten oder unterdrückten Nummern arbeiteten. Selbst wenn man jemand bei der Geldübergabe erwische, sei das nicht der Drahtzieher. Und: Keine Behörde werde in so einem Zusammenhang eine Kaution verlangen. „Allerspätestens wenn Geld den Besitzer wechseln soll, ist es Betrug. Dann sollte man das Gespräch beenden.“

Wann die Alarmglocken läuten sollten